Zwölf Jahre für Rebellenführer Katanga
22. Mai 2014Die Verbrechen liegen lange zurück. Doch bei den Betroffenen haben sich die Erinnerungen tief eingebrannt. Es war der 12. Mai 2003, als Charles Kitambala mit seiner Frau und seinen vier Kindern in der ostkongolesischen Stadt Bunia die Flucht ergriff. Er erinnert sich genau: "Die Kugeln pfiffen über unsere Köpfe hinweg. Es goss in Strömen und wir hatten Hunger." Damals herrschte Krieg im Bezirk Ituri im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Milizen verschiedener Volksgruppen gingen auf die Bevölkerung los, Menschenrechtsorganisationen warnten vor einem Völkermord. Kitambala und seine Familie entkamen nur knapp. "Wir haben gesehen, wie die Kriegstreiber einen Menschen mit einem Messer umbrachten", sagt er. "Das erleben zu müssen, war sehr schwer."
Am 07.03.2014, rund elf Jahre nach den Gräueltaten, fällte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag sein Urteil über Milizenführer Germain Katanga. Das Gericht befand Katanga für schuldig, mit seiner Rebellengruppe "Kräfte des patriotischen Widerstands in Ituri" (FRPI) im Februar 2003 an einem Massaker in dem Dorf Bogoro beteiligt gewesen zu sein, keine 25 Kilometer von der Provinzhauptstadt Bunia entfernt. Es war die gleiche Miliz, vor deren Gewalttaten Monate später auch Kitambala die Flucht ergriff. Die Haager Richter verurteilten Katanga nun wegen Mordes, Angriffen auf die Zivilbevölkerung, Zerstörung und Plünderei. Katanga war auch wegen Vergewaltigung und sexueller Versklavung angeklagt. Doch in diesen Punkten konnten die Richter keine Schuld feststellen.
Schwere Vergehen - schlechte Beweislage
Das Urteil über Katanga ist erst der zweite Schuldspruch in der Geschichte des Weltstrafgerichts, das 2002 seine Arbeit aufnahm. Der Fall seines Mitangeklagten Mathieu Ngudjolo endete 2012 mit einem Freispruch. Géraldine Mattioli-Zeltner von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) erinnert im Gespräch mit der DW an Nachlässigkeiten, die die Richter damals erkannt hatten: "Die Ermittler waren nicht oft genug vor Ort. Manche Zeugenaussagen hätten sich anderenfalls leicht widerlegen lassen. Außerdem haben sie nicht mit Insidern der Milizen gesprochen." Auch, wenn die Beweislage jetzt für einen Schuldspruch über Katanga ausreichte: Mattioli-Zeltner bedauert, dass das Gericht den Ermittlungen in beiden Fällen nur das Massaker von Bogoro zugrunde gelegt hat. "Hätte der Chefankläger drei Massaker untersucht, wäre es leichter gewesen, die Rolle von Ngudjolo und Katanga und die systematische Gewalt gegen die Zivilbevölkerung nachzuweisen."
Der Konflikt hatte im ländlichen Raum begonnen, als Landwirte der Volksgruppe der Lendu mit Viehzüchtern der Hema-Volksgruppe in Streit über Land gerieten. Später weitete er sich zum ethnischen Konflikt aus und wurde zunehmend zum politischen Instrument verschiedener Interessengruppen. Germain Katangas FRPI war eine bewaffnete Gruppe des kleinen Volkes der Ngiti, die Teil einer Lendu-Milizenkoalition war. Der Widerstand in der Lendu-Bevölkerung bekam aber erst spät feste Strukturen. Deshalb war es schwer, festzustellen, ob Katanga zum Zeitpunkt des Massakers bereits offiziell einer der Anführer war - und ihn dafür zu verurteilen.
Lokale Konflikte - internationale Verstrickungen
Ein deutliches Signal gegen Straffreiheit setzte der Internationale Strafgerichtshof bereits im Juli 2012. Damals wurde der Hema-Rebellenführer Thomas Lubanga zu 14 Jahren Haft verurteilt. Der Tatbestand: Systematische Rekrutierung von Kindersoldaten. Auch wenn nun mit Katanga ein Vertreter der Gegenseite verurteilt wurde: Der IStGH beschränkt sich damit auf die lokalen Milizionäre. Dabei hatte der ethnische Konflikt schnell eine politische Dimension bekommen. Ugandische Truppen unterstützten zeitweise die Lendu-Milizen, Lubanga soll Rückendeckung aus Ruanda erhalten haben.
Der Internationale Strafgerichtshof befasst sich inzwischen mit Konflikten in acht Ländern. Daher könne sich Chefanklägerin Fatou Bensouda in Zukunft nicht mehr auf die lokale Ebene konzentrieren, glaubt Menschenrechtlerin Mattioli-Zeltner von HRW. "Wir wünschen uns, dass das Gericht die bewaffneten Konflikte weiter erforscht. Es sollte vor allem untersuchen, wer die Milizen bewaffnet und finanziert." So hätte der Fall Ngudjolo bereits Hinweise für die Beteiligung wichtiger Beamter aus Politik und Militär gegeben - auf kongolesischer und ugandischer Seite.
Charles Kitambala, der mit seiner Familie nur knapp dem Massaker entkam, hat nur einen Wunsch für die Zukunft - dass sich die Geschichte nicht wiederholt: "Hema und Lendu sollen friedlich miteinander leben können, auch die Ruander mit den Ugandern und den Kongolesen. Diese gegenseitige Diskriminierung bringt unsere Länder nicht weiter."