Corona-Impfstoff: Kampf um weltweite Verteilung
28. November 2020Noch in diesem Jahr könnten die Behörden in Europa einen Impfstoff gegen das Coronavirus zulassen. Drei Pharma-Firmen haben bereits entsprechende Anträge eingereicht. Auch in den USA wird an Notfallzulassungen gearbeitet. Und schon bevor es grünes Licht der Behörden gibt, sind längst die Verträge unterschrieben: Die USA und europäische Länder haben sich Milliarden an Impfstoff-Dosen gesichert, unter anderem von Pfizer/BioNTech, Moderna, AstraZeneca, Johnson and Johnson, CureVac und SanofiGSK.
Falls all diese Firmen eine Zulassung erhalten, dann hätte die EU mehr als ausreichend Impfstoffe, um die Bevölkerung zu immunisieren - selbst wenn es mehrere Dosen pro Person braucht. Vielen Ländern des globalen Südens, etwa in Afrika, Asien und Lateinamerika, fehlt jedoch das Geld, um direkte Verträge mit den Pharmafirmen zu schließen. Sie werden sich auf die Impfstoff-Initiative COVAX verlassen müssen.
COVAX ist ein Programm der Weltgesundheitsorganisation WHO, der globalen Impfallianz Gavi und der Koalition für Innovationen in der Epidemievorbeugung CEPI. Ihr Ziel: ein fairer Zugang zu Corona-Impfstoffen auch für Menschen in ärmeren Ländern.
Ohne Russland, ohne die USA
Einige Staaten und Nichtregierungsorganisationen haben COVAX bereits mit Finanzzusagen unterstützt. Umgerechnet zwei Milliarden US-Dollar habe man schon für den Kauf und die Verteilung von Impfstoffen einsammeln können, sagt COVAX. 500 Millionen Euro hat die Europäische Union zugesagt. Die USA und Russland beteiligen sich bislang nicht.
COVAX will Ländern mit geringem bis mittleren Durchschnittseinkommen bis Ende 2021 eine Milliarde Impfstoff-Dosen zur Verfügung stellen. Damit könnte etwa ein Fünftel ihrer Bevölkerung immunisiert werden.
"Es wird eine historische Anstrengung sein, dies in die Tat umzusetzen", sagt Dr. Frederik Kristensen, Vize-Chef von CEPI, im Gespräch mit der DW. Die WHO hat bereits angekündigt, dabei einigen Ländern, gemäß ihrer Richtlinien zur fairen Verteilung, Priorität einzuräumen. Länder, die stärker von COVID-19 bedroht sind als andere, könnten also zuerst mit Impfstoffen versorgt werden.
Kälte ist entscheidend
Die Produktionsstätten von Pfizer und Moderna befinden sich in den USA und teilweise in Europa. Die Lagerung sowie der Transport von Impfstoffen in weiter entfernte Länder wird eine große Herausforderung sein. Der Impfstoff von Pfizer wird extrem kalte Lagertemperaturen von Minus 80 Grad Celsius erfordern. Dafür sind spezielle Kühlanlagen nötig, die derzeit in vielen Teilen Afrikas und Asiens nicht verfügbar sind.
Doch auch die Verteilung von Impfstoffen, die nicht extrem kalte Lagertemperaturen benötigen, ist mit hohem logistischem Aufwand verbunden. Laut einer Studie des deutschen Logistikkonzerns DHL dürften 15.000 Frachtflugzeuge nötig sein, um Corona-Impfstoffe in alle Teile der Welt zu transportieren.
Einige lateinamerikanische Länder setzen ganz auf Impfstoffe aus China und Russland. Der russische Impfstoff Sputnik V etwa wurde an Probanden in Brasilien und Argentinien getestet. Die Regierungen dieser Länder haben sich im Gegenzug Liefergarantien für Sputnik V gesichert.
Impfstoffmacht Indien
Für COVAX könnte die britisch-schwedische Firma AstraZeneca den Durchbruch bringen. Ihr gemeinsam mit der Universität Oxford entwickelter Impfstoff wäre leicht und günstig herzustellen und würde sich unter üblichen Kühlschranktemperaturen lagern lassen. Allerdings sind zuletzt Zweifel an seiner Wirksamkeit aufgrund von Fehlern in Studien zur Erprobung laut geworden. Falls weitere Tests die Wirksamkeit bestätigen, dann könnte dieser Impfstoff besonders für Entwicklungsländer eine Wende im Kampf gegen COVID-19 einläuten.
AstraZeneca will beim weltgrößten Impfstoff-Hersteller, dem Serum Institute of India, eine Milliarde Dosen seines Corona-Impfstoffes produzieren lassen. Produktionskapazitäten in verschiedenen Teilen der Welt gelten als entscheidender Faktor, um eine gerechte Verteilung von Impfstoffen gewährleisten zu können.
"Grundlegende Probleme lösen"
Dies steht auch für das COVAX-Programm im Mittelpunkt der Bemühungen: "Teil unseres Planes ist, dass jeder Impfstoff in mindestens zwei Ländern hergestellt wird, sagt Kristensen. "Es geht also darum, nicht nur die Produktionskapazitäten zu erweitern, um die Nachfrage bedienen zu können. Sondern auch darum, die Produktion von einem Ort an den anderen verlegen zu können, um näher dort zu sein, wo Impfstoffe gebraucht werden."
Rasmus Bech Hansen ist Geschäftsführer der Firma Airfinity, die Daten zu Produktionskapazitäten der Pharmafirmen auswertet. Er sieht die Coronavirus-Pandemie als einen wichtigen Test für die Zukunft. "Wir sollten jetzt darüber nachdenken, wie die Kapazität zur Impfstoffproduktion breiter aufgestellt werden kann, und zwar weltweit", sagt er der DW. "Wir sollten diese Pandemie nutzen, um grundlegende Probleme der Impfstoff-Verteilung zu lösen."