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Warlord Ntaganda in Den Haag vor Gericht

Philipp Sandner10. Februar 2014

Der einst mächtige kongolesische Kriegsfürst Bosco Ntaganda muss sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten. Ihm werden schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.

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Bosco Ntaganda (Foto: Congo. REUTERS/Peter Dejong/Pool)
Bild: Reuters

In der Demokratischen Republik Kongo nannten sie ihn den "Terminator". Nun muss Bosco Ntaganda, der es gewohnt ist, Befehle zu geben, in Den Haag die Anklagebank drücken. Zunächst geht es im Vorprozess ab Montag (10.02.2014) nur darum, die Anklage zu bestätigen. Unter Ntagandas Regie hätten seine Milizen unschuldige Zivilisten "anhand ethnischer Kriterien verfolgt", erklärte die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs, Fatou Bensouda. Sie und Verteidiger Marc Desalliers präsentieren bis Freitag ihre Argumente. Eine Entscheidung, ob die Beweise für einen Kriegsverbrecherprozess ausreichen, wird binnen 60 Tagen erwartet.

Die Abläufe am IStGH sind langwierig: Bis der Prozess gegen Ntaganda offiziell eröffnet wird, werden wohl noch einige Monate vergehen. Die Anklagepunkte gegen den kongolesischen Milizionär, der ursprünglich aus Ruanda stammt, beziehen sich auf einen Zeitraum, der lange zurück liegt: Zwischen 2002 und 2003 soll der damalige militärische Chef der Union kongolesischer Patrioten (UPC) unter dem bereits verurteilten Rebellenchef Thomas Lubanga schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortet haben. Die Liste reicht von Plünderei und Verfolgung über die Rekrutierung von Kindersoldaten bis hin zu Vergewaltigung und Mord.

Am 18. März 2013 hatte sich Ntaganda überraschend in der amerikanischen Botschaft in Ruanda gestellt und war von dort nach Den Haag überstellt worden. Seit 2006 hatte das Gericht ihn per internationalen Haftbefehl gesucht. Es war das Ende einer langen Karriere im Kongo, in deren Verlauf er zahlreiche Rebellenformationen durchlaufen hatte. Zuletzt soll er in der Bewegung des 23. März (M23), die 2012 Teile der Provinz Nord-Kivu eroberte, viele Fäden in der Hand gehabt haben. Untersuchungen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) zufolge war es Ntaganda, der die Miliz ins Leben rief. "In der Öffentlichkeit trat Sultani Makenga als Führer der Gruppe auf", sagt die Kongo-Expertin von HRW Ida Sawyer der Deutschen Welle. Aber das liege vermutlich am Haftbefehl, der gegen Ntaganda vorlag. "Daher wollten sie ihn nicht als öffentliches Gesicht der Bewegung einsetzen."

UN-Einsatz im Kongo 2003 (Foto:Karel Prinsloo/AP/dapd)
Auch viele Kindersoldaten standen unter Ntagandas KommandoBild: AP

Weggefährte von Ruandas Präsidenten

Bei Machtkämpfen innerhalb der Miliz unterlagen Ntaganda und seine Unterstützer Anfang 2013 der Rebellenfraktion um Makenga. In der Folge flohen viele von ihnen nach Ruanda - so auch Ntaganda. Dass er sich dann in der amerikanischen Botschaft stellte, sei wohl ein Zeichen, dass er um sein Leben fürchtete, sagt Sawyer. Offenbar fühlte sich der gebürtige Ruander auch im Land seiner Kindheit nicht mehr sicher. Dabei war er ein ehemaliger Weggefährte von Ruandas Präsident Paul Kagame. "Ntaganda gehört zu den Rebellen, die alle Kriege mitgemacht haben", sagt der Bayreuther Konfliktforscher Martin Doevenspeck.

Geboren 1973, floh der ruandische Tutsi Ntaganda in jungen Jahren vor Übergriffen der Hutu-Bevölkerung in den Kongo, damals Zaire. In den 1990er Jahren schloss sich Ntaganda den Rebellen der Ruandischen Patriotischen Front (RPF) unter der Führung von Paul Kagame an. Es war die PRF, die 1994 den Völkermord an den ruandischen Tutsi beendete. Kagame ergriff die Macht und ist bis heute Präsident des Landes.

Paul Kagame (Foto: REUTERS/James Akena)
Ruandas Präsident Paul KagameBild: Reuters

Ntaganda zog es zurück in den Kongo. Er beteiligte sich am Sturz des zairischen Despoten Mobutu und übernahm danach immer wieder Posten in Rebellengruppen im Ostkongo. Durch die Kontrolle von Bergbaugebieten soll er sich dort beachtliche Reichtümer angehäuft haben.

Karte D R Kongo Bunagana
Zuletzt war Ntaganda in der kongolesischen Provinz Nord-Kivu aktivBild: DW

Zeugen dringen gesucht

Kongolesische Menschenrechtler hatten schon lange gefordert, Ntaganda nach Den Haag auszuliefern. So auch Mustafa Mwiti, ein Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen im Ostkongo. Für ihn ist klar, dass Ntaganda schwere Verbrechen vergangen hat - genug für eine hohe Haftstrafe. "Er wird nicht ungeschoren davon kommen, wenn die Opfer hingehen und gegen ihn aussagen", sagt er der DW. Eine wichtige Einschränkung: Das Ausbleiben der Zeugen ist ein chronisches Problem des Strafgerichtshofs. Ein weiterer mutmaßlicher kongolesischer Kriegsverbrecher, Mathieu Ngudjolo Chui, wurde 2012 mangels Beweisen freigelassen und gerade erklärte das Gericht im Fall des kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta, dass Kenias Regierung die Beweisaufnahme extrem behindere. Auch dieser Prozess droht zu platzen.

Das soll im Fall von Bosco Ntaganda besser laufen, hofft HRW-Expertin Ida Sawyer. "922 Opfer können an der Anhörung teilnehmen", sagt sie. Dazu gehörten ehemalige Kindersoldaten, die Ntaganda in der UPC beschäftigt haben soll, genauso wie Opfer von Angriffen der UPC und deren Angehörige. "Als Teilnehmer können sie nicht nur Zeugenaussagen machen, sondern auch ihre Sichtweisen und Bedenken äußern." Für die Konflikte in der Region habe der Fall seit Ntagandas Kapitulation aber nur noch Symbolcharakter, schätzt Konfliktforscher Doevenspeck. Nachdem internationale Truppen die M23-Rebellen aus dem Kongo vertrieben hätten, sei der Fall Ntaganda zur Nebensache geworden. Denn aktive Rebellengruppen gibt es im Kongo noch genug.