Medienkrieg in Ägypten
15. Juli 2013Nach Angriffen auf Mursi-Gegner, bei denen in der vergangenen Woche zahlreiche Menschen getötet wurden, beriefen Militär und Polizei eine ungewöhnliche Pressekonferenz ein. Schon nach wenigen Minuten verbreitete sich Chaos im Raum. Nicht, weil die ägyptischen Journalisten darauf drängten, dem Militär Fragen zu stellen, sondern weil sie eine Forderung hatten: Al-Jazeera solle sofort den Raum verlassen. Man unterstellte dem Sender, er würde mit den Islamisten sympathisieren. Das Team packte schnell seine Sachen und ging.
Daraufhin ergriff der Militärsprecher das Wort: "Ägypten ist ein Land der Freiheit und der Demokratie!" Jubel unter den Medienvertretern. Fragen wollten sie nach dem offiziellen Teil der Konferenz nicht stellen.
Nach dem Sturz des ersten demokratisch gewählten Präsidenten Mohammed Mursi durch das Militär haben es viele Medienvertreter schwer: Pro-islamistische Fernsehsender wurden geschlossen, Journalisten eingesperrt und ihre technische Ausrüstung beschlagnahmt.
Unkritische Berichterstattung
Die anderen Medien, die noch berichten dürfen, stehen einhellig hinter dem Militär. Wer sich nur in ägyptischen Zeitungen und Fernsehsendungen informiert, bekommt den Eindruck, das ganze Land unterstütze die militärischen Aktionen. Damit das ägyptische Militär gut dasteht, wird auch eine ungenaue und unkritische Berichterstattung in Kauf genommen: Über die jüngsten Attacken und den bisher blutigsten Vorfall vor dem Hauptquartier der Republikanischen Garde, bei dem zahlreiche Anhänger der Muslimbrüder getötet wurden, gab es kaum Berichte. Ein staatlicher Fernsehsender strahlte ein religiöses Programm aus, der andere ein Interview mit einem Offizier, der versicherte, dass alles in Ordnung sei.
"Egal, wer an der Macht ist, die staatlichen Medien werden sie unterstützen", sagt Adel Abdel Ghafar, Stipendiat an der Amerikanischen Universität in Kairo.
Auch die Berichte der privaten Medien über das Militär sind positiv. Unter der Präsidentschaft der Muslimbruderschaft wurden sie unterdrückt und wegen negativer Berichterstattung über das Mursi-Regime angegriffen. Nun ist die Freude über den Machtwechsel so groß, dass für kritische Fragen kein Platz mehr ist.
Ausländische Medien werden unterdrückt
Während sich die einheimische Presse hinter das Militär stellt, fällt es ausländischen Medienvertretern immer schwerer, überhaupt über die Ereignisse in Ägypten zu berichten. Als Dirk Emmerich, Journalist für den deutschen Nachrichtensender n-tv, von den Attacken auf Muslimbrüder vor dem Hauptquartier der Republikanischen Garden berichten wollte, wurden er und sein Team festgenommen.
"Woher kommt ihr? Seid ihr von CNN, BBC?", fragten die Soldaten nach Aussagen Emmerichs. Sieben Stunden wurden er und sein Team festgehalten - ohne eine einzige Erklärung. "Das Militär glaubt, dass es alles und jeden kontrollieren muss", sagt Emmerich. "Man spürt seine starken Vorbehalte gegenüber ausländischen Medien, besonders CNN, BBC und Al-Jazeera."
Auch Anti-Mursi-Demonstranten mobilisieren gegen die ausländischen Medien: "Eine Kugel kann einen Menschen töten, eine lügende Kamera eine ganze Nation." Solche Flugblätter wurden rund um die Gebäude der TV-Sender ausgeteilt. Protestierende hielten Schilder hoch: "CNN unterstützt den Terrorismus". Zahlreiche ausländische Journalisten wollen wegen der Anfeindungen und aus Sicherheitsgründen nicht mehr in Ägypten arbeiten.
Ägyptens Bevölkerung wird kritischer
Die islamistischen Medien versuchen nun, ihre Inhalte über Twitter und andere soziale Netzwerke zu verbreiten. Ebenso nutzen sie die internationale Presse. "Im Guardian und in der Washington Post veröffentlichten die Muslimbrüder Artikel. Sie wollen vor allem ihre Nachricht vermitteln, dass es sich bei den Vorgängen in Ägypten um einen Putsch handelt", sagt Adel Abdel Ghafar.
Auch wenn der Medienkrieg in Ägypten so bald nicht vorbei sein wird, zeichnet sich bereits eine positive Entwicklung ab: "Die Leute informieren sich nicht nur über die klassischen Medien", sagt Ghafar. Die Ägypter seien viel kritischer und skeptischer geworden als früher.