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Das große Impf-Rennen

12. Dezember 2020

Es ist so weit: Die ersten Impfstoffe gegen das Coronavirus sind im Einsatz, andere stehen kurz vor der Zulassung. Wann und wo steht ein Vakzin zur Verfügung? Welche Länder sind Pioniere? Ein erster Überblick.

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Nordirland Belfast | Coronavirus | Impfung Pfizer/BioNTech
Schwester Joanna Sloan ist die erste Person, die in Nordirland gegen Corona geimpft wird Bild: Liam McBurney/REUTERS

Auch wenn in den vergangenen Monaten vielfach beteuert wurde, "Impf-Nationalismus" müsse vermieden werden, haben sich viele Industrienationen Millionenkontingente an Impfdosen bei führenden Pharmakonzernen gesichert. Im Rennen um Zulassungen hat derzeit der Impfstoff des deutschen Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer die Nase vorn: Großbritannien, Kanada, Bahrain und Saudi-Arabien genehmigten den Notfall-Einsatz des Serums. In einigen Ländern wie Großbritannien und Russland haben die Massenimpfungen bereits begonnen, andere, etwa die USA und die Türkei, wollen in Kürze loslegen. Hier ein - unvollständiger - Überblick über die Lage in verschiedenen Ländern und Regionen.

Großbritannien

Als erstes Land der Welt hat Großbritannien Anfang Dezember per Notfallzulassung den Weg für Corona-Impfungen mit dem Vakzin von Biontech und Pfizer freigemacht. Da die Briten sich im Vorfeld 40 Millionen Dosen des Präparats gesichert hatten, konnten die Impfungen bereits beginnen. Bis Mitte kommenden Jahres geht die Regierung von einem "Portfolio von drei oder vier Impfstoffen, die wir verwenden können", aus. Auch bei AstraZeneca reservierte sie Dosen. Der schwedisch-britische Pharmakonzern hat seinen Impfstoff unter anderem an Tausenden Briten getestet.

Europäische Union

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) will Ende Dezember über den Biontech-Impfstoff und voraussichtlich Mitte Januar über den Impfstoff der US-Firma Moderna entscheiden. Dass das EU-weite Verfahren länger dauert als beispielsweise in Großbritannien, liegt auch daran, dass man nicht auf eine Notfallzulassung setzt, bei der auf längere Studien zur Sicherheit und Wirkung verzichtet wird. 

Hintergrund der gemeinsamen Zulassung und Beschaffung der 27 EU-Länder ist, dass sie zusammen bessere Konditionen erhalten und Impfstoffe früher geliefert bekommen. Bisher gibt es Verträge mit den Herstellern Johnson & Johnson, Sanofi-GSK, AstraZeneca, Pfizer/Biontech, CureVac und Moderna. Erhalten tatsächlich alle Impfstoffe eine Zulassung, kann die EU auf bis zu zwei Milliarden Dosen hoffen - bei nur 450 Millionen Einwohnern. Überschüssige Dosen sollen später ärmeren Ländern zur Verfügung gestellt werden.

Das einzige Verteilungskriterium ist bislang der jeweilige Anteil eines Landes an der EU-Gesamtbevölkerung. Somit würde etwa Deutschland 18,6 Prozent der Impfstoffdosen erhalten. 

Auch wenn die EU-Impfstrategie vorsieht, dass Mitgliedstaaten keine separaten Verhandlungen mit Pharmakonzernen führen, hat sich Deutschland zum Beispiel nicht daran gehalten: Im Zuge der Forschungsförderung wurden nationale Vereinbarungen mit Herstellern getroffen. Nach Medieninformationen könnte sich die Bundesrepublik auf diese Weise unter anderem 30 Millionen zusätzliche Impfstoffdosen der deutschen Firma Biontech gesichert haben. 

USA 

In den Vereinigten Staaten ist die Notfallzulassung des Corona-Impfstoffs von Biontech und Pfizer an diesem Freitag erfolgt - offenbar auf Druck des Weißen Hauses hin. Experten der nationalen Arzneimittelbehörde FDA hatten am Donnerstag (11.12.2020) ihre Empfehlung dafür ausgesprochen. Das Biontech-Vakzin, von dem sich die USA 100 Millionen Dosen gesichert hatten, kann damit ab sofort in Krankenhäusern und Altenheimen eingesetzt werden, erklärte das US-Gesundheitsministerium. 

Am 17. Dezember sollen die FDA-Experten zudem über den Antrag des US-Unternehmens Moderna abstimmen, sodass schon vor Weihnachten zwei Impfstoffe zugelassen sein könnten. In dem Land mit den weltweit höchsten Corona-Fallzahlen sollen auf diese Weise noch im Dezember 20 Millionen Menschen geimpft werden.

China

In China sollen im Rahmen eines Notfall-Programms bereits über eine Million Menschen mit einheimischen Präparaten unter anderem der Hersteller Sinovac und Sinopharm geimpft worden sein. 

Weil die Infektionszahlen in dem Land, in dem die Coronavirus-Pandemie mutmaßlich ihren Anfang nahm, mittlerweile niedrig sind, führen chinesische Pharmaunternehmen zudem in einem Dutzend anderer Länder Impfstoffstudien durch, etwa in Brasilien, Indonesien, Serbien und in der Türkei. 

Brasilien

In Brasilien lassen aufgrund der hohen Infektionszahlen gleich mehrere Pharmaunternehmen großangelegte Testreihen für ihre Corona-Impfstoffe laufen: das britisch-schwedische AstraZeneca, die US-Konzerne Pfizer und Johnson & Johnson sowie das chinesische Unternehmen Sinovac. Lateinamerikas größtes Land hat sich von einigen Herstellern bereits Impfdosen reserviert: 100 Millionen von AstraZeneca und 70 Millionen von Pfizer/Biontech. Die Impfungen mit letzterem Vakzin könnten dem Gesundheitsministerium zufolge im Januar beginnen, sofern die Notfallzulassung zügig erfolgt. 

