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Vestager erhöht Druck auf Facebook

28. Oktober 2021

Die Enthüllungen einer Whistleblowerin und der Ausfall seiner Dienste haben das US-Unternehmen Facebook in Erklärungsnot gebracht. Im DW-Gespräch forderte die Vize-Präsidentin der EU-Kommission nun mehr Regulierung.

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Facebook
Bild: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

Wie kann Facebook, das meistgenutzte Soziale Netzwerk der Welt, besser reguliert werden? Nach der Veröffentlichung tausender interner Dokumente, die eine ehemalige Mitarbeiterin Journalisten und Politikern zugespielt hat, wird diese Frage so laut gestellt wie selten zuvor. Es ist kein leichtes Jahr für das US-Unternehmen aus dem Silicon Valley, das sich zum 1. Dezember in "Meta" umbenennt.

Die geleakten Dokumente - von Forschungspapieren bis hin zu Diskussionsbeiträgen in einem Mitarbeiternetzwerk - zeichnen das Bild eines Unternehmens, das Wachstum an erste Stelle stellt. Und das zu wenig tut, um die Verbreitung von Unwahrheiten, Hass und Hetze auf seinen Plattformen zu stoppen.

"Mit Macht kommt Verantwortung"

Die Enthüllungen haben der Forderung neuen Auftrieb verliehen, die Macht der weltgrößten Technologieunternehmen zu zügeln. Sie machten deutlich, dass eine strengere Regulierung notwendig sei, sagt etwa die für Digitales zuständige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Margrethe Vestager.

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Vize-Kommissionspräsidentin Margrethe Vestager ist für digitale Fragen bei der EU-Kommission zuständigBild: Monasse T/Andia.fr /imago images

Im Gespräch mit der DW betont Vestager: "Mit der Macht, die Facebook hat, kommt auch Verantwortung. Wir haben es mit jemandem zu tun, der einen immensen Einfluss sowohl auf die psychische Gesundheit als auch auf die Entwicklung unserer Demokratie haben kann."

Anschuldigungen "einfach nicht wahr"

Die von der Whistleblowerin Frances Haugen, die das Unternehmen im Mai verließ, enthüllten Dokumente bieten beispiellose Einblicke ins Innenleben von Facebook. Sie legen nahe, dass Warnungen bezüglich Facebooks Technologie innerhalb des Unternehmens wiederholt auf taube Ohren stießen.

"Die Unternehmensführung könnte Facebook und Instagram sicherer machen, aber sie sträubt sich dagegen, notwendige Änderungen vorzunehmen, weil ihr astronomische Gewinne wichtiger sind als Menschen", sagte Haugen während einer Anhörung vor dem US-Kongress Anfang Oktober.

Frances Haugen Facebook-Whistleblowerin
Die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen bei ihrer Aussage vor dem US-SenatBild: Drew Angerer/Consolidated News Photos/Pool via AP/picture alliance

Facebook hat die Anschuldigungen zurückgewiesen und verweist auf Zehntausende von Mitarbeitern, die an der Sicherheit seiner Dienste arbeiteten. "Der Kern dieser Anschuldigungen ist die Idee, dass wir dem Profit Vorrang vor der Sicherheit und dem Wohlergehen einräumen", schrieb Facebook-Chef Mark Zuckerberg in einer auf seiner Plattform veröffentlichten Erklärung. "Das ist einfach nicht wahr."

Ein Wendepunkt?

Für Politiker und Politikerinnen auf beiden Seiten des Atlantiks dagegen stellte die Veröffentlichung der Dokumente einen Wendepunkt dar. "Die Zeit zum Handeln ist gekommen - und [Haugen ist] der Katalysator, der uns dieses Handeln ermöglicht", sagte die demokratische Senatorin Amy Klobuchar während der Anhörung vor dem US-Kongress.

