60.000 beim Web Summit in Lissabon
3. November 2017U-Bahn-Sonderzüge, Extrabusse auf den Linien zum Messegelände, riesige Willkommensplakate überall: In Lissabon ist das Web-Summit-Fieber ausgebrochen, zum zweiten Mal und noch heftiger als bei der Portugal-Premiere 2016. Mehr als 60.000 Teilnehmer werden sich von diesem Montag bis Donnerstag auf dem Megaevent tummeln.
Auf der mehr als 1000 Namen langen Sprecherliste stehen der UN-Generalsekretär António Guterres, die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, der französische Ex-Präsident François Hollande und der ehemalige amerikanische Vizepräsident Al Gore. Die Hotels in der portugiesischen Hauptstadt sind trotz Höchstpreisen seit Wochen ausgebucht.
"Wir haben natürlich auch die CEOs der wichtigsten Technologieunternehmen der Welt und mehrere tausend andere Unternehmenschefs", freut sich Paddy Cosgrave (Artikelbild, beim Summit im vergangenen Jahr). Der Chef und Gründer des Web Summits nennt einen der diesjährigen Themenschwerpunkte: "Welchen Einfluss haben die neuen Technologien auf die Gesellschaft, auf jeden von uns? Wie verändern sie unsere Welt, wie beeinflussen sie Wahlen, wie wirken sie sich auf unsere Demokratien aus?"
Höchstaktuelle Fragen, wie auch die Geschichte der jüngsten US-Wahlen belegt. Darum solle der diesjährige Web Summit sich intensiver mit ihnen beschäftigen als die vorherigen Treffen, wünscht sich Cosgrave: "Das sind grundsätzliche Fragen und wir müssen sie ausführlich diskutieren."
Lissabon als Startup-Paradies
Für die Verantwortlichen auf portugiesischer Seite scheint jedoch vor allem das Geschäftliche im Vordergrund zu stehen. Portugals Ministerpräsident António Costa wird nicht müde, sein Land als Startup-Paradies anzupreisen. Lissabon und alle anderen größeren Städte haben eigene Unternehmen gegründet, die Firmengründern helfen sollen, ihre Bürokratie verschlankt, Steuern gesenkt.
Nach Jahren der Dauerkrise nennt Lissabon sich jetzt stolz "Europäische Hauptstadt des Unternehmertums" und "Startup City". Die Mitarbeiter der immer größer werdenden Investitionsabteilung verweisen stolz auf von ihnen initiierte "FabLabs", "Coworking Spaces" und immer mehr "Business Angels", die Jungunternehmern zur Verfügung und zur Seite stehen. Kein Zweifel: Das Umfeld für Gründer stimmt in Portugal.
"Es tut sich unglaublich viel in Lissabon", bestätigt Adrian Berthold vom Startup Casafari. Das 2015 gegründete Unternehmen will Immobilienhändlern helfen, mit eigens entwickelter Software, die alle verfügbaren Informationen über internationale Objekte zusammenführen und ihren Kunden zur Verfügung stellen soll. Inzwischen hat die Firma 30 Mitarbeiter und kümmert sich um Immobilien in ganz Europa. Gearbeitet wird in der Lx Factory, einer ehemaligen Fabrik am Tejo, in der sich viele Startups, aber auch Cafés, Kneipen und Läden niedergelassen haben. Der Web Summit sei ein absolutes Muss für das Unternehmen, versichert Berthold: "Wir wollen potenzielle Geschäftspartner kennenlernen. Das Networking ist gerade im Technologiebereich sehr wichtig." Die Entwicklung bei künstlicher Intelligenz - und darauf beruhe die Casafari-Suchmaschine - gehe extrem schnell, da sei es besonders wichtig, sich auszutauschen.
Immer wichtiger, immer größer
"Wir müssen, um unsere Kunden gut zu beraten, über alle Entwicklungen gut informiert sein. Darum müssen wir auch zum Web Summit", sagt Franzis Heusel, Berliner Chef der Agentur BBDO. Ihm gehe es darum, Kollegen und Kunden zu treffen, sich auf den neuesten Stand zu bringen in einem Bereich, der sich immer schneller verändere. "Jede Branche ist von der digitalen Transformation betroffen. Da müssen wir up to date bleiben." Eventuelle Geschäftsabschlüsse stünden nicht unbedingt im Vordergrund. Schon eher die gesellschaftlichen Veränderungen, die Web-Summit-Organisator Cosgrave diesmal so wichtig sind: "All das hat Auswirkungen auf das Kundenverhalten, und das interessiert uns."
Kein Wunder, dass der Web Summit immer größer wird. "Die Veranstaltung umfasst diesmal 24 Konferenzen zu den unterschiedlichsten Themen", stellt Paddy Cosgrave stolz fest. Der Web Summit sei keine reine Technologieveranstaltung mehr, sondern ein Treffen aller, die an den Auswirkungen der Computertechnologie auf ihr Leben und ihre Arbeit interessiert seien.
Werbung für Portugal
Er ist auch ein Ereignis, mit dem Portugal und Lissabon massiv für sich werben wollen: Um die Fortschrittlichkeit des Landes zu beweisen, hat die Regierung beschlossen, dass Startups aus Portugal während des Web Summit für Markenregistrierungen und Patente nichts bezahlen müssen. Die nötigen Formulare können natürlich im Internet ausgefüllt werden. Oder ganz traditionell analog bei eigens zum Web Summit abgestellten Beamten.