Grenell will konservative Wende forcieren
4. Juni 2018Eigentlich gehört es für Diplomaten zum guten Ton, sich kurz nach Amtsantritt in einem neuen Gastland wohlwollend und höflich zu verhalten. Sich in den Wettstreit von Parteien einzumischen, das ist für Diplomaten ein Tabu. Eigentlich. Denn der neue US-Botschafter in Deutschland scheint seine Aufgabe gänzlich anders zu interpretieren. Kaum vier Wochen im Amt, sorgt Richard Grenell mit einem Interview für die ultrarechte US-Webseite "Breitbart" für Aufsehen. Ganz ohne diplomatische Floskeln kündigt Grenell darin an, sich aktiv in die politischen Angelegenheiten in Europa einmischen zu wollen. "Ich möchte andere Konservative in Europa, andere Anführer, definitiv stärken", lässt sich Grenell zitieren. Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten habe einzelne Menschen und Gruppen darin bestärkt, nicht einfach hinzunehmen, dass "die politische Elite" schon vor Wahlen festlege, wer gewinne und wer antrete.
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Der Ex-PR-Berater Grenell gilt als außenpolitischer Hardliner und war einer der ersten und einflussreichsten Unterstützer von Trumps außenpolitischem Kurs. Als politisches Aushängeschild für die rechtskonservative Wende in Europa hält Grenell den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz gut geeignet. Kurz hat im vergangenen Oktober mit seiner konservativen ÖVP die Parlamentswahl in Österreich gewonnen und im Anschluss mit der rechtspopulistischen FPÖ eine Regierungskoalition gebildet. Er tritt als scharfer Kritiker von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrer Flüchtlingspolitik auf. Für Grenell bedeutet das: "Ich denke, er ist ein Rockstar."
Kein Diplomat, sondern der verlängerte Arm der Rechtskonservativen
Dass Grenells Einlassungen in Deutschland für Empörung sorgen würden, war angesichts ihrer Tragweite schnell absehbar. Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich reagierte im Interview mit der DW irritiert. "Offensichtlich versteht sich der US-Botschafter als verlängerter Arm einer rechtskonservativen Weltbewegung und nicht als Vertreter seines Landes, der die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen den USA und Deutschland verbessern und schützen soll." Der CDU-Außenpolitiker Peter Beyer forderte den US-Botschafter dazu auf, sich mit ihm darüber zu unterhalten, was es bedeute ein Konservativer zu sein. Denn auch er sei ein Konservativer, nur vermutlich ein anderer. Bereits am Mittwoch wird der Koordinator der Bundesregierung für die Transatlantischen Beziehungen den US-Botschafter zu einem Vier-Augen-Gespräch treffen. Beyers Prognose: "Ich rechne nicht damit, dass sich Grenell in Zukunft politisch raushalten wird."
Im besten Sinne diplomatisch reagierte dagegen ein ehemaliger US-Botschafter in Deutschland. John Kornblum wollte sich nicht zu den Einlassungen seines Nachfolgers äußern. "Aus Respekt vor dem Amt", sagte er der DW. Politik-Analyst Josef Janning vom European Council on Foreign Relations in Berlin war von Grenells Äußerungen kaum überrascht: "Die durchgängige Verhandlungsstrategie besteht in der Brüskierung von Partnern", kommentierte er im DW-Interview. Verständigung wolle und könne Grenell nicht. Sein Rat an die politisch Verantwortlichen lautet deshalb: die Provokationen "nicht so wichtig nehmen".
Die Grüne-Außenpolitikerin Franziska Brantner hält diese Strategie des Ignorierens dagegen für falsch. Die Trump-Administration unternehme alles, um das Transatlantische Bündnis und die EU von Innen heraus zu zerstören. Dem müsse man sich entgegenstellen, forderte Brantner: "Rechtskonservative und das 'Gegen-Establishment' in Europa zu stärken ist nur ein Baustein mehr in Präsident Trumps Isolationismus und 'America First' Agenda."
"Besser wissen, was er denkt"
Udo von Massenbach, Präsident des American German Business Club Berlin e.V., kann die Aufregung um Grenells Worte nicht so recht verstehen. Im Gegenteil, er begrüße politische Äußerungen des US-Botschafters, weil man so wisse, woran man mit seinem Partner sei. "Das habe ich bei seinem Vorgänger vermisst", sagte von Massenbach im DW-Interview. Es sei besser, man erfährt über ihn, was er politisch denkt. Dass Grenell vom US-Außenministerium für seine Aktion einen Rüffel erhalten wird, hält Massenbach für gänzlich ausgeschlossen. "Grenell ist zu vorsichtig, um sich zu äußern, ohne den entsprechenden Rückhalt in Washington zu haben."
Ein Sprecher der Bundesregierung ließ am Montagnachmittag wissen, dass der US-Botschafter am Mittwoch zu einem länger geplanten Gespräch im Auswärtigen Amt erwartet werde. Man wolle herausfinden, so der Regierungssprecher, was der US-Botschafter mit diesem Interview bezwecken wollte. Ob das Treffen gemäß der diplomatischen Regeln ablaufen wird: noch lässt sich darüber spekulieren.