Alexandra Geese, die für die Grünen im Europaparlament sitzt und dort zuständig ist für Verhandlungen über neue EU-weite Regeln für Internet-Plattformen, schließt sich dieser Forderung an. Die EU arbeitet derzeit an zwei Gesetzespaketen, mit denen sie sowohl die Marktmacht von Big Tech eindämmen als auch die Unternehmen besser in die Verantwortung nehmen möchte, was auf ihren Plattformen geschieht.

Wie Facebook die Algorithmus-Forschung blockiert

Haugens Enthüllungen hätten einen Prozess in Gang gesetzt und würden "es europäischen Gesetzgebern ermöglichen, noch ehrgeizigere Regeln aufzustellen", sagte Geese der DW.

Infografik Facebook Users worldwide DE

Facebooks Marktmacht

Der durch seine Plattformen mutmaßlich verursachte Schaden ist nur ein Grund, warum Facebook unter Beschuss steht. Hinzu kommt ein zweiter Grund: die ständig wachsende Marktmacht des Unternehmens.

In weniger als zwei Jahrzehnten ist Facebook von einem kleinen Startup zu einem der mächtigsten Konzerne der Welt herangewachsen. Überall auf der Welt verlassen Menschen sich heute auf seine Technologie, um miteinander zu kommunizieren, zu arbeiten oder sich über das Weltgeschehen zu informieren.

Deshalb machte es Schlagzeilen als Anfang Oktober plötzlich Milliarden von Nutzern keinen Zugang zu Facebooks Plattform, seinem Messenger-Dienst WhatsApp sowie zu Instagram mehr hatten.

Nach sechs Stunden waren die Dienste allmählich wieder erreichbar. Doch der Schaden war angerichtet: Manche Unternehmen konnten über Stunden hinweg nicht mit ihren Kunden kommunizieren. Medienorganisationen waren nicht in der Lage, Inhalte zu veröffentlichen.

Und viele Nutzer im globalen Süden, wo die Menschen häufig Facebooks App verwenden um über ihr Telefon im Netz zu surfen, waren de-facto vom Internet abgeschnitten.

Facebook: Das Imperium schlägt zurück

"Viele Länder in Lateinamerika und Asien sind noch abhängiger von Facebook als wir im globalen Norden es schon sind", sagt Tyson Barker, Leiter des Programms Technologie und Außenpolitik der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. "Gleichzeitig befinden sie sich in einer viel schlechteren Verhandlungsposition gegenüber Facebook."

Deshalb sollten die EU und die USA die Führung übernehmen und Tech-Giganten wie Facebook dazu zwingen, ihre Dienste so aufzustellen, dass sie im Falle eines Ausfalls unabhängig funktionieren, so Barker.

Wie geht es weiter?

Ob solche oder ähnliche Regulierungen kommen werden, ist jedoch alles andere als sicher. "Die jüngsten Vorfälle könnten der Ausgangspunkt für strikte Regulierung sein", sagt Julian Jaursch von der Stiftung "Neue Verantwortung". So hätten die Enthüllungen über globale Überwachung durch Whistleblower Edward Snowden im Jahr 2013 beispielsweise eine Debatte ausgelöst, die schließlich zu strengeren Datenschutzgesetzen auf der ganzen Welt führte.

"Es könnte aber auch komplett in die andere Richtung gehen, und nichts ändert sich wesentlich", sagt Jaursch. Enthüllungen im Jahr 2018, die zeigten, wie die Beratungsfirma Cambridge Analytica die Daten von Facebook-Nutzern ausgewertet hatte um Wahlen zu beeinflussen, hatten weltweit für Empörung gesorgt - "aber führten zu keiner nachhaltigen, dauerhaften Veränderung", so Jaursch.

Dieser Artikel wurde am 6.10.2021 erstmals veröffentlicht und am 28.10.2021 aktualisiert. 

Kommentarbild Janosch Delcker
Janosch Delcker Chefkorrespondent für Technologie