Empörung über US-Botschafter Grenell
19. März 2019Das war offensichtlich zu viel für US-Botschafter Richard Grenell. Was Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zu verkünden hatte, stieß dem Diplomaten sauer auf: Der Anteil der Verteidigungsausgaben am Brutto-Inlands-Produkt soll zwar laut Haushaltsplan leicht auf 1,37 Prozent steigen. Die mittelfristige Finanzplanung sieht dann aber vor, dass die Verteidigungsausgaben bis 2023 wieder auf 1,25 Prozent sinken - und das, obwohl die USA schon lange fordern, dass sich Deutschland finanziell stärker im NATO-Verbund engagiert. "Die Nato-Mitglieder haben sich klar dazu bekannt, sich bis 2024 auf zwei Prozent zuzubewegen und nicht davon weg", sagte Grenell der Deutschen Presse-Agentur.
Dass der Botschafter die Höhe der geplanten Verteidigungsausgaben kritisiert, sehen viele als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Deutschlands an. Der Bundestagsabgeordnete und FDP-Vizeparteichef Wolfgang Kubicki fordert jetzt sogar, dass Grenell Deutschland verlassen solle.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD), so Kubicki am Dienstag, solle "Richard Grenell unverzüglich zur Persona non grata zu erklären". "Wer sich als US-Diplomat wie ein Hochkommissar einer Besatzungsmacht aufführt, der muss lernen, dass unsere Toleranz auch Grenzen kennt." Grenell verstoße gegen die Wiener Konvention, nach der sich ein Botschafter nicht in die inneren Angelegenheiten des Staates einmischen dürfe.
"Diplomatischer Totalausfall"
Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, weist die Kritik des amerikanischen Botschafters zurück. "Herr Grenell ist ein diplomatischer Totalausfall", so Schneider. Grenell schade den transatlantischen Beziehungen. "Das alles erinnert eher an das Gehabe eines Flegels".
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verbittet sich die Handlungsanweisungen aus der US-Botschaft. "Diese haben überhaupt keine Auswirkung", versichert Dobrindt. Schließlich lasse sich der Bundestag keine Ratschläge mit auf den Weg geben. Der Haushalt sei "eine souveräne Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland und des Deutschen Bundestages".
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, ist der Meinung, dass wenn der US-Botschafter schon den Haushalt kommentiere, er wenigstens den Gesamtüberblick auf das Engagement der Bundesrepublik behalten sollte. So sei Deutschland in Mali engagiert, wo die Amerikaner hingegen nicht seien, merkt Grosse-Brömer an.
Ständige Provokationen
Dass sich deutsche Politiker jetzt so deutlich gegen Grenell und seine Äußerungen stellen, hat eine Vorgeschichte. Seitdem der heute 52-Jährige von Präsident Donald Trump im Mai 2018 als Botschafter in Berlin eingesetzt wurde, fällt er immer wieder dadurch auf, dass er die deutsche Politik kommentiert und Forderungen aufstellt. So erklärte er kurz nach seinem Amtsantritt, deutsche Firmen sollten nach dem Austritt der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran keine Geschäfte mehr mit der islamischen Republik machen. Im Februar 2019 warnte er Deutschland und andere europäische Staaten davor, die US-Sanktionen gegenüber dem Mullah-Regime in Teheran nicht zu umgehen.
Außerdem war Grenell mit Äußerungen aufgefallen, "andere Konservative in ganz Europa" stärken zu wollen - eine unverhohlene Ankündigung, rechtspopulistische Parteien in Zukunft unterstützen zu wollen. Auch in das Thema rund um den Bau der Gaspipeline Northstream 2 mischte sich Grenell ein - und drohte den beteiligten Unternehmen per Brief mit US-Sanktionen, da das Projekt die Ukraine benachteilige und die Gefahr russischer Interventionen erhöhe.
Und vor wenigen Tagen erst schickte er einen Drohbrief an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), in dem er ankündigte, den nachrichtendienstlichen Austausch mit den deutschen Behörden reduzieren zu wollen, sollte Deutschland den chinesischen Konzern Huawei am Aufbau des neuen 5G-Netzes beteiligen.
Alles in allem also eine lange Liste an Handlungsaufforderungen, Einmischungen und Drohungen, die langsam, aber sicher die Geduld vieler deutscher Politiker auf die Probe stellt.
Merkel bleibt entspannt
Eine, die sich nicht zum Stil des Botschafters äußert, ist Angela Merkel. Inhaltlich hat aber auch sie ihm etwas entgegenzusetzen. Am Dienstag war es ihr ein Anliegen, "etwas zurechtzurücken", so die Kanzlerin.
Merkel verwies darauf, dass Deutschland seine Verteidigungsausgaben von ehemals 1,18 Prozent der nationalen Wirtschaftskraft trotz höherer Wachstumsraten Jahr für Jahr gesteigert habe und 2020 schließlich 1,37 Prozent erreiche. Sie bezeichnete zudem die in der mittelfristigen Finanzplanung enthaltenen Daten für die Folgejahre als nicht aussagekräftig. "Die realen Ausgaben", hob die Kanzlerin hervor, "sind das, was entscheidend ist, und die sind immer nach oben korrigiert worden."