Was kostet der "harte Lockdown"?
14. Dezember 2020Corona bekämpfen, ohne der Wirtschaft so sehr zu schaden wie im Frühjahr - das war die Idee hinter dem seit Anfang November geltenden Lockdown light. Darunter litten vor allem Kulturbetriebe und die Gastronomie.
Ab Mittwoch ist das Land aber wieder da, wo es schon im März war: Der Lockdown ist wieder "hart", nur noch der Lebensmittelhandel und andere Geschäfte für den täglichen Bedarf dürfen öffnen, der Rest der Läden muss schließen.
"Dass viele Händler jetzt mitten im Weihnachtsgeschäft, der umsatzstärksten Zeit des Jahres, zusperren müssen, trifft die Branche und die Innenstädte hart", sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE).
"Bis zu 250.000 Jobs gefährdet"
Denn schon vorher liefen die Geschäfte schleppend. Im November lag das Umsatzminus in den Innenstädten im Schnitt bei 30 Prozent, im Dezember bisher bei rund 20 Prozent. Angesichts des Lockdowns ab Mittwoch rechnet der Verband nun mit einem Minus von 60 Prozent im Dezember.
In Kombination mit den ebenfalls schwierigen Vormonaten könnte der erneute Lockdown für viele Händler das Aus bedeuten. Laut HDE fürchten derzeit 55 Prozent der Innenstadthändler um ihre Existenz, im Bekleidungshandel sind es 65 Prozent.
Knapp 200.000 Handelsfirmen sind demnach vom Lockdown betroffen, 99 Prozent davon sind kleine und mittelständische Unternehmen. Der innerstädtische Einzelhandel steht für bis zu 600.000 Beschäftigte. "Bis zu 250.000 Jobs sind gefährdet", sagt HDE-Chef Genth. Der HDE fordert deshalb für den Dezember eine Gleichbehandlung mit der Gastronomie, der vom Staat bis zu drei Viertel des Umsatzes ersetzt werden.
Bei Ökonomen und Konjunkturforschern stößt der nun beschlossenen Lockdown auf geteiltes Echo. Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr, vermisst ein Gesamtkonzept der Politik. Es müsse endlich gelingen, besonders gefährdete Personen, etwa in Altersheimen, besser zu schützen. "Das Schließen der Einkaufsstraßen hilft diesen Personen überhaupt nicht", sagte Felbermayr der Tageszeitung "Die Welt".
Zuspruch der Maschinenbauer
Unterstützung für den nun verhängten Lockdown kommt dagegen vom Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA). Dort trage man mit Hygienekonzepten in der Produktion, Ausweitung von Homeoffice und auch verlängerten saisonalen Betriebsschließungen zum Kampf gegen Corona bei, ist aber froh, dass es nicht noch härter gekommen ist.
"Eine generelle Schließung der industriellen Produktion wäre der falsche Weg gewesen und würde erhebliche Folgeschäden für die Gesamtwirtschaft und Risiken für die Versorgungssicherheit mit sich bringen", sagte Verbandspräsident Karl Haeusgen.
Auch Clemens Fuest, der Präsident der Münchner Ifo-Instituts, begrüßt den nun beschlossenen Lockdown. "Es ist aus wirtschaftlicher Perspektive richtig, dass die Weihnachtsferien für einen harten Lockdown genutzt werden", so Fuest in der "Welt". "In dieser Zeit ist die Wirtschaftsaktivität ohnehin reduziert und es sind Ferien, so dass die Verluste an wirtschaftlicher Wertschöpfung und Ausbildung begrenzt sind."
Ohne den Lockdown würde "spätestens ab Mitte Januar ein noch härterer und längerer Shutdown nötig, der wesentlich höhere Kosten hätte", so Fuest.
Mehr Geld vom Staat
Wie hoch die Kosten der nun beschlossenen Einschränkungen sind, ist noch nicht genau auszumachen. Der Handelsverband beziffert das Umsatzminus im Dezember auf zwölf Milliarden Euro.
Hinzu kommen die Kosten der staatlichen Hilfen. Stand 8.12.2020 hat der Bund knapp 16 Milliarden Euro an direkten Zuschüssen gewährt, hinzu kommen Kapitalhilfen, Bürgschaften und Kredite (siehe Grafik).
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat für den Januar "sehr umfassende Überbrückungshilfen" angekündigt, bei denen der Staat bis zu 90 Prozent der Fixkosten geschlossener Unternehmen übernimmt. Die Obergrenze wurde auf 500.000 von zuvor 200.000 Euro angehoben.
Scholz rechnet mit Mehrkosten von 11,2 Milliarden Euro pro Monat. Das Geld sei im Haushalt allerdings schon berücksichtigt. Der gerade verabschiedete Bundeshaushalt sieht Coronahilfen in Höhe von fast 40 Milliarden Euro vor, außerdem einen Puffer von 35 Milliarden Euro.
Kurzarbeit wird wieder zunehmen
Auch der zu erwartende Anstieg der Kurzarbeit wird teuer. Jede Woche Lockdown wird voraussichtlich 3,5 Milliarden Euro kosten, sagt Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), der Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit. "Die Zahl der Kurzarbeiter wird wieder um etliche Hunderttausend steigen."
Nach einem Höchststand von rund sechs Millionen ist die Zahl der Kurzarbeiter auf zuletzt wieder 2,2 Millionen gesunken, so die Arbeitsagentur. Die Arbeitslosenquote lag im November bei 5,9 Prozent.
Unstrittig ist, dass die neuen Corona-Maßnahmen auch die Konjunktur eintrüben werden. "Alles in allem dürfte das Wirtschaftswachstum in Deutschland im vierten Quartal einen merklichen Dämpfer erhalten", heißt es im aktuellen Monatsbericht, den das Bundeswirtschaftsministerium am Montag veröffentlicht hat.
Einen Monat zuvor hatte das Ministerium noch etwas optimistischer geklungen. Solange es beim Teil-Lockdown bleibe, hießt es Mitte November, spreche "wenig dafür, dass der Aufholprozess im vierten Quartal insgesamt abbricht".
Dämpfer für die Erholung
Im dritten Quartal war die deutsche Wirtschaft gegenüber dem Vorquartal um 8,2 Prozent gewachsen, lag aber noch um 4,2 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Nun glauben viele Ökonomen, dass die Wirtschaftsleistung im laufenden vierten Quartal und auch im ersten Quartal 2021 schrumpfen wird. "Der Winter wird hart", sagte der Ökonom Volker Wieland, der als sogenannter Wirtschaftsweiser die Bundesregierung berät.
Und dass die bisher auf den 10. Januar terminierten Einschränkungen dann auch wieder vollständig gelockert werden, bezweifelt sogar die Bundesregierung. "Eine umfassende Lockerung halte ich für sehr, sehr unwahrscheinlich", sagte Kanzleramtsminister Helge Braun. Januar und Februar seien für Atemwegserkrankungen "schwierige Monate".