Nkurunziza auf der Flucht nach vorn
20. August 2015Mit der Einladung hatte keiner gerechnet. Am frühen Donnerstagmorgen klingeln bei den Journalisten in Bujumbura die Telefone – es ist eine kurzfristige Einladung in den "Palais de Kigobe", dem Sitz des burundischen Parlaments. Erst vor Ort wird das Geheimnis gelüftet, erzählt Amida Issa, DW-Korrespondentin in der burundischen Hauptstadt. Der Präsident Pierre Nkurunziza soll noch an diesem Tag vereidigt werden. "Die Gäste wurden durchsucht, bevor sie reingelassen wurden", berichtet Issa. "Die Sicherheitsvorkehrungen wurden extra verstärkt."
Selbst Beamte und Militärs hätten bis zuletzt nichts von der Vereidigung gewusst. Sie seien aber gebeten worden, in Paradeuniformen zu erscheinen. Mitarbeiter internationaler Organisationen hingegen seien wegen der schwierigen Sicherheitslage gebeten worden, zuhause zu bleiben. Auf Twitter verbreiteten sich Bilder von der Feier.
Die Vereidigung an sich kam nicht überraschend, aber sie kam überraschend früh: Beobachter hatten erst nächste Woche damit gerechnet. Denn am 26.August läuft Nkurunzizas Mandat offiziell aus.
Warum die Eile?
"Ich kann mir vorstellen, dass vor allem Sicherheitsaspekte eine Rolle gespielt haben", sagt Innocent Muhozi im Gespräch mit der DW. Er ist Leiter der unabhängigen Pressebeobachtungsstelle in Burundi und selbst Medienunternehmer. Seiner Meinung nach hätten die Machthaber in Bujumbura und ihr Sicherheitspersonal Proteste und sogar Anschläge befürchten müssen, wäre der Termin frühzeitig angekündigt worden. Durch den kurzfristigen 'Vereidigungs-Coup' waren Demonstrationen der Opposition ausgeblieben.
Das Vorgehen ist nachvollziehbar, denn die burundische Opposition ruft immer offener zum Widerstand gegen das Regime Nkurunziza auf, das sie als illegal betrachtet. Léonard Nongoma ist Präsident des "Rats für die Einhaltung der Verfassung, der Menschenrechte und des Friedensvertrags von Arusha" (CNARED), eine Art außerparlamentarische Opposition in Burundi, die auch Burunder im Exil vertritt. Im Interview mit der DW stellt er unmissverständlich klar, dass sie die Vereidigung an diesem Donnerstag nicht akzeptieren. Die Vereinigung von verschiedenen Oppositionsparteien sei entschlossen, der Diktatur Nkurunziza notfalls mit Gewalt ein Ende zu setzen - falls das Regime Nkurunziza darauf beharre, die Gesetze des Landes mit Füßen zu treten. "Falls das nicht passiert, dann fühlen wir uns berechtigt, ihn - nötigenfalls mit Gewalt - aus dem Amt zu jagen." Es sei aber noch nicht zu spät für einen Dialog.
Kritik an Nkurunziza aus dem Ausland
Auch internationale Beobachter beurteilen den jüngsten Schachzug des burundischen Präsidenten kritisch. Yolande Bouka, Burundi-Expertin beim Institute for Security Studies in Nairobi, glaubt, dass Nkurunziza mit der überraschenden Vereidigung seinen Gegnern zuvorkommen wollte: "Er und seine Regierung wollen unbedingt die Kontrolle über die politische Landschaft behalten, vor allem jetzt, wo sich die Sicherheitslage im Land verschärft und von wachsender Instabilität die Rede ist," sagte sie.
Thijs Van Laer ist Burundi-Experte bei der belgischen Nichtregierungsorganisation CNCD 11.11.11. Er ist der Meinung, Nkurunziza agiere aus einer Position der Stärke, weil er die Wahlen gewonnen hat. Aber so könne er sein Ansehen im Ausland nicht verbessern: "Die internationale Gemeinschaft lässt keinen Zweifel daran, dass sie weder die Wahl noch den daraus hervorgegangenen Präsidenten anerkennt. Das schwächt seine diplomatische Position erheblich", erklärt Van Laer.
Heftige Diskussion im Netz
Auch in den sozialen Netzwerken wird die Vereidigung von Pierre Nkurunziza hitzig diskutiert. Auf den Facebook-Seiten der DW gab es viele Reaktionen. Einige verteidigen den Präsidenten, wie dieser Post zeigt: "Er ist demokratisch gewählt worden. Ich sehe nicht, wo das Problem ist. Hört auf mit der Einmischung!" Die Mehrheit jedoch ist Nkurunziza gegenüber kritisch eingestellt - so wie Djibril Diallo. Er schreibt: "Er soll zurücktreten, wenn er will, dass Frieden in Burundi herrscht. Es ist sehr schade und traurig, dass die afrikanischen Präsidenten kein Wort dazu sagen." Mitterand Ayivi kommentiert: "Ich verstehe unsere Führer nicht mehr. Sie sind zu allem bereit um ihre Macht zu erhalten. Der Eid wird geschworen - die Füße auf Leichen und die Waffen in der Hand." Und Durant Ndayishimiye postet: "Er tritt die Verfassung immer noch mit Füßen. Sein Mandat läuft am 26. August aus und er soll aufhören, um Platz für andere zu machen." Sein Statement endet mit der Frage: "In was für einem Land leben wir?"
Unter Mitarbeit von Eric Topona, Marc Caldwell und Sudi Mnette