Facebook: Auch deutsche User ausgespäht
26. März 2018Am Freitag hatte der Bundestags-Ausschuss "Digitale Agenda" Vertreter von Facebook geladen. Das Treffen war aus Sicht der Parlamentarier jedoch enttäuschend verlaufen. Es sei nur vorgelesen worden, "was in den Pressetexten steht", sagte der CDU-Politiker Thomas Jarzombek nach dem Treffen. Er sprach von einer "Minimalstrategie". Facebook beharrt auf dem Standpunkt, zwar Fehler gemacht, nicht aber gegen Gesetze verstoßen zu haben. Ein Großteil der Fragen sei nicht beantwortet worden, teilte Jarzombek nach dem Treffen mit.
Um den Druck auf Facebook zu erhöhen, fand am Montag im Bundesjustizministerium ein weiteres Treffen mit Facebook-Vertretern statt. Dieses Mal von der Regierung initiiert. Nach ihrem Treffen - unter anderem mit Facebooks Chef-Lobbyist Sir Richard Allan - trat die frisch ins Amt gekommene Justizministerin Katarina Barley in Berlin vor die Presse, ohne einen Vertreter von Facebook an ihrer Seite. Denn die hatten das Haus schon vorher verlassen.
Wie viele Deutsche sind betroffen?
Was beim Treffen am Freitag noch unbeantwortet geblieben war, wollte Barley nun nicht unbeantwortet lassen. Nämlich die Frage, wie viele deutsche Staatsbürger betroffen waren. Doch die Bundesministerin erhielt auch nur eine grobe Schätzung von Facebook: Rund 3000 Personen - ein Prozent der insgesamt fast 300.000 Nutzer - hätten in Europa die App heruntergeladen, mit der die Daten erzeugt wurden, die dann an die Firma Cambridge Analytica (CA) verkauft wurden. Darunter sei "ein gewisser Prozentsatz in Deutschland", sagte Barley. Genauere Zahlen würden dieser Tage von Facebook geklärt und dann nachgereicht. Die Opfer würden informiert, das habe Facebook zugesagt.
Allerdings hatte CA auch auf die Daten der Freunde der 300.000 Nutzer zugegriffen. So entstand die große Zahl von 50 Millionen Nutzer-Daten. Wie viele Deutsche nun wiederum darunter seien, sagte Facebook nicht, wie Barley einräumen musste. Zuvor müsse Facebook noch "weitere Untersuchungen" machen. Aber Deutschland bestehe auf eine unmittelbare Information. Auf die Frage, warum Facebook erst auf öffentlichen Druck hin überhaupt informiere, habe die Firma eingestanden, die Priorität darauf gesetzt zu haben, die Schwachpunkte zu beheben. Aber nachher sei man immer schlauer.
Facebook bleibt vage
Die Beschreibung des Schadens ist eine Sache, was daraus folgt, ist eine andere. Vor dem Treffen hatte Barley gesagt, sie wolle erfahren, was Facebook vorhabe, um solch einen Datenabfluss in Zukunft zu verhindern. "Grenzen gegenüber der Marktmacht von solchen Unternehmen dürfen wir nicht akzeptieren", sagte die Ministerin am Sonntag in einem TV-Interview. Schließlich ginge es um eine Bedrohung von "Demokratie und Rechtsstaatlichkeit". Doch der Umgang mit US-Datenimperien wie Facebook ist nicht einfach, das weiß auch die SPD-Politikerin.
Nach dem Treffen erklärte Barley nun, Facebook habe Verstöße und Versäumnisse eingeräumt und die Zusicherung gegeben, dass das nicht wieder geschehen werde. Weil nämlich in der Vergangenheit schon Gegenmaßnahmen eingeleitet worden seien.
Doch Versprechen seien ihr nicht genug. Man werde Verstöße strenger ahnden und unabhängige Überprüfer einschalten.
So ganz einfach ist das allerdings nicht, denn die Hoheit beim Thema Datenschutz liegt mittlerweile auf der Ebene der EU-Kommission. In wenigen Wochen tritt die neue EU-Datenschutzverordnung in Kraft. Danach müssen Daten-Unternehmen Auskunft geben, was sie von einem Nutzer speichern. Es drohen bei Verstößen Strafen in Höhe von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens. Schlechte Nachrichten in diesem Zusammenhang kamen am Montag für Facebook auch aus Washington. Die US-Verbraucherschutzbehörde FTC will die Datenschutzregeln von Facebook überprüfen. Möglicherweise droht dem Unternehmen auch hier eine Milliardenstrafe. Sein Chef Mark Zuckerberg soll im Zuge des Datenskandals vor dem Justizausschuss des US-Senats aussagen.
Wie viel Transparenz ist möglich?
In noch einem anderen Punkt habe Facebook zumindest Gesprächsbereitschaft signalisiert, so Ministerin Barley. Nämlich bei der Frage der Transparenz von Algorithmen. Allerdings war die Aussage schon ziemlich schwammig, die Barley zitierte. Sie sprach von "wohlwollender Prüfung", die Facebook zugesagt habe.
Barley gab zu, dass die "intensive Diskussion" in diesem Punkt "kontrovers" verlaufen sei und dass konkrete Zusagen in diesem Punkt wohl schwierig seien. Weil Algorithmen schließlich Geschäftsgeheimnisse seien und den Kern des Geschäfts ausmachten. Trotzdem sprach Barley von Modellen, die beidem - also dem Geschäft und der Transparenz - Rechnung tragen könnten.
Die Ministerin wurde auch danach gefragt, wie sie es selbst mit Facebook halte. Sie schätze den Dienst, privat und professionell, sagte Barley. Die Grenze sei erreicht, wenn Missbrauch betrieben werde. Sie hoffe, dass die vielen aktuellen Proteste gegen Facebook dem Unternehmen klar machten, dass Vertrauen die wichtigste Währung für sie sei. Wenn der User das Vertrauen verliere, entfalle die Basis.
Seit einer Woche viele Schlagzeilen
In der deutschsprachigen Öffentlichkeit ist die Facebook-Affäre seit Bekanntwerden vor rund eine Woche ein Schlagzeilen-Macher. "Jede Würstchenbude in Deutschland wird besser kontrolliert als ein Unternehmen wie Facebook", echauffierte sich der Grünen-Netzpolitiker Konstantin von Notz in einem TV-Interview.
Doch es gibt auch Stimmen, die für einen kühlen Kopf plädieren. Dass die Firma Cambridge Analytica politisch Einfluss nehme, sei schon länger bekannt gewesen, twitterte die grüne Netzpolitikerin Renate Künast.
"Nur Naive können von einer Vertrauenskrise sprechen", schrieb die "Neue Zürcher Zeitung". Denn schließlich beruhe das Geschäftsmodell von Facebook auf dem Sammeln und Verkaufen von Daten.
Das Geschäftsmodell von CA ist es, über so große Datensammlungen personalisierten digitalen Wahlkampf zu ermöglichen, sogenanntes Micro-Targeting. Da der Ex-Berater von Donald Trump, Steve Bannon, an der Firma beteiligt war, vermuten viele, dass der letzte US-Präsidentschaftswahlkampf davon geprägt war. Doch auch die Demokraten machen davon Gebrauch. Schon Barack Obama setzte auf Micro-Targeting. Ob es auch in Deutschland entsprechende Daten-Unternehmen wie CA gibt, wurde noch nicht groß debattiert. Doch Micro-Targeting ist auch in Deutschland und bei deutschen Parteien kein Fremdwort.