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Film

Roman Polanski aus César-Akademie ausgeschlossen

Matthias Beckonert
13. November 2020

Seit Jahren steht die französische Filmakademie in den Schlagzeilen - allerdings nicht wegen ihres Filmpreises. Nun muss Regisseur Roman Polanski weichen.

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Der polnisch-französische Regisseur Roman Polanski mit dem César-Preis in der Hand
Umstrittener César-Preisträger: Regisseur Roman PolanskiBild: REUTERS/Regis Duvignau

Es soll der Schlussstrich unter einer anhaltenden Geschichte von Empörung und Skandalen sein: Die Académie des Arts et Techniques du Cinéma, die mit dem César den höchsten französischen Filmpreis vergibt, hat den umstrittenen Star-Regisseur Roman Polanski aus ihrer Organisation ausgeschlossen.

Der Ausschluss war offiziell die Folge einer Umstrukturierung der Akademie: Neben dem polnisch-französischen Filmemacher Polanski mussten auch die 17 anderen "membres de droit" - grob vergleichbar mit Ehrenmitgliedern - die Akademie verlassen, so dass jetzt alle 164 Mitglieder der Generalversammlung gewählt werden. Mit diesem Schritt habe man das "primäre Ziel der Sanierung" erreicht, schreibt die Akademie auf ihrer Internetseite, die Führung sei von nun an paritätisch besetzt und demokratisch legitimiert.

Erneuerung ging öffentlicher Streit voraus

Der Moderator Dany Boon bei der César-Preisverleihung 2015
Der César versteht sich als französisches Pendant zu den Oscar-Verleihungen. Der französische Schauspieler Dany Boon gab bei der Preisverleihung 2015 den ModeratorBild: picture-alliance/dpa

Eigentlich ist der Zweck der César-Akademie die Kunst. Während die Generalversammlung für die Organisation verantwortlich ist, wählen alle Mitglieder der Akademie - in Frankreich sind das 4680 Filmschaffende - jeweils ihre Favoriten in den verschiedenen Preis-Kategorien. Insofern kommt der Spitzname der "französischen Oscars" nicht von ungefähr. Im Februar findet alljährlich die glamouröse Preisverleihung in Paris statt, mit allem, was dazugehört: Schaulaufen der Stars, Filmvorführungen, emotionale Dankesreden. In den vergangenen Jahren allerdings drehten sich die Schlagzeilen um den César weniger um Filmkunst als vielmehr um die Akademie selbst.

Spricht die Akademie nun also von einer Sanierung, muss das im Zusammenhang mit genau diesem monatelangen und öffentlich ausgetragenen Streit gesehen werden. Dabei ging es zwar auch - wie die zitierte Mitteilung der Akademie vor allem vermuten lässt - um die Zusammensetzung und das Mitspracherecht der einfachen Mitglieder. Zentraler Aufhänger und Kritikpunkt war aber etwas ganz anderes: der Umgang der Akademie mit Roman Polanski.

Roman Polanski und Scarlett Johansson als Preisträger bei der 39. Verleihung des französischen Filmpreises "César" (Foto: dpa)
Regisseur Roman Polanski und Schauspielerin Scarlett Johansson, die 2014 beide einen César gewannenBild: picture-alliance/dpa

Dem 87-jährigen Regisseur wird Vergewaltigung in