Einige Bundesstaaten Brasiliens haben zudem eigene Abmachungen mit Impfstoffherstellern geschlossen. So sicherte sich São Paulo 46 Millionen Dosen vom chinesischen Konzern Sinovac, Paraná will Russlands Sputnik V testen. Ziel der brasilianischen Regierung ist insgesamt, im kommenden Jahr die Hälfte der Bevölkerung gegen das Coronavirus zu immunisieren.

Russland

In der Hauptstadt Moskau wurde Anfang Dezember mit Impfungen in großem Stil begonnen. Dabei kommt das in Russland bereits im August zugelassene heimische Vakzin Sputnik V zum Einsatz. Das stark von der Corona-Pandemie getroffene Land beansprucht für sich, mit Sputnik V den ersten wirksamen Corona-Impfstoff überhaupt entwickelt zu haben - allerdings befand sich Sputnik V zum Zeitpunkt der Zulassung noch in der letzten Phase klinischer Tests. 

Corona-Impfungen in Moskau

Parallel zum Start der Massenimpfungen mit dem eigenen Corona-Vakzin hat Russland auch einen chinesischen Wirkstoff zum Test zugelassen. An der klinischen Studie des Herstellers CanSino Biologics sollen rund 8000 Probanden teilnehmen, hieß es.

Die Regierung in Moskau strebt an, im kommenden Jahr weltweit mehr als eine Milliarde Sputnik-V-Dosen zu produzieren. Fraglich ist jedoch, welche anderen Länder Sputnik V angesichts fehlender unabhängiger Studien einsetzen wollen. Als bislang einziges EU-Land kündigte Ungarn an, größere Mengen ordern und das Mittel vielleicht sogar selbst produzieren zu wollen.

Türkei

Die Türkei hat sich 50 Millionen Dosen des Corona-Impfstoffs der chinesischen Firma Sinovac gesichert - zuvor hatte das Unternehmen sein Serum CoronaVac an Tausenden Menschen in der Türkei getestet. Medien zufolge sollen die Impfungen mit CoronaVac noch im Dezember beginnen.

Das türkische Gesundheitsministerium steht zudem auch mit dem Mainzer Unternehmen Biontech der beiden türkischstämmigen Gründer Ugur Sahin und Ehefrau Özlem Türeci in Verhandlungen. Das Land hat derzeit Rekord-Infektionszahlen von mehr als 30.000 neuen Fällen pro Tag zu verzeichnen.

Türkei: Corona-Zahlen alarmieren

Afrika

Im Rennen um Impfstoff-Dosen sehen sich viele afrikanische Länder benachteiligt. Zum einen ist die Logistik ein Problem: Vielerorts fehlt es an Strom und geeigneten Geräten zur Lagerung von Vakzinen, die gekühlt oder sogar gefroren werden müssen. Zum anderen haben sie nicht die finanziellen Mittel, um direkte Verträge mit den Pharmafirmen zu schließen. 

Eine Möglichkeit für afrikanische Länder, trotzdem an Impfstoff zu kommen, ist COVAX, ein von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) initiiertes Programm, das weltweit den fairen Zugang zu Corona-Vakzinen gewährleisten soll. 

COVAX umfasst zurzeit neun Impfstoff-Kandidaten - darunter die von AstraZeneca und Moderna, nicht aber das Biontech-Serum. Im Rahmen der Initiative sollen Länder mit geringem und mittlerem Durchschnittseinkommen bis Ende 2021 zwei Milliarden Impfstoff-Dosen erhalten. 

Laut John Nkengasong, dem Leiter der afrikanischen Seuchenschutzbehörde (CDC), reicht COVAX allerdings nur, um 20 Prozent der 1,3 Milliarden Bewohner des Kontinents zu immunisieren. Man bemühe sich daher, zusätzliche Mittel für Impfdosen von der Weltbank und der African Export-Import Bank zu erhalten.

Einer der wenigen afrikanischen Staaten, in dem Studien mit Corona-Impfstoffen durchgeführt werden, ist Südafrika. Das Land soll zudem Produktionsstandort für das Serum des US-Konzerns Johnson & Johnson werden. Mit knapp 840.000 Fällen (Stand 11.12.2020) ist Südafrika auf dem Kontinent am stärksten von Corona betroffen. Insgesamt waren afrikanische Länder im globalen Vergleich bei den Corona-Fallzahlen bislang eher Nachzügler. 

Saudi-Arabien

Nach Großbritannien, Kanada und Bahrain hat am 9. Dezember auch Saudi-Arabien den Corona-Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer zugelassen. Damit sei der Weg für die Einfuhr und Nutzung des Impfstoffs frei, hieß es.

Lokalen Medien zufolge sollen die Impfungen noch vor dem Jahreswechsel beginnen, Vorrang haben Risikogruppen wie Pflegekräfte oder Personen ab 65 Jahren. Saudi-Arabien war im Vergleich zu anderen arabischen Ländern im Sommer besonders schwer von der Corona-Pandemie betroffen, seit Juli ist die Zahl der Neuinfektionen aber rückläufig. Insgesamt haben sich etwa 360.000 Menschen in dem Wüstenstaat mit dem Coronavirus infiziert (Stand 10.12.2020).

DW Fact Checking-Team | Ines Eisele
Ines Eisele Faktencheckerin, Redakteurin und AutorinInesEis
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