Schlechte Diplomatie
Diplomatie ist die Kunst, in Formeln zu sprechen, deren Bedeutung nur Eingeweihten vollständig klar ist. Ein "offenes Gespräch" hieße im wirklichen Leben ganz schlicht "Streit". Nun könnte man argumentieren, Verschleierung sei im Grunde undemokratisch, denn Demokratie bedeute ja schließlich, dass Regierungen Rechenschaft ablegen müssen vor dem wahlberechtigten Souverän. Andererseits kann es - ganz praktisch betrachtet - aber auch in niemandes Interesse liegen, Konflikte durch lautes Hinausposaunen der unterschiedlichen Positionen womöglich noch anzuheizen.
Gewöhnungsbedürftige Sprache
Wie auch immer man das sieht; wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass seit ziemlich genau zwei Jahren die klassische Diplomatie zunehmend außer Kraft gesetzt worden ist.
Nicht nur der amerikanische Präsident, auch seine Repräsentanten im Ausland bedienen sich zuweilen einer sehr gewöhnungsbedürftigen Sprache. Jüngstes Beispiel für die verbale Eskalation sind Äußerungen des amerikanischen Botschafters in Berlin, Richard Grenell. Er droht Unternehmen mit Sanktionen, die sich am Pipeline-Projekt Nord Stream 2 beteiligen. Durch diese Leitung soll Erdgas aus Russland direkt nach Deutschland fließen. Abgesehen davon, dass unterschiedliche Auffassungen zu einem Vorhaben dieser Art unter Verbündeten nicht in dieser Form ausgetragen werden sollten, muss man auch die Motive Washingtons kritisch hinterfragen. Der Vorwurf, Europa mache sich zu abhängig von Russland, ist richtig. Aber das wäre dieser amerikanischen Regierung ziemlich gleichgültig, wäre sie nicht kommerzieller Konkurrent des Lieferlandes Russland. So viel Ehrlichkeit sollte dann schon möglich sein, wenn man schon undiplomatisch sein zu müssen glaubt.
Ein Projekt wirklich im Interesse Europas?
Auf einem ganz anderen Blatt steht, ob Nord Stream 2 im besten Interesse Deutschlands und Europas ist. Das Projekt fügt sich nahtlos in die russische Strategie der Beherrschung ehemals sowjetischer Gebiete ein. Außerdem entsteht durch das sture Festhalten an der Pipeline durch die Bundesregierung wieder einmal der fatale Eindruck, Deutschland und Russland machten über die Köpfe der kleinen Staaten in Osteuropa hinweg gemeinsame Sache. Mit seinen Drohungen hat Grenell niemandem einen Dienst erwiesen. Eher fördert er Trotzreaktionen bei den Projektpartnern. Ein guter Diplomat hätte seine berechtigte Kritik anders geäußert.