Was ist aus dem Compact with Africa geworden?
28. Oktober 2018Wenn Angela Merkel kommenden Dienstag zwölf afrikanische Staatschefs in Berlin trifft, wirkt das ein wenig wie die Wiederholung eines bekannten Theaterstücks. Die Gäste, die Botschaft: alles bekannt. Schon letztes Jahr hatte Deutschland zu einem großen Afrikagipfel geladen, Ehrengäste wie Ghanas Präsident Nana Akufo-Addo und Ruandas Staatschef Paul Kagame hatten auch damals teilgenommen. Auch das Thema ist gleich: Afrika und Europa sollen wirtschaftlich enger zusammenarbeiten. In Afrika soll der Wohlstand wachsen, die Zahl der Migranten sinken - und Deutschlands Wirtschaft auch noch profitieren. "Afrika hat viele Konflikte, zum Teil fliehen Menschen unter sehr schwierigen Bedingungen. Wir wissen aber auch, dass die afrikanischen Länder auf der anderen Seite ein guter Zukunftsmarkt für die deutsche Wirtschaft sein können", sagte Bundeskanzlerin Merkel unlängst.
Zusagen bleiben hinter dem Bedarf zurück
Das Zaubermittel heißt Compact with Africa, vergangenes Jahr mit großen Fanfaren aus der Taufe gehoben. Doch die Euphorie ist vorbei: "Durch den Compact wurde in Afrika eine gewisse Erwartungshaltung hervorgerufen: 'Wenn wir mit dem Compact anfangen, dann werden inländische und ausländische Investitionen im großen Stil kommen'. Nun wird man mit der Realität konfrontiert, dass das ein längerfristiger Prozess ist, der sich über Jahre hinzieht", sagt Ingo Badoreck, Generalsekretär der Deutschen Afrika-Stiftung.
Denn der Compact bedeutet in erster Linie für alle Beteiligten viel Arbeit. 101 Ziele haben sich die 11 Mitgliedsländer gesetzt, um mehr Investoren anzulocken. Zum Beispiel, in dem sie die Inflation bekämpfen, Infrastruktur ausbauen oder ihre Gesetzgebung verändern. "Hier sehen wir seit der Schaffung des Compact in allen Ländern wichtige Fortschritte, auch wenn selbstverständlich weiterhin viel zu tun bleibt", teilt das Finanzministerium auf DW-Anfrage mit. Deutschland und andere Partner unterstützen mit technischer Expertise und Geld - und werben bei Firmen aus ihren Ländern, in Afrika aktiv zu werden. Bis jetzt sind ausländische Investoren in den Compact-Ländern nach Angaben des Finanzministeriums mit rund 243 Milliarden Euro engagiert. Laut einer Studie sind dagegen allein 537 Milliarden Euro nötig, damit alle Menschen bis 2030 Strom und Wasser haben.
Investoren stehen nicht Schlange
Auch in Deutschland bewegen sich die Dinge nur langsam: Die Bundesregierung hat die Absicherungen für deutsche Firmen verbessert, die in Afrika investieren wollen. Bei ihrer Reise nach Nigeria, Senegal und Ghana im August hatte Kanzlerin Merkel eine große Wirtschaftsdelegation im Schlepptau. Einige Firmen haben neue Projekte in Afrika angekündigt, Bosch zum Beispiel eine Verpackungseinrichtung für Medikamente, Voith ein Solarkraftwerk. Volkswagen hat ein Werk in Ruanda gebaut. Auch auf der Konferenz am Dienstag dominieren bekannte Namen, die oft schon vor dem Compact in Afrika aktiv waren: Allianz, Siemens oder MAN.
Alles positive Schritte, sagen Experten, aber noch nicht der große Wurf. Bisher sind nur rund 1.000 deutsche Firmen in Afrika präsent. Doch neue anzulocken, vor allem den Mittelstand, ist schwierig. "Die Compact-Länder aus Sub-Sahara-Afrika, Elfenbeinküste, Ghana, Benin, Ruanda – das sind alles Länder, die keine größere Bedeutung für die deutsche Wirtschaft haben", sagt Ingo Badoreck zur DW. "Wenn der Compact weiterentwickelt wird, dann müsste man die Länder einbeziehen, die für die deutsche Wirtschaft wichtig sind, wie Kenia oder Nigeria. Wenn die beiden Länder nicht dabei sind, dann wird der Compact wahrscheinlich nur begrenzte Auswirkungen haben." Die Wunschliste der Wirtschaft ist noch länger: Sie fordert mehr Unterstützung von der Bundesregierung, unter anderem eine besser Finanzierung ihrer Projekte.
Profitieren die afrikanischen Länder?
Dabei ist noch gar nicht klar, wer von den zusätzlichen Investitionen in den Compact-Ländern am meisten profitiert - die Menschen vor Ort oder die ausländischen Unternehmen. "Jeder, der in Afrika Geschäfte machen soll, muss auch bereit sein, in die technische Ausbildung und den Technologie-Transfer zu investieren", sagt der ghanaische Unternehmer Tutu Agyare zur DW. "Das Ziel muss sein, dass wir in fünf oder zehn Jahren viele Dinge alleine oder in Partnerschaft können." Doch ob der Compact in diesem Punkt liefern kann, ist noch unklar. Aus der Zivilgesellschaft kommt wiederum Kritik an der Länderauswahl: Der Compact helfe nicht bei der Entwicklung bettelarmer Krisenländer wie dem Südsudan, in denen ohnehin kaum ein Investor aktiv werden will.
Die Initiative sei eine fantastische Initiative, sagt dagegen Agyare. Er zwinge afrikanische Länder zu Reformen. Die seien aber nicht nur in Afrika nötig: "Es muss endlich über die Subventionen für Europas Bauern geredet werden. Sie führen dazu, dass wir unsere Landwirtschaft nicht entwickeln können, weil wir von Billigimporten überschwemmt werden. Es muss darüber geredet werden, dass wir auf dem Weltmarkt kaum Chancen haben, industriell verarbeitete Produkte zu verkaufen. Das sind Diskussionen, die in Europa geführt werden müssen." Doch zumindest offiziell stehen die nicht auf dem Programm der Konferenz am Dienstag.