Schüler wegen Kritzeleien hinter Gittern
9. Juni 2016Burundis Präsident Pierre Nkurunziza ist mit Abbildungen in vielen Lehrbüchern des Landes vertreten, aber SO sieht er sich offenbar überhaupt nicht gern: Mit Filzstiften malten Schüler ihm Bartstoppeln ins Gesicht und auf die nackte Kopfhaut, dazu übergroße Nasenlöcher und runde, pechschwarze Augen. Am Rande des Portraits schrieben sie "Ruhara", was in der Kirundi-Sprache "Glatzkopf" bedeutet, "intumva mu Burundi" - "der Dickköpfige von Burundi" oder "Nkurumbi" - "schlechte Nachricht", denn der Nachname des Präsidenten bedeutet "gute Nachricht".
Vielen Schulleitern, meist Anhängern des Staatschefs, war das zu viel, und es dauerte nicht lange, bis auch die Schulbehörde reagierte. Bereits Ende Mai wurden 334 Schüler in Ruziba, unweit der Hauptstadt Bujumbura, vom Unterricht suspendiert. Später wurde die Strafmaßnahme zwar zurückgenommen, viele der Schüler kehrten aber nicht zum Unterricht zurück - aus Angst vor Repressalien oder als Zeichen des Protests.
Ein Präsident gegen die Meinungsfreiheit
Die nächste Etappe im Streit um die Kritzeleien folgte am 3. Juni: In der zentralburundischen Stadt Muramwya wurden elf Jugendliche festgenommen. Sechs von ihnen sind minderjährig. Auch ihnen wird vorgeworfen, das Staatsoberhaupt mit Zeichnungen verunstaltet zu haben. Mitschüler hatten gegen die Festnahmen protestiert.
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF, äußerte sich jetzt besorgt, denn am Rande dieser Demonstrationen seien zwei Jugendliche von Polizeikugeln getroffen worden, heißt es. Das sei auf keinen Fall mit internationalem Recht in Einklang zu bringen, betonte UNICEF-Sprecher Christophe Boulierac. Der Konflikt habe das Potential sich auszuweiten.
Immer wieder kommt es in Burundi zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, seit Präsident Nkurunziza Ende April 2015 bekanntgab, erneut für das höchste Staatsamt zu kandidieren. Nkurunziza wurde im Juli 2015 trotz massiver Proteste wiedergewählt. Die Opposition und internationale Beobachter halten die Wahl für ungültig. Seitdem wird auch die Meinungsfreiheit in dem ostafrikanischen Land immer mehr eingeschränkt, Journalisten berichten von Schikanen und Einschüchterungsversuchen.
Unverhältnismäßige Strafen?
Jetzt sorgt die Verhaftung der elf Schüler von Muramvya für große Aufregung: auf der einen Seite besorgte Eltern, Mitschüler und Menschenrechtsaktivisten, auf der anderen Regierungsvertreter und Gerichtsangehörige, die die Maßnahme zu rechtfertigen versuchen. Sechs der im Juni Verhafteten, drei Mädchen und drei Jungen im Alter von 14 bis 17 Jahren, wurden inzwischen auf Anordnung des Gerichts aus dem Gefängnis entlassen. Fünf weitere, offenbar volljährige Schüler sind nach wie vor in Haft. Ihr Verteidiger, Eric Batungwanayo, sagte im DW-Interview, das Gericht müsse auch sie unverzüglich auf freien Fuß setzen. Die Richter seien zu weit gegangen, man dürfe den Jugendlichen das Recht auf ihre Schulbildung nicht entziehen, gerade jetzt, so kurz vor den Jahresabschlussprüfungen.
So sehen das auch die Eltern. "Mein Junge ist ein sehr guter Schüler, vielleicht könnte er eines Tages Minister werden. Nun aber wird seine Zukunft aufs Spiel gesetzt", sagte eine Mutter. Sie bittet darum, dass ihr Sohn freikommt, damit er weiter zur Schule gehen kann. "Kinder haben schon immer Fehler begangen. Ich finde, man sollte ihnen verzeihen. Gott soll über sie richten."
Erst kommt Gott, dann der Präsident
Ganz anders sieht das der Governeur der Muramvya-Provinz Emmanuel Niyungeko: Gesetz sei nun mal Gesetz, sagte er in Interviews und verglich die Taten der Schüler sogar mit Gotteslästerung: "Sie wissen ja: Nach Gott kommt der König, so heißt es auch in der Bibel. Und heutzutage haben wir keinen König, sondern einen Präsidenten." Man müsse die Ehre des Präsidenten verteidigen, denn der komme direkt nach Gott, argumentiert Niyungeko, der Mitglied in der Regierungspartei CNDD-FDD ist. "Diese Jugendlichen haben den Präsidenten ernsthaft beleidigt und das dürfen die juristischen Instanzen ihnen nicht einfach so durchgehen lassen."
Auch Erziehungsministerin Janvière Ndirahisha musste Stellung beziehen: Beschwichtigend stellte sie fest, es komme nur selten vor, dass in Burundi so etwas mit Schülern passiere. Andererseits könne man 15-, 16- oder 17-Jährige auch nicht per se für unschuldig erklären.
Nach Angaben von UNICEF wurden seit Beginn des innerburundischen Konflikts im April 2015 mehr als 300 Kinder willkürlich verhaftet. Viele davon säßen in normalen Gefängnissen, zusammen mit Erwachsenen und unter unmenschlichen Bedingungen ein.
Mitarbeit: Eric Topona, Antéditeste Niragira