Web Summit in Lissabon
4. November 2018UN-Generalsekretär António Guterres zur Eröffnung, Tim Berners-Lee, der "Erfinder" des World Wide Web als einer der Hauptredner, mehr als 70.000 erwartete Besucher: Der Web Summit, der am Montag in Lissabon beginnt, hat sich endgültig zur Gipfelveranstaltung in Sachen Internet gemausert.
Bis zum Donnerstag treffen sich Gründer von Startups, Konzern-CEOs und Geeks aus aller Welt in der portugiesischen Hauptstadt, in der es kaum noch freie Hotelzimmer gibt.
"Sieben Jahre lang habe ich versucht, Tim Berners-Lee für den Web Summit zu gewinnen, jetzt ist es endlich gelungen", freut sich Paddy Cosgrave, der Initiator und Chef der Veranstaltung: "Wenige Menschen haben in den vergangenen hundert Jahren die Welt so stark verändert wie er."
Auch der Rest der Rednerliste ist beeindruckend: Brad Smith, der Microsoft-Präsident, und Tony Blair, der frühere britische Premierminister, stehen darauf, ebenso der Shell-Chef Ben van Beurden, Vertreter von Google, SAP, Mozilla, Netflix, Amazon, Apple und - bereits zum zweiten Mal hintereinander - Margrethe Vestager (Artikelbild).
Kritisches Internet-Gewissen
Die EU-Kommissarin für Wettbewerb, die sich mit den ganz großen Internetkonzernen anlegt, habe mit ihrem kritischen Auftritt im vergangenen Jahr die Besucher so begeistert, dass sie einfach wieder dabei sein müsse, erklärt Cosgrave. "Vestager ist eine mutige Frau, sie zeigt einen Weg auf, den vielleicht die ganze Welt gehen muss."
Cosgrave gefällt der Web Summit als nachdenkliches Gewissen des Internets: Kritik an der wirtschaftlichen Entwicklung des Word Wide Web sei auch von seinem Erfinder Berners-Lee zu erwarten. Schließlich habe der vor kurzem erneut gesagt, die großen Tech-Konzerne müssten zerschlagen werden. Vieles laufe im Internet anders als ursprünglich geplant.
Beim Web Summit Lissabon dagegen läuft alles gut. So gut, dass die 2009 gegründete Tech-Konferenz auch während der nächsten zehn Jahre in der portugiesischen Hauptstadt stattfinden wird. "Lissabon ist eine der coolsten Städte Europas", findet Cosgrave. "Nachdem es vorher lange Zeit einfach niemand auf dem Radar hatte, kommen jetzt immer mehr Startups und große Unternehmen wie Mercedes und BMW."
Damit der Web Summit bleibt, werden die Stadt und Portugal jetzt rund hundert Millionen in Infrastruktur für den Web Summit investieren. Unter anderem soll das Ausstellungsgelände erweitert werden, weil schon im kommenden Jahr mehr als 100.000 Teilnehmer erwartet werden.
Gutes Geschäft
Trotz der hohen Ausgaben ein gutes Geschäft: Wie alle Jahre sind auch 2018 die Hotels in Lissabon praktisch ausgebucht; der Hotel- und Gaststättenverband rechnet mit Einnahmen von rund 60 Millionen Euro. Der Web Summit 2017 hat Portugal Steuereinnahmen in Höhe von 30 Millionen Euro beschert, in diesem Jahr dürften sie noch höher werden. Die Stadt und die Regierung erklärten, die nächsten zehn Jahre Web Summit würden dem Land rund drei Milliarden bringen.
Ganz zu schweigen von den Geschäften, die beim Web Summit angebahnt oder gemacht werden: So sei zum Beispiel die deutsche Automobilindustrie 2018 praktisch komplett vertreten, erklärt Cosgrave, und wie alle anderen Teilnehmer auf der Suche nach neuen Ideen.
Und die würden eben oft von kleinen Startups entwickelt, denen das Treffen die Möglichkeit biete, sich darzustellen. "Beim Web Summit geht es um gute Ideen", betont Cosgrave, darum dürfen sich neben den Großen in diesem Jahr auch 60 spannende Startups auf der Hauptbühne vorstellen.
Basis ausweiten
Darunter zum ersten Mal ein Unternehmen aus dem Ernährungsbereich: Wefarm, ein Netzwerk, das Kleinbauern mit Informationen per SMS versorgt.
"Wir haben uns bis jetzt kaum um Landwirtschaft und Ernährung gekümmert", gibt Cosgrave zu. Das soll sich ändern, die Basis des Web Summit wird in den kommenden Jahren ausgeweitet.
Der Spaßfaktor übrigens auch: Er beginnt mit dem "Surf Summit" am Wochenende in dem knapp 50 Kilometer von Lissabon entfernten Küstenstädtchen Ericeira und geht mit dem "Night Summit" weiter, organisierten Ausflügen ins Lissabonner Nachtleben.