Web Summit: Mehr Frauen in die Technikbranche
8. November 2017Der Web Summit in Lissabon zählt zu den wichtigsten Internetkonferenzen der Welt. Rund 60.000 Teilnehmer und mehr als 1.200 Speaker diskutieren über Themen wie Künstliche Intelligenz, Kryptowährungen und Virtual Reality. Wer einen Blick über die Menge schweifen lässt, mag überrascht sein: Fast jeder zweite Teilnehmer ist eine Frau. Das ist ungewöhnlich für eine Branche, die an Frauenmangel leidet. Doch der hohe Frauenanteil ist kein Zufall: Um mehr Frauen auf den techniklastigen Web Summit zu locken, wurden 14.000 Tickets vergünstigt für weibliche Teilnehmer zur Verfügung gestellt.
Es ist nur ein kleiner Schritt, das Genderproblem der Techbranche anzupacken. Ein Blick in die USA, der Brutstätte von Facebook, Apple und Uber und Co., ist ernüchternd: Einer Untersuchung der Unternehmensberatung Accenture und der Initiative "Girls who code” zufolge wird im Jahr 2025 nur einer von fünf Tech-Jobs in den USA von Frauen besetzt sein. Zu den wenigen international bekannten Top-Managerinnen zählen heute beispielsweise Sheryl Sandberg, Geschäftsführerin von Facebook, Marissa Mayer von Yahoo und Susan Wojcicki, die Managerin von YouTube. Auch in Deutschland sieht es nicht besser aus: Laut einer Umfrage des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) aus dem Jahr 2015 lag hierzulande der weibliche Anteil in der Tech-Branche bei 24 Prozent, im Top-Management waren es gerade einmal fünf Prozent.
Erziehung stellt die Weichen
"Die Erziehung trägt entscheidend dazu bei, für welchen Beruf sich Frauen später entscheiden. Deshalb ist es wichtig, darüber nachzudenken, wie wir schon früh Einfluss auf die Entscheidung nehmen können, damit sich mehr Frauen für Technikberufe entscheiden", glaubt Gillian Tans. Sie ist Geschäftsführerin des in den Niederlanden gegründeten Reiseportals Booking.com, mit mehr als 15.000 Mitarbeitern in 70 Ländern weltweit eines der größten Tech-Unternehmen Europas.
Tans will die IT-Branche weiblicher machen. Dazu hat sie das kostenlose "Women in Tech Mentor Programme" auf dem Web Summit ins Leben gerufen. Hier geht es um Fragen wie: Wie optimiere ich meinen Lebenslauf für eine männerlastige Branche? Wie bringe ich mein Start-up zum Wachstum? Rund 50 Frauen, die im Tech-Bereich Fuß fassen wollen, werden hier von erfahrenen Mentoren durch persönliche Gespräche betreut.
Wichtig: Weibliche Vorbilder - und Biss
Eine davon ist die 41-jährige Tânia Oliveira aus Portugal. Sie ist Geschäftsführerin von Creative Thinkers und Mitgründerin des Start-ups YClient. Beide Firmen sind im Online-Marketing-Bereich angesiedelt. Sie erhofft sich von der Teilnahme am Programm, mehr darüber zu erfahren, welche konkreten Schritte sie tun kann, um ihre Unternehmen voranzubringen. Dass Frauen bei ihr im Team arbeiten, ist für Tânia Oliveira selbstverständlich: "Frauen sind kooperativer, helfen einander mehr als Männer und bringen somit die soziale Komponente mit in ein Team”, glaubt sie. Allerdings seien Mitarbeiterinnen schwer zu finden, vor allem Programmiererinnen.
Nicht nur die Kollegen profitieren von einem erhöhten Frauenanteil: "Viele Studien haben gezeigt, dass Unternehmen erfolgreicher und konkurrenzfähiger sind, wenn sie mit gemischten Teams arbeiten", ergänzt Gillian Tans von Booking.com. Um mehr Frauen für die Technikbranche zu begeistern, seien vor allem weibliche Vorbilder wichtig - und Biss: "Ich war immer neugierig und bin viele Risiken eingegangen - was für Frauen auch eher untypisch ist. Aber ich glaube, nur so wächst man über sich hinaus."
Contra Quote
An eine gesetzliche Quote, um den Frauenanteil nach oben zu schrauben, glaubt die Managerin hingegen nicht: "Man sollte immer danach entscheiden: Wer ist am besten für diesen Job geeignet? Und wenn ein Unternehmen sich nach einer Quote richtet, dann optimiert es vielleicht den Frauenanteil, aber nicht das, was unter Umständen am besten für den Kunden ist."
Frauen werden in der Techbranche wohl noch länger die Minderheit bilden. Auch Initiativen wie das "Women in Tech Mentor Programme" können dieses Problem nicht von heute auf morgen lösen, doch sie sind erste Schritte in die richtige Richtung. Darin sind sich die Summit-Besucherinnen einig.