Innerafrikanischer Handel vergibt Chancen
24. Mai 2017Rund eine Milliarde Euro lässt sich Ghana den Ausbau des Hafens von Tema kosten; Ende 2019 soll er der größte Container-Umschlagplatz Westafrikas sein. Nigeria will für fast vier Milliarden Euro eine sechsspurige Autobahn bauen, die den neuen Hafen in Calabar mit dem Norden Nigerias verbinden soll. Und in Kenia haben sich Unternehmen aus China den Auftrag für ein 3,8 Milliarden US-Dollar schweres Projekt zur Erneuerung der Bahnlinie zwischen der Hauptstadt Nairobi und der Hafenstadt Mombasa gesichert.
Straßen, Bahnlinien, Flugverbindungen: Sie alle sind darauf ausgelegt, den Handel zwischen Afrika und anderen Erdteilen zu vereinfachen. Die Straßen, die einzelne afrikanische Staaten verbinden, sind vielerorts reine Schlaglochpisten. Bahnlinien aus den 1970er Jahren queren in Schrittgeschwindigkeit die Grenze. Und wer von Accra nach Luanda fliegen will, muss einen Zwischenstopp in Addis Abeba einlegen.
Nur 14 Prozent innerafrikanischer Handel
Nur ein Bruchteil der in Afrika produzierten Güter wird in andere afrikanische Staaten verkauft: "Unsere Daten zeigen, dass weniger als 14 Prozent des afrikanischen Handels innerhalb von Afrika stattfinden", sagt Andrew Baldwin von der global operierenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young. Zum Vergleich: In der Europäischen Union werden mehr als 60 Prozent der Güter innerhalb des Staatenbundes gehandelt.
"Es kann nicht sein, dass nur der Rest der Welt vom aufstrebenden Afrika profitiert", sagt Donna Nemer, Direktorin für den Bereich Kapitalmärkte an der Johannesburger Börse. "Afrika selbst muss davon profitieren."
Afrikanische Staaten exportieren vor allem unverarbeitete Rohstoffe wie Bodenschätze, Öl und landwirtschaftliche Produkte in andere Erdteile. Das trägt kaum zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Die Wirtschaft von wichtigen Abnehmern wie China schwächelt, was sich zusätzlich negativ auf Afrika auswirkt.
Schlechte Straßen, hohe Zölle
Die Weltbank prophezeit vor allem der ärmeren Landbevölkerung mehr Chancen auf wirtschaftliche Entwicklung, wenn der innerafrikanischen Handel erleichtert wird. Bauern könnten ihre Produkte einfacher in Nachbarländer verkaufen, wo sie höhere Gewinne abwerfen und Nahrungsmittelengpässen vor allem in von Dürre geplagten Gebieten entgegenwirken können.
Im Moment führen aber noch immer mangelnde Lagerungsmöglichkeiten, schlechte Straßen und überbordende Bürokratie an den Grenzen dazu, dass nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) 40 Prozent der Lebensmittel in Afrika verderben. Im Jahr 2015 stammten nur fünf Prozent der afrikanischen Getreide-Importe aus anderen afrikanischen Staaten.
"Wenn ein kleines Unternehmen Mangos in Mali anbaut und es in einem Nachbarland bereits ein Unternehmen gibt, das Mangos zu Saft oder Marmelade verarbeitet, dann braucht es natürlich diese Mangos", sagt Issam Chleuh. Doch es gebe noch zu viele Handelshemmnisse, sagt der Gründer der "African Impact Group", der laut Forbes zu den vielversprechendsten Jungunternehmern in Afrika zählt. "Oft fehlt die Infrastruktur, um die Güter vom einen Land in das andere zu bekommen. In anderen Fällen macht der Zoll Schwierigkeiten: Es ist nicht immer transparent, wie viel die Händler an der Grenze bezahlen müssen."
Regionaler Handel: Nirgends so teuer wie in Afrika
Die Weltbank schätzt, dass die Kosten für den inner-kontinentalen Handel in Afrika noch immer 50 Prozent höher sind als in Ostasien. Ein Lastwagenfahrer, der grenzüberschreitend Supermärkte im südlichen Afrika beliefert, müsse bis zu 1600 Dokumente mit sich führen. Verzögerungen an den Grenzen kosten Unternehmen tausende Euro.
"Zollbeamte sollten nicht nach Gründen suchen, Güter aufzuhalten. Sie sollten ihre Rolle darin verstehen, den schnellen Transport von Gütern zu ermöglichen", sagte Michael Druce, Afrika-Chef des Logistik-Unternehmens UPS, Anfang Mai auf einer Veranstaltung des Weltwirtschaftsforums im südafrikanischen Durban. "Bislang haben afrikanische Zollbehörden ihre Aufgabe darin gesehen, Staatseinnahmen zu generieren - und nicht darin, Handel zu ermöglichen. Das muss sich allmählich ändern."
Ostafrika macht's vor
Die Weltbank schätzt, dass Zölle in afrikanischen Ländern südlich der Sahara bis zu zehn Prozent der Staatseinnahmen ausmachen. Doch freier Handel kurbelt die Wirtschaft an - und auch davon profitiert der Fiskus. Deshalb haben die afrikanischen Staaten mehrere, sich zum Teil überlappende Wirtschaftsgemeinschaften gegründet, Währungsunionen geschlossen und Freihandelsabkommen unterzeichnet. Ihre Bilanz ist bisher jedoch größtenteils dürftig.
Eine Ausnahme ist die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC), der Kenia, Burundi, Ruanda, Südsudan, Tansania und Uganda angehören: Die Organisation hat die regionale Zusammenarbeit deutlich verbessern können. Vor Gründung der EAC im Jahr 2000 dauerte es drei Wochen, Güter aus dem ruandischen Kigali in die kenianische Hafenstadt Mombasa zu befördern. Mittlerweile hat sich die Transportzeit auf fünf Tage verkürzt.
Freier Handel von Kairo bis Kapstadt?
Im Juni 2015 unterzeichneten 26 afrikanische Staaten einen Plan für ein neues Freihandelsabkommen, das drei bereits bestehende Handelsblöcke zusammenführen und den freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen von Kairo bis nach Kapstadt ermöglichen soll. Seitdem liegt der Entwurf für die "Tripartite Free Trade Area" (TFTA) den einzelnen Nationalparlamenten zur Unterzeichnung vor.
Der Erfolg der TFTA wird - wie bei allen bereits bestehenden Abkommen auch - von der tatsächlichen Umsetzung abhängen. Dafür braucht es neben politischem Willen und ehrlichen Zollbeamten massive Investitionen in Infrastruktur.