"César"-Verleihung wird zum Politikum
13. März 2021Als die Schauspielerin Corinne Masiero den "César" für das beste Kostüm verleihen sollte, nutzte sie die Bühne in der berühmten Konzerthalle Olympia für einen spektakulären Protest: Sie entledigte sich eines blutrot getränkten Kleides und präsentierte auf ihrem nackten Körper den Protest-Slogan "Keine Kultur - keine Zukunft". Auf ihrem Rücken prangte die Forderung an Premierminister Jean Castex: "Gib uns die Kunst zurück, Jean!" Mit dieser Aktion wollte sie die ihre Kritik an den von der französischen Regierung verhängten monatelangen Schließungen von Kultureinrichtungen wie Museen, Theatern und Kinos zum Ausdruck bringen.
Kritik an der Kulturministerin
Die Politik-kritische Stimmung zog sich durch den ganzen Abend. Schon in ihrem Eröffnungsmonolog hatte Moderatorin Marina Fois die französische Kulturministerin Roselyne Bachelot scharf attackiert und gespottet: "Es ist nicht so, dass die Ministerin in der Corona-Krise nichts getan hätte: Madame Bachelot, Sie haben ein Buch mit dem Rezept für Pasta und Gorgonzola veröffentlicht". Anschließend fuhr sie mit Blick auf die Beschränkungen in der Pandemie resigniert fort: "Was wir vermissen, vereint uns: die Emotionen, die wir zusammen erleben."
Preise wurden bei der 46. Auflage des Filmpreises übrigens auch verliehen, wenn auch ohne Publikum. Im Saal nahmen nur die Preisträger und die Nominierten an der Zeremonie teil.
Sechs Césars für "Adieu les cons"
Der Gewinner des Abends war der Film "Adieu les cons" ("Auf Wiedersehen, ihr Idioten") von Albert Dupontel. Die Tragikomödie gewann den César in sechs Kategorien - unter anderem als bester Film, für die beste Regie und das beste Original-Drehbuch. Der 57 Jahre alte Filmemacher, der bei der Preisverleihung nicht persönlich anwesend war, erzählt darin die Geschichte einer schwer kranken Frau, die sich im Alter von 43 Jahren auf die Suche nach ihrer Tochter macht, die sie als 15-Jährige unter dem Druck ihrer Eltern zur Adoption freigeben musste. "Adieu les cons" war kurz vor der Corona-bedingten Schließung der Kultureinrichtungen Ende Oktober in die französischen Kinos gekommen und lockte in nur zehn Tagen über 700.000 Zuschauer vor die Leinwand.
Laure Calamy wurde für die beste weibliche Hauptrolle in der Komödie "Mein Liebhaber, der Esel und Ich" ausgezeichnet. Den César für den besten Hauptdarsteller bekam Sami Bouajila für seine Rolle im Filmdrama "Ein Sohn". Der Dokumentarfilm "Jugend" von Sebastien Lifshitz wurde mit drei Preisen gewürdigt. Für die Langzeitdokumentation begleitete der Regisseur fünf Jahre lang zwei Freundinnen – von deren 13. bis zum 18. Lebensjahr. Der erstmals vergebene Jubiläumspreis ging an die Comedy-Gruppe "Le Splendid", der Ehrenpreis posthum an den verstorbenen Schauspieler und Drehbuchautor Jean-Pierre Bacri.
Als bester Auslandsfilm wurde "Der Rausch" des dänischen Regisseurs Thomas Vinterberg ausgezeichnet. Das Drama erzählt die Geschichte von vier befreundeten Lehrern, die gemeinsam ein Trinkexperiment starten. Die dänisch-niederländische Sozialsatire war bereits der große Gewinner beim Europäischen Filmpreis und hatte in den vier Kategorien bester Film, beste Regie, bestes Drehbuch und bester Hauptdarsteller (Mads Mikkelsen) gewonnen. Auch in die Oscar-Vorauswahl für den besten internationalen Film hat es "Der Rausch" geschafft.
Schatten der Vergangenheit
Die diesjährige Verleihung fand unter einer erneuerten Führung der Académie des César statt. Der Streit um die Vergabe des Preises für die beste Regie an Roman Polanski für den Film "Intrige" im vergangenen Jahr hatte die Institution in eine Krise gestürzt. Dem im US-amerikanischen Exil lebenden Polanski wird mehrfacher sexueller Missbrauch und die Vergewaltigung einer 13-Jährigen vorgeworfen. Im vorigen Jahr war es vor dem Veranstaltungsort zu heftigen Ausschreitungen von Demonstranten gekommen, die von der Polizei mit Tränengas aufgelöst wurden. Zahlreiche Darsteller hatten die Preisverleihung aus Protest verlassen. In der Folge war die komplette Führung der César-Akademie zurückgetreten.
Der César ist Frankreichs nationaler Filmpreis, benannt nach dem Bildhauer César Baldaccini. Er gilt auch als "französischer Oscar" und wird seit 1976 verliehen.
mak/bru (dpa, afp)