Der zweite Corona-Lockdown wird teuer
1. November 2020Der ab Montag geltende einmonatige Teil-Lockdown, mit dem der rasante Anstieg der Corona-Infektionen gebremst werden soll, kommt die deutsche Wirtschaft nach Berechnungen des DIW-Instituts teuer zu stehen. Er werde sie rund 19,3 Milliarden Euro kosten, ermittelte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für die "Welt am Sonntag". Mit Einbußen von 5,8 Milliarden Euro sind demnach Gastronomie und Hotels am härtesten betroffen. Das wäre ein Verlust von 55 Prozent der üblichen Wirtschaftsleistung in einem Vierteljahr.
Die Bereiche Sport, Kultur und Unterhaltung müssen ein Minus von 2,1 Milliarden Euro verkraften, der Handel von 1,3 Milliarden Euro. Die deutsche Industrie muss laut DIW mit einem Minus von 5,2 Milliarden Euro rechnen. Ein Großteil der übrigen Summe entfällt auf Unternehmensdienstleister, Logistikunternehmen und auch Kinobetreiber.
Auch auf dem Arbeitsmarkt dürfte der Lockdown ausstrahlen. Die Zahl der Beschäftigten wird nach der Prognose des DIW im laufenden vierten Quartal um knapp 100.000 sinken. Die Zahl der Kurzarbeiter werde bis Ende des Jahres um 400.000 auf 3,2 Millionen steigen.
Krankenhäuser vor dem Kollaps?
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans befürchtet, dass die Intensivkapazitäten in Krankenhäusern während der Corona-Pandemie nicht ausreichen. "Die Situation ist erschreckend und alarmierend: Schon bald kann es zu einem Kollaps in vielen der 1900 Krankenhäuser in Deutschland kommen", sagte der CDU-Politiker der "Bild am Sonntag". Gerade jetzt, wo in der zweiten Corona-Welle jeder Intensiv- und Beatmungsplatz dringend benötigt werde, würden Kliniken aus der Versorgung fallen, Stationen geschlossen und Notaufnahmen abgemeldet, weil Pflegepersonal fehle oder erkrankt sei. Hans forderte aufgrund der Situation einen Rettungsschirm für die Kliniken: "Sie brauchen dringend Unterstützung. Neben dem Personalengpass droht den Krankenhäusern der finanzielle Kollaps."
Situation in Krankenhäusern dramatischer als im Frühjahr
Auch der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Uwe Janssens, warnt: "Es ist in einigen Bundesländern nicht mehr viel Spielraum. Berlin hat nur noch 14 Prozent freie Intensivbetten, Bremen 17 Prozent." Dies liege auch daran, "dass viele Kliniken immer noch ihr Routineprogramm durchführen", sagte Janssens der "Bild am Sonntag". Als Beispiele nannte er Magen-Bypässe und Gelenk-Operationen. Mit Blick auf die Lage zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr sagte der Mediziner: "Damals war die Situation übrigens viel weniger dramatisch als das, was jetzt auf uns zukommt."
Außenminister Heiko Maas verteidigte die von Montag an geltenden neuerlichen Einschränkungen als notwendig. "Uns steht ein harter Winter bevor", sagte der SPD-Politiker dem "Tagesspiegel am Sonntag", auch wenn die Lage in Deutschland zwar "angespannt", aber besser als in einigen anderen Ländern sei. Grenzschließungen als Teil der Corona-Maßnahmen schloss Maas aus: "Die Grenzen werden offenbleiben." Man habe im Frühjahr genügend Erfahrungen gemacht, wie man Kontrollen organisiere, falls sie notwendig würden.
RKI meldet mehr als 14.000 neue Corona-Fälle
In den vergangenen 24 Stunden wurden dem Robert Koch-Institut (RKI) 14.177 Neuinfektionen mit dem Coronavirus gemeldet. An Wochenenden sind die veröffentlichten Zahlen in der Regel niedriger als an Arbeitstagen, da sich weniger Menschen testen lassen und nicht alle Gesundheitsämter ihre Daten übermitteln. Am Freitag lag die Zahl der neuen Fälle bei über 19.000.
Nach Angaben des RKI gab es 29 weitere Todesfälle im Zusammenhang mit dem Erreger SARS-CoV-2. Die Gesamtzahl der Toten steigt damit auf 10.481. 1.944 Corona-Patienten liegen laut RKI-Lagebericht von gestern auf der Intensivstation, davon werden 1.004 invasiv beatmet.
Aufgrund der steigenden Fallzahlen hatten sich in der vergangenen Woche die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Bundesländer darauf geeinigt, die Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus wieder drastisch zu verschärfen. Die neuen Regelungen treten am 2. November in Kraft.
Es gelten dann massive Kontaktbeschränkungen in privaten Räumen und in der Öffentlichkeit, um die rasche Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen. Ab Montag müssen Gastronomie, Hotels sowie Freizeit-, Kultur- und Sporteinrichtungen schließen. Der Handel sowie Schulen und Kitas sollen geöffnet bleiben.
qu/se (rtr, dpa, afp)