Trumps Sieg bringt Schwung für Polens National-Konservative
12. November 2024Der "Marsch der Unabhängigkeit" ist ein Pflichttermin im Veranstaltungskalender des rechts-nationalen Lagers in Polen. Auch an diesem Montag zogen Zehntausende durch Warschau, um an die Wiedergeburt des polnischen Staates nach 123 Jahren Fremdherrschaft am 11. November 1918 zu erinnern.
Wie jedes Jahr gab es ein Meer von weiß-roten Fahnen und dicke Rauchwolken, verursacht durch brennende Fackeln und Feuerwerkskörper. "Wir sind die Macht Großpolens", stand auf einem Spruchband neben vielen EU-kritischen und Anti-Abtreibungs-Plakaten. 90.000 Menschen beteiligten sich nach Angaben der Warschauer Stadtverwaltung am Demonstrationszug von der Stadtmitte zum Nationalstadion.
Kaczynski marschiert wieder mit
In den letzten Jahren blieb die rechts-konservative Partei Recht und Gerechtigkeit PiS unter ihrem Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski der Veranstaltung fern, weil sie als Regierungspartei die rechtsextremen Organisatoren für zu radikal hielt. Doch diesmal marschierten der Parteichef und seine engsten Kampfgefährten wieder brav mit den Nationalisten mit - denn seit den Parlamentswahlen 2023 ist die PiS in der Opposition.
"Wir wollen, dass das patriotische Lager vereinigt bleibt, dass es zusammen marschiert, auch bei politischen Aktionen, um den Zustand Polens zu verändern", begründete Kaczynski seine Entscheidung zur Teilnahme. "Wegen der bevorstehenden Präsidentenwahl sucht Kaczynski den Schulterschluss mit den Rechten", kommentierte die renommierte liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza.
Bereits am Vortag des Marsches hatte Kaczynski seine Vorwürfe gegen die Mitte-Links-Regierung von Donald Tusk wiederholt, die seit Dezember 2023 das Land regiert. "Seit einem Jahr werden unser Staat und unsere Wirtschaft zerstört. Umgesetzt wird der Plan eines fremden Staates - Deutschlands, aber auch Putins Einfluss wird immer sichtbarer", sagte der 75-jährige Anführer des national-konservativen Lagers in Polen. Derartige antideutsche Töne gehören seit Jahren zum Standardrepertoire der polnischen Rechten.
Trump gibt der PiS neue Hoffnung
Mit dem Machtverlust vor einem Jahr geriet die PiS in eine Krise. Die Interessenkonflikte, etwa zwischen dem eher pragmatischen Ex-Premier Mateusz Morawiecki und den rechten "Falken" um Ex-Justizminister Zbigniew Ziobro, traten offen ans Tageslicht. Einige PiS-Mitglieder wagten sogar, den Parteivorsitzenden Kaczynski für die Wahlniederlage zu kritisieren. Doch nun gibt der Wahlsieg von Donald Trump in den USA der angeschlagenen Partei neue Hoffnung.
Als sich am US-Wahltag der bevorstehende Regierungswechsel abzeichnete, brach in den Reihen der National-Konservativen regelrechte Euphorie aus. Die Abgeordneten der PiS sowie der rechtsextrem-libertären Partei Konfederacja standen im Plenarsaal des polnischen Parlaments auf, klatschten und skandierten minutenlang "Donald Trump, Donald Trump". Manche Parlamentarier posteten gar Fotos, auf denen sie rote Mützen mit der Aufschrift "Make America great again", dem Motto von Trumps Wahlkampf, trugen.
Tusk und Sikorski reden schlecht über Trump
Der Chef der PiS-Fraktion im Parlament, Mariusz Blaszczak, rief die Regierung von Tusk zum Rücktritt auf, weil sie auf die demokratische Gegenkandidatin und derzeitige US-Vizepräsidentin Kamala Harris gesetzt und Trump beleidigt habe. In der Tat hatten sowohl Tusk als auch sein Außenminister Radoslaw Sikorski in der Vergangenheit Trump scharf angegriffen. "Wenn Trump die letzte Wahl (2020) gewonnen hätte, würde es heute keine NATO mehr geben, das hat er selbst angekündigt. Seine Abhängigkeit von russischen Geheimdiensten steht außer Zweifel", so Tusk im Wahlkampf.
Dominik Tarczynski, ein Europa-Abgeordneter der PiS, der in den USA unter polnisch-stämmigen Amerikanern für Trump warb, prahlte damit, er habe dem Trump-Stab ein Dossier mit Anti-Trump-Äußerungen polnischer Minister zugeleitet. Kaczynskis Partei setzt auf die Hilfe der neuen US-Administration in der Auseinandersetzung mit der Tusk-Regierung. Enge Kontakte gibt es unter anderem zum zukünftigen US-Vizepräsidenten James David "JD" Vance. Der hatte die PiS bereits Anfang 2024 im Streit mit Tusk um die öffentlichen Medien unterstützt.
Trumps Sieg habe "die inneren Erschütterungen in der PiS und den Kampf dieser Partei ums Überleben beendet", urteilt der Politologe Rafal Chwedoruk.
Duda profitiert von Trump-Sieg
Der größte Nutznießer des Wechsels im Weißen Haus aber ist Polens Präsident Andrzej Duda. Das konservative Staatsoberhaupt gilt seit Langem als enger Trump-Verbündeter. Bereits während seiner ersten Legislaturperiode (2016-2020) hatte sich Duda demonstrativ um die Gunst des US-Präsidenten bemüht.
Bei seinem Besuch in Warschau im Juli 2017 hatte Trump Polens Rolle in Europa aufgewertet. Nach dem Wahlsieg von Joe Biden 2020 zögerte Duda lange mit Glückwünschen, was die polnisch-amerikanischen Beziehungen schwer beschädigte. Erst der Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 ließ das Eis zwischen der demokratischen US-Administration und der PiS-Regierung wieder auftauen.
Am Montag telefonierte Duda mit Trump, der Glückwünsche zum polnischen Unabhängigkeitstag übermittelte und sich für die Unterstützung der amerikanischen "Polonia" - so werden polnische Communities im Ausland auf Polnisch genannt - bei der Wahl bedankte. Polens Staatsoberhaupt soll nach eigenen Angaben noch vor der Vereidigung Trumps am 20. Januar 2025 nach Washington fliegen.
In seiner Rede am Unabhängigkeitstag pries Duda die Bedeutung der Vereinigten Staaten von Amerika für die Wiedergeburt des polnischen Staates vor 106 Jahren und für die Sicherheit Polens in Europa heute. Ideen, wonach Europa sich allein verteidigen könne, nannte Polens Präsident "Hirngespinste".
Wer wird nächster polnischer Präsident?
Duda bleibt nicht viel Zeit für die Pflege der Freundschaft mit Trump. Bereits im Mai 2025 wird sein Nachfolger gewählt. Die Präsidentenwahl gilt als der wichtigste politische Termin in den nächsten Jahren in Polen. Derweil blockiert Duda mit seinem Veto fast alle Vorhaben der liberalen Regierung. Um Handlungsfähigkeit seiner Regierung herzustellen, muss Premier Tusk einen eigenen Kandidaten durchzusetzen.
In seiner Bürgerkoalition KO bewerben sich um die Nominierung Warschaus Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski, der bisher als Favorit galt, und Außenminister Sikorski, der vor Kurzem überraschend seinen Anspruch anmeldete. Wer von beiden die Nominierung bekommt, soll die Vorwahl entscheiden, die voraussichtlich am 23. November 2024 stattfinden wird.
Wen die PiS ins Rennen schickt, steht noch nicht fest, soll sich aber ebenfalls im November entscheiden. Im Gespräch ist unter anderem der ehemalige Bildungsminister Przemyslaw Czarnek. Der klerikale und deutschlandkritsche Politiker hatte während seiner Amtszeit den muttersprachlichen Unterricht für die deutsche Minderheit in Polen von drei auf eine Wochenstunde reduziert.