Kongo: Kabilas gefährliche Hinhaltetaktik
20. September 2016"Wir sind auf der Straße, weil wir Nein zu Kabila sagen. Kabila muss weg", ruft Ntoni Jeanpaul ins DW-Mikro. Er ist einer von tausenden Demonstranten, die in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, gegen die Verschiebung des Wahltermins protestieren. "Kabila will an der Macht bleiben", glaubt auch der Demonstrant Valentine.
Der Widerstand gegen eine mögliche Amtszeitverlängerung des kongolesischen Staatschefs Joseph Kabila wächst - und wird immer gewalttätiger: Am Montag lieferten sich jugendliche Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei. Menschenrechts-Organisationen zufolge wurden 44 Menschen getötet, darunter auch sechs Polizisten. In der Nacht zum Dienstag setzen Angreifer die Zentralen von drei Oppositionsparteien in Brand - mindestens zwei Menschen starben in den Flammen.
Wahltermin ist nicht zu halten
Offiziell endet die Amtszeit von Präsident Kabila am 20. Dezember. Laut Verfassung darf er sich dann nicht noch einmal zur Wahl stellen. Der ursprüngliche Wahlkalender sah vor, das Volk am 27. November über einen neuen Präsidenten abstimmen zu lassen. Doch dieser Termin lässt sich der Wahlkommission zufolge nicht halten: Sie hat gerade erst damit begonnen, das Wählerregister zu überarbeiten. 16 Monate soll es ungefähr dauern, bis in allen Provinzen die Wähler erfasst sind. Das Verfassungsgericht hat bereits bestätigt, dass Kabila bis zu den Wahlen weitermachen darf.
Die Opposition und viele Bürger befürchten, dass Kabila die Zeit nutzen wird, um eine Verfassungsänderung zu bewirken, die ihm eine weitere Amtszeit ermöglicht. "Kabila hat in den vergangenen Monaten alles dafür getan, an der Macht zu bleiben. Er zögert die Wahlen so lange hinaus, wie er nur kann", sagt auch Phil Clark, Konfliktforscher an der Londoner Universität für Orient- und Afrikastudien (SOAS).
"Pseudo-Demokratie ohne rechtsstaatliches Gerüst"
Seit der Unabhängigkeit von Belgien hat es im Kongo keinen friedlichen Machtwechsel gegeben. Zugang zur politischen Macht - das bedeutet auch Zugang zu den reichen Ressourcen des Landes. "Außerhalb von Staat und Regierung gibt es keine Möglichkeiten, gestaltend Einfluss zu nehmen oder im Bereich der Wirtschaft erfolgreich zu sein", sagt Denis Tull, Kongo-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Hinzu kommt, dass es im Kongo keine Tradition von Rechtstaatlichkeit und Demokratie gibt: "Wir haben vielmehr eine Pseudo-Demokratie ohne rechtsstaatliches Gerüst", so Tull. "Wenn es keine Präzedenzfälle gibt, hat man in diesem Land natürlich auch keine große Inspiration für alternative Modelle und Wege."
Und so geht auch die aktuelle Regierung gewohnt repressiv gegen Kritiker vor: In den vergangenen zwei Jahren haben Sicherheitskräfte zahlreiche Aktivisten und Oppositionelle verhaftet und Demonstranten erschossen. Die Regierung verbot Proteste und schloss kritische Medienhäuser. Einer der aussichtsreichsten Oppositionskandidaten, Moїse Katumbi, hat inzwischen das Land verlassen und wurde in Abwesenheit zu drei Jahren Haft verurteilt - er soll ein Haus verkauft haben, das ihm gar nicht gehörte. Zudem wird ihm von der kongolesischen Regierung vorgeworfen, Söldner rekrutiert zu haben. Der "nationale Dialog" - ein Forum, in dem Vertreter von Regierung, Opposition und Zivilgesellschaft über einen Fahrplan für die Wahlen verhandeln - wird inzwischen von allen großen Oppositionsparteien boykottiert.
Welche Druckmittel gibt es?
Inzwischen wird der Ruf nach internationalen Sanktionen lauter. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch mahnt in einem aktuellen Bericht die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die USA an, Reisesperren zu verhängen und die Konten all jener Regierungsvertreter und Geheimdienstmitarbeiter einzufrieren, die für die Repressalien verantwortlich sind.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat die tödlichen Zusammenstöße vom Montag bereits verurteilt. Der Sprecher des US-Außenministeriums, John Kirby, verlangte von allen Parteien, den Konflikt um die angekündigte Wahlverschiebung friedlich beizulegen. Washington stehe bereit, "weitere gezielte Sanktionen zu verhängen". Und Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault kündigte an, dass die EU über mögliche Sanktionen diskutieren werde.
Bislang haben sich westliche Geberstaaten mit Sanktionen allerdings zurückgehalten - auch, weil sich diese in der Vergangenheit oft als ineffizient erwiesen hätten, sagt Phil Clark. Kabila habe wenig zu verlieren, glaubt auch Denis Tull. Der Einfluss von UN, EU und USA sei begrenzt. "Diese Akteure sollten stattdessen versuchen, Druck auf die Afrikanische Union auszuüben und auch nicht-traditionelle Partner wie China mit ins Boot zu holen."
"Sorge, dass die Situation außer Kontrolle gerät"
Die Forderung an Kabila müsse lauten, einen machbaren Zeitplan für die Durchführung von Wahlen vorzulegen, so Tull. Außerdem müsse Kabila deutlich machen, welche Absichten er verfolge. "Sobald Kabila sagt, dass er nach den Wahlen abtritt, würde sich die Lage für's Erste entspannen."
Sein Londoner Kollege Phil Clark ist jedoch wenig optimistisch: "Ich denke, dass die Proteste zunehmen werden. Kabila schafft damit die Rahmenbedingungen für weitere Gewalt im Vorfeld dieser wann auch immer stattfindenden Wahlen schafft." Selbst in Teilen des Ostkongos, die zu Kabilas Hochburgen zählen, kommt es inzwischen zu Protesten gegen den Staatschef. "Der Widerstand gegen Kabilas Regierung kommt aus dem ganzen Land, die allgemeine Wut nimmt zu. Kabila hat jede Form von politischer Legitimität verloren", so Clark. "Es gibt im Kongo gerade die ernsthafte Sorge, dass diese Situation in den kommenden drei bis sechs Monaten drastisch außer Kontrolle gerät."
Mitarbeit: Eunice Wanjiru, Saleh Mwanamilongo (Kinshasa)