Realitätstest für den "Compact with Africa"
12. Juni 2017Die Messlatte für die G20-Afrikakonferenz ist hoch. Entsprechend viel Politprominenz aus Deutschland und Afrika hat sich für das zweitägige Treffen in Berlin angesagt. Denn es geht um ein zentrales Vesprechen der deutschen G20-Präsidentschaft: Neue Wege bei der Zusammenarbeit zwischen den größten Industrie- und Schwellenländern und Afrika zu finden, um die Armut auf dem Kontinent zu reduzieren. "Wir werden uns vor allen Dingen mit der Frage auseinandersetzen, wie wir neben der klassischen Entwicklungshilfe bessere Instrumente in Gang bekommen, um wirtschaftliche Entwicklung in Afrika voranzubringen", versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits vergangenes Jahr.
Die Konferenz am 12. und 13. Juni soll nun zeigen, wie das praktisch aussehen soll. Die G20 wollen dort ernst machen mit ihrem sogenannten "Compact with Africa". Das Prestigeprojekt der Bundesregierung soll dafür sorgen, dass mehr Privatinvestitionen nach Afrika fließen. So sollen dort mehr Jobs und Wohlstand entstehen. "Das Neue daran ist, dass hier die wichtigsten Partner - afrikanische Länder, internationale Organisationen und verschiedene andere Staaten- zusammenarbeiten", sagt Ludger Schuknecht, Chefökonom im Bundesfinanzministerium.
Fünf afrikanische Staaten sind nach aktuellem Stand bei der Initiative dabei: Elfenbeinküste, Marokko, Ruanda, Senegal und Tunesien. Weitere sollen folgen. Neben den G20-Ländern beteiligen sich auch der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die Afrikanische Entwicklungsbank am Compact.
Mehr Investitionen, mehr Wohlstand
Kernstück des Programms sind Investitionspartnerschaften. Die afrikanischen Staaten verpflichten sich zu Reformen, um ihre Länder für Investoren attraktiver zu machen. Die internationalen Organisationen und die bilateralen Partner unterstützen sie technisch und finanziell. "Es gibt eine Reihe Finanzierungsinstrumente, die privates Kapital hebeln, das heißt den Effekt erhöhen oder zur Risikoabsicherung beitragen können", sagt Schuknecht im DW-Interview. Zudem wollen die G20-Länder Firmen aus ihren Staaten motivieren, sich mehr in Afrika zu engagieren. Zum Beispiel könnten sie in Fonds für kleine und mittlere Unternehmen in Afrika einzahlen.
Bisher machten viele Investoren angesichts grassierender Korruption und fehlender politischer Stabilität einen großen Bogen um Afrika. 2016 lagen die Direktinvestitionen bei 51 Milliarden US-Dollar - weniger als in jedem anderen Erdteil. Kann der Compact das ändern? Er sei ein spannender Ansatz und löse viele Probleme, sagt Jörg Wellmeyer, Geschäftsführer des Bauriesen Strabag International. Aber nicht alle: "Sie können in Afrika nur für den afrikanischen Markt produzieren. Für den Export zu produzieren, ist zu teuer", so Wellmeyer im DW-Interview. In den meisten Ländern gebe es aber nicht genug Kunden. Daher müssten Zollschranken abgebaut werden, damit Firmen ihre Produkte in der gesamten Region verkaufen könnten. Nötige Reformen müssten durch den Compact aber auch eingefordert und gefördert werden, sagt der Strabag-Chef. Zudem seien öffentlich finanzierte Großprojekte nötig, um nachhaltige Beschäftigung zu fördern. Doch all das geht nicht über Nacht. Wellmeyer: "Wir reden von einem Zeithorizont von fünf Jahren oder mehr."
Was kommt bei dem Armen an?
Auch Entwicklungsorganisationen brechen noch nicht in Jubel aus. Ohne Privatinvestitionen sei wirtschaftliche Entwicklung in Afrika nicht möglich, sagt Stephan Exo-Kreischer von der entwicklungspolitischen Lobbyorganisation One. Aber der Fokus des Compacts sei zu eng. "Da fehlen wichtige Bereiche wie öffentliche Investitionen in die sozialen Sektoren, in die Bildung und die Gesundheit, sowie Investitionen von afrikanischen Staaten in diese Sektoren", sagt Exo-Kreischer der DW.
Zudem sollen aus ihrer Sicht nicht nur Menschen in einigen afrikanischen Ländern vom Compact profitieren. "Man darf sich nicht nur auf die wirtschaftlich ohnehin schon relativ gut dastehenden Staaten konzentrieren. Natürlich muss man diese Staaten mit einbeziehen. Man muss aber auch die fragilen und die ärmsten Länder in diese Initiative aufnehmen", sagt Exo-Kreischer. Das dürfte schwierig werden. Um bettelarme Krisenländer wie den Südsudan oder die Zentralafrikanische Republik werden die meisten Investoren auch in Zukunft einen großen Bogen machen. One fordert daher von den G20, sich nicht nur auf Privatinvestitionen zu verlassen: "Die Verdoppelung der Bevölkerung in Afrika muss auch mit einer Verdoppelung der offiziellen Entwicklungsfinanzierung einhergehen", so Exo-Kreischer.