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Hetze und Haftstrafen gegen Journalisten

Markus Symank5. Februar 2014

Unabhängige Journalisten in Ägypten geraten immer stärker unter Druck. Mit dem Prozess gegen Mitarbeiter von Al-Dschasira sendet die Regierung eine Warnung an alle kritischen Berichterstatter. Und die kommt offenbar an.

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Eine Journalistin fotografiert in Ägypten und wird von Militärs beobachtet
Bild: picture-alliance/AP

Seit mehr als einem Monat sitzen der preisgekrönte australische Journalist Peter Greste und sein ägyptischer Kollege Mohammed Fahmi in einem Hochsicherheitsgefängnis in Kairo. Ein nun von Al Tahrir TV veröffentlichtes Video zeigt die Festnahme der beiden Al-Dschasira-Mitarbeiter am 29. Dezember 2013. Zu Beginn des Mitschnitts gleitet die Kamera über Laptops, Kameras und Aufnahmegeräte der Journalisten. Anschließend ist zu sehen, wie die Männer in ihrem Hotelzimmer ohne Anwälte verhört werden.

Warum sie Kameras bei sich hätten, will einer der Polizisten wissen. "Alles hier ist Besitz von Al-Dschasira und gehört nicht mir persönlich", erklärt Fahmi ruhig. "Die Aufnahmen machen wir auf der Straße, im Zimmer schneiden wir das Material." Fast 20 Minuten lang müssen Fahmi und Greste weitere vermeintlich naive Fragen beantwortet. Dann werden sie abgeführt - und wenig später wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer Terrorzelle angeklagt.

Jagd auf Journalisten

Al-Dschasira sowie sein ägyptischer Ableger Mubasher Masr stehen im Mittelpunkt einer Einschüchterungskampagne gegen Journalisten am Nil. 20 Mitarbeitern des Senders, darunter vier Ausländern, soll in den kommenden Tagen der Prozess gemacht werden. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, die zur Terrorgruppe erklärte Muslimbruderschaft unterstützt und die nationale Sicherheit gefährdet zu haben. Mehrere der Angeklagten stehen nur in einem losen Arbeitsverhältnis mit Al-Dschasira. Andere, darunter die mittlerweile ins Ausland geflüchtete dänische Reporterin Rena Netjes, führten in der Vergangenheit lediglich Interviews mit Mitarbeitern des Senders.

Zwei Al-Dschasira-Journalisten protestieren gegen die Verhaftung ihrer Kollegen - im Hintergrund ist Peter Greste zu sehen.
Zwei Al-Dschasira-Journalisten protestieren gegen die Verhaftung ihrer Kollegen - im Hintergrund ist Peter Greste zu sehen.Bild: picture-alliance/dpa

Ein Korrespondent in Kairo, der noch bis Ende vergangenen Jahres auf freier Basis für das Al-Dschasira-Netzwerk arbeitete, warnt, dass der Staat zur Jagd auf unabhängige Berichterstatter aufgerufen habe. Der Journalist, der anonym bleiben möchte, sagt: "Die Botschaft ist klar: Nur das Staatsfernsehen hat das Recht, seine Sicht der Dinge mitzuteilen. Alle anderen müssen berichten, was ihnen das Staatsfernsehen vorschreibt." Der inhaftierte Al-Dschasira-Korrespondent Greste schrieb in einem Brief aus seiner Zelle, der Prozess gegen ihn sei als Warnung an alle Journalisten zu verstehen.

"Unmöglich, seine Arbeit zu machen"

Dass ausgerechnet Al-Dschasira im Fokus der Behörden steht, ist kein Zufall. Der Sender ist das Steckenpferd der Herrscherfamilie Katars. Das Emirat ist der Muslimbruderschaft freundlich gesinnt und unterstützte die Regierung des Islamisten Mohammed Mursi mit mehreren Milliarden US-Dollar. Ägypten wirft Katar seit Längerem vor, Nachrichten zugunsten der Muslimbruderschaft zu fälschen, konnte dafür aber bislang keine Beweise vorlegen. Einen Kameramann des Senders, der seit rund 200 Tagen festgehalten wurde, mussten die Behörden am Wochenbeginn freilassen.

Zeitungskiosk in Ägypten
Ein Zeitungskiosk in Luxor - die verkaufte Presse ist nicht freiBild: picture alliance

Doch die Angriffe auf die Pressefreiheit am Nil beschränken sich längst nicht mehr auf Al-Dschasira. Alleine am 25. Januar, dem dritten Jahrestag der Revolution, nahmen Sicherheitskräfte knapp 20 Journalisten in Kairo fest. Tags zuvor war ein Team des deutschen Senders ARD von einem Mob angegriffen worden. Nur das beherzte Eingreifen eines Polizisten in Zivil verhinderte, dass der deutsche Kameramann gelyncht wurde. Einige Journalisten haben angekündigt, sich angesichts der jüngsten Attacken vorläufig von Demonstrationen fernzuhalten, so auch der ehemalige Mitarbeiter von Al-Dschasira: "Ein gewisses Risiko kann man in Kauf nehmen. Aber angesichts der Mob-Mentalität ist es schlicht unmöglich geworden, seine Arbeit zu machen." Nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten rangiert Ägypten derzeit auf Platz drei der gefährlichsten Länder für Journalisten.

Kritik an Sisi unerwünscht

Ein im vergangenen Jahr erlassenes Anti-Terror-Gesetz macht es unabhängigen Berichterstattern nahezu unmöglich, alle Seiten des politischen Konflikts zu zeigen. Schon ein bloßes Interview mit einem Anhänger des gestürzten Präsidenten Mursi können die Behörden im Zweifelsfall als Terrorakt einstufen. Die staatlichen Medien gießen zusätzliches Öl ins Feuer, indem sie ausländische Journalisten pauschal der Spionage verdächtigen. Bei den zwischen enthusiastischem Patriotismus und aggressivem Chauvinismus pendelnden Armeeanhängern fallen derartige Verschwörungstheorien auf fruchtbaren Boden. Auch säkulare Aktivisten und Politiker vermeiden vermehrt das Gespräch mit Journalisten, um nicht selbst in die Schusslinie zu geraten.

Ägypten Demonstration Plakat General Abdel Fattah al-Sisi
Al-Sisi hat viele Anhänger in Ägypten. Er wird sich voraussichtlich um das Präsidentenamt bewerben.Bild: REUTERS

Ganz besonders schlecht kommt in diesen Tagen Kritik an Armeechef Abdel Fattah al-Sisi an. So strich die unabhängige Zeitung "Al-Schuruk", die für gewöhnlich auch regierungskritischen Stimmen eine Plattform bietet, kurzfristig eine Kolumne des bekannten ägyptischen Journalisten Belal Fadl. Dieser hatte sich darin gegen eine Präsidentschaftskandidatur al-Sisis ausgesprochen. Der Armeechef selbst hatte nach dem Sturz Mursis im vergangenen Jahr in einem Gespräch mit Offizieren angekündigt, die Medien wieder stärker unter die Kontrolle zu bringen: "Es braucht viel Zeit, um die Medien so zu beeinflussen, wie wir es möchten. Arbeiten wir daran? Gewiss. Haben wir unser Ziel schon erreicht? Noch nicht." Sollte sich al-Sisi wie erwartet für das Präsidentenamt bewerben, scheint nicht zuletzt wegen der Dauer-Propaganda der staatlichen Medien ein Sieg so gut wie sicher.