Rien ne va plus, Burundi
13. Mai 2016Ein Jahr ist vergangen, seit Militärs am 13. Mai 2015 versuchten, Präsident Pierre Nkurunziza zu entmachten. Der Putschversuch kam wenige Wochen nachdem Nkurunziza seine Kandidatur für eine verfassungswidrige dritte Amtszeit als Präsident verkündet und damit eine Welle des Protests provoziert hatte. Doch Nkurunziza-treue Soldaten stoppten den Putsch.
Was folgte, war ein Jahr zunehmender Repression und immer neuer Gewaltwellen. "Die wichtigste Folge des Putschversuchs war wohl, dass die unabhängige Berichterstattung ausgeschaltet wurde und die Menschen im ganzen Land keine regierungskritischen Nachrichten mehr hören konnten", sagt Yolande Bouka, die für das südafrikanische Institut für Sicherheitsstudien (ISS) zu Burundi arbeitet.
Letzter Ausweg Flucht
Das harte Durchgreifen gegen Journalisten und Regimekritiker führte dazu, dass zahlreiche Gegner von Nkurunzizas Politik das Land verließen. So auch eine Journalistin, die zu ihrer Sicherheit anonym bleiben möchte. Vor ihrer Flucht arbeitete sie für den unabhängigen Radiosender "Radio Publique Africaine" (RPA), der als erster Sender die Erklärung der Putschisten ausstrahlte.
Kurz darauf legten Unbekannte Feuer; der Sender wurde zerstört. In dem Moment habe sie zum ersten Mal daran gedacht, zu fliehen, sagt sie: "Alles ist dann sehr schnell gegangen. Binnen eines Abends hatte ich meine Flucht geplant. Ich habe nur drei Angehörige meiner Familie informiert und das Haus nur mit einer kleinen Tasche verlassen, um meine Haushaltshilfen nicht misstrauisch zu machen." Mehr als eine Viertelmillion Menschen haben Burundi infolge des Konflikts verlassen.
Der unbewegliche Präsident
Seit Anbeginn der politischen Krise zeigt sich Präsident Nkurunziza nicht gewillt, seinen Gegnern auch nur einen Millimeter Spiel zu lassen. 21 mutmaßliche Drahtzieher des Putsches wurden vor wenigen Tagen vom Obersten Gericht in zweiter Instanz mit lebenslangen Haftstrafen belegt. Das Gericht folgte weitgehend dem Einspruch der Staatsanwaltschaft, die die Urteile in erster Instanz für zu milde befand. Nicht nur gegen Putschisten geht das Regime mit aller Härte vor. Es sperrt sich auch gegen Gespräche mit Oppositionsgruppen, die mit den Figuren des Putsches in Verbindung gebracht werden.
ISS-Expertin Bouka sieht darin eine mangelnde Kompromissbereitschaft Nkurunzizas. "Das ist eine Herausforderung, weil die Ostafrikanische Gemeinschaft sich sehr darum bemüht hat, den Dialog zwischen Opposition und Regierungspartei zu ermöglichen." Weil Nkurunziza sich selbst aussuchen will, mit wem er verhandelt, kamen bisher keine Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition zustande.
Eingeholt von der Vergangenheit?
Unterdessen versucht Pierre Nkurunziza, sich persönlich als Stimme der Versöhnung zu inszenieren - und bedient sich dabei einer fragwürdigen Rhetorik. Am Montag setzte der Präsident eine Reihe von Tweets ab. So schrieb er: "Ob sie konstruiert sind oder reell - die Probleme unserer Zeit dürfen uns nicht das Schweigen der Vergangenheit vergessen lassen."
Die angeblichen Aufrufe zur Versöhnung spielen auf ein düsteres Kapitel der burundischen Geschichte an: Vor über 40 Jahren wurden ethnische Massaker an der Hutu-Bevölkerung begangen. Bei dem langjährigen Konflikt zwischen den Hutu- und Tutsi-Bevölkerungsgruppen kamen mehr als 300.000 Menschen ums Leben. Obwohl Beobachter die aktuelle Krise mehrheitlich als politische einschätzen und nicht als ethnisch motiviert - die jüngsten Tweets des Präsidenten stecken voller gefährlicher Anspielungen. So schreibt Nkurunziza weiter: Die gegenwärtige Krise sei von Menschen herbeigeführt worden, die versuchten, die Wahrheitsfindung zu ersticken, die zur Versöhnung nötig sei.
Kein Ausweg aus der Krise
Für manche Beobachter klingt das nach einer Drohung, erneut zu Gewalt zu greifen. Onésime Nduwimana, ein ehemaliger Sprecher des Präsidenten, der jetzt in der Opposition ist, hält Nkurunzizas Rufe nach Versöhnung nicht für glaubwürdig. Wenn Nkurunziza - selbst Hutu - wirklich am Wohlergehen der Hutu-Bevölkerung gelegen sei, hätte er den Kompromiss anerkennen müssen, den die verschiedenen Bevölkerungsgruppen 2000 mit dem Arusha-Abkommen gefunden hätten, sagt Nduwimana der DW. In dem Abkommen, das das Ende des langen Bürgerkriegs einleitete, einigten sich die Unterzeichner unter anderem darauf, die Amtszeit des Präsidenten auf zwei Mandate zu beschränken. Indem er dieses Friedensabkommen missachtet habe, habe sich Nkurunziza selbst zum größten Putschisten gemacht, sagt Nduwimana.
Welche Möglichkeiten bleiben dem Präsidenten, um den Ausweg aus der Krise zu finden? Léonidas Hatungimana, ein weiterer ehemaliger Sprecher Nkurunzizas, stellt die Gegenfrage: Wieviel Einfluss hat der Präsident allein denn überhaupt? "Das erste Problem ist er selbst: Wenn er jetzt einen Rückzieher macht, droht ihm das Gefängnis. Das zweite Problem ist, dass er um sich herum eine Clique aufgebaut hat, die er nicht mehr beherrscht. Sie sind ihm Freund und Feind zugleich." Mit anderen Worten: Nkurunziza ist dazu verdammt, seinen Kurs weiterzufahren.
Die Verhandlungen mit der Opposition liegen auf Eis. Im Land herrscht ein Vakuum an Meinungsvielvalt, weil führende Intellektuelle ins Exil gegangen sind. Und dem Präsidenten scheint der Einfluss über eine machthungrige Führungsriege weiter zu entgleiten. Ein Jahr nach dem Putschversuch ist die Situation in Burundi festgefahrener denn je.
Mitarbeit: Fréjus Quenum, Eric Topona, Eunice Wanjiru