Viel hilft nicht immer viel
Nein, mangelndes Afrika-Engagement kann der Bundesregierung in diesen Tagen niemand unterstellen. Seit Jahresanfang gibt es den "Marshallplan mit Afrika", dann folgte der "Compact with Africa" der G20, jetzt kommt "Pro! Afrika". Aber Vorsicht: Afrika-Politik nach der Devise 'Jedem Minister sein Konzept' mag zwar die mediale Präsenz des jeweiligen Amtsinhabers stärken. Aber Afrika ist damit nicht unbedingt geholfen. Viel hilft nicht immer viel.
Sicher: Es ist gut, dass die Bundesregierung den Nachbarkontinent entdeckt hat. Zu lange galt Afrika im Berliner Regierungsviertel noch als 'terra incognita'. Abgeordnete, die sich für Afrika stark machten, galten als besondere Spezies. Die Mehrheit dachte dagegen: "Afrika? Darum können sich Briten und Franzosen kümmern!" Die Rufe nach einem stärkeren deutschen Afrika-Engagement blieben lange ungehört.
Chefsache Afrika
Nun ist alles anders: Hohe Flüchtlingszahlen und die deutsche G20-Präsidentschaft haben die Wende gebracht. Afrika ist Chefsache - selbst die Bundeskanzlerin setzt sich weitaus mehr als früher für den Kontinent ein. Was ihre Minister zusammengetragen haben, ist inhaltlich durchaus sinnvoll: mehr Arbeitsmöglichkeiten für junge Afrikaner, fairer Handel, stärkere Förderung ausländischer Investitionen in Afrika. Kaum ein Experte, der diese Vorschläge nicht lobt. Würden sie umgesetzt, wäre das gut für Afrika.
Das Problem ist die Vorgehensweise. Statt verschiedener Konzepte braucht die Bundesregierung ein klares, logisches und durchdachtes Afrika-Konzept. Wenn die Ministerien weiter lieber neben- als miteinander arbeiten, drohen Reibungsverluste. Beispiel: das Afrika-Engagement der Privatwirtschaft. Alle Minister wollen, dass mehr deutsche Firmen in Afrika aktiv werden. Ihre Rechnung: Die Firmen erschließen sich neue Wachstumsmärkte, in Afrika entstehen Arbeitsplätze und dadurch mehr Wohlstand. Aber wen rufen Firmenchefs künftig an, um sich nach dem besten Ort für ein Afrika-Engagement oder über die geeigneten Föderungsinstrumente zu erkundigen? Den "EZ-Scout", den das Entwicklungsministerium an die deutschen Industrie- und Handelskammern geschickt hat? Oder den "Afrika-Lotsen", den es künftig im Wirtschaftsministerium geben soll?
Im schlimmsten Fall könnte fehlende Abstimmung sogar den Erfolg der Konzepte zunichte machen. Es ist gut, wenn das Entwicklungsministerium mehr Geld zur Förderung ländlicher Regionen in Afrika ausgeben will. Und es hilft, wenn das Wirtschaftsministerium mehr für deutsche Investitionen in Afrika tun will. Aber nichts davon wird Afrika helfen, wenn nicht die Handespolitik endlich reformiert wird. Wenn Europa nicht seine Märkte für afrikanische Produkte öffnet und Afrika weiter mit Billig-Waren überschwemmt, wird dort die Armut weiter grassieren. Nur ein gemeinsames Konzept kann aber solche Fragen lösen.
Wer kennt noch NEPAD?
Daher bitte Schluss mit der Konzeptflut! Wenn die Bundeskanzlerin Afrika wirklich zur Chefsache machen will, dann muss sie ihre Minister an einen Tisch holen und ein gemeinsames Konzept erstellen lassen. Zusammen mit den afrikanischen Partnern. Denn in die aktuellen Konzepte ist viel Expertise aus den beteiligten Ministerien geflossen - aber wenig von denen, um die es eigentlich geht. Doch die Zeit drängt. Im Sommer beginnt die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs. Dann wird die Berliner Politik für Sachfragen keine Zeit mehr haben.
Erinnert sich noch jemand an die "Kommission für Afrika" des früheren britischen Premierministers Tony Blair? Oder an NEPAD, die sogennannte "Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung" von Südafrikas Präsident Thabo Mbeki? Vielversprechende Konzepte, die längst vergessen sind. Handelt die Bundesregierung nicht bald, droht Marshallplan, Pro! Afrika und Compact das gleiche Schicksal.
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