Immerhin stellt sich Oliver Bierhoff der Öffentlichkeit, um seine Ansichten darzulegen. In Zeiten, in denen ein Bundestrainer selbst und ohne Verbandseinfluss über sein Wohl und Wehe und vor allem seine Zukunft entscheiden kann, ohne ein Wort über seine Entscheidungsfindung zu verlieren, ist das ja bereits ein bemerkenswerter Umstand. Schließlich hat Bierhoff den gleichen Weg in die berufliche Zukunft wie Löw beschritten.
Der Nationalmannschafts-Direktor leistet dann auch gleich einen Interview-Marathon ab, bei dem er das, was er am Tag zuvor gesagt hat, gleich wieder relativieren muss, weil es zu viel öffentlichem Unmut geführt hatte. "Es ist auch nicht das ganz richtige Zitat. In alles wird hineininterpretiert", hatte der 50-Jährige am Freitagabend im ZDF zu seiner Verteidigung bemerkt, als er auf ein Zitat in der "Welt" angesprochen wurde.
Er hatte bei vielen Lesern mit seinen Aussagen den Eindruck erweckt, als sehe er vor allem Mesut Özil als denjenigen an, der der Hauptverantwortliche der enormen Probleme der DFB-Elf in Russland war.
Wenig Selbstreflexion
Aber der Subtext seiner Aussagen ist eindeutig. Bierhoff sucht die Verantwortlichen vor allem woanders, obwohl er vorgibt, sich selbst konsequent hinterfragen zu wollen. Irgendwie sind es immer die da draußen, die Fans, aber vor allem die Medien, "die das Thema immer wieder hochkochen" wie er am Höhepunkt der Erdogan-Affäre um Özil und Ilkay Gündogan im Leverkusener Stadion in der ARD kurz vor der WM in Russland bereits verärgert anmerkte. Bierhoff argumentiert einfach immer weiter auf derselben Linie.
Es ist nur sehr schwer zu glauben, dass ein Medienprofi wie Bierhoff und in der Folge auch noch zwei seiner erfahrenen Mitarbeiter ausgerechnet diesen brisanten Passus vor der Autorisierung des Interviews schlicht überlesen. Vielmehr spiegelt sich darin eine Haltung Bierhoffs, der scheinbar wenig Selbstreflexion zugrunde liegt.
Nötige Energie für notwendigen Umbruch
Dass sich Bierhoff und Löw offenbar nicht als Teil des Problems sehen können, obwohl der DFB-Direktor Gegenteiliges behauptet, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sich beide ohne Wenn und Aber in der Lage sehen, die völlig derangierte Mannschaft wieder auf Vordermann zu bringen. Ohne dezidierte Analyse. Ohne zu überlegen, welchen Fehler die beiden selbst gemacht haben könnten.
Bierhoff habe sehr schnell gefühlt, dass sowohl er aber auch Löw die nötige Energie haben, um den notwendigen Umbruch einzuleiten. Getreu dem Motto: Macht euch keine Sorgen. Die Verantwortlichen für die vielen Fehler werden wir schon finden. Dann sehen wir im deutschen Fußball schon wieder besseren Zeiten entgegen. Viel mehr Selbstherrlichkeit geht wohl kaum noch.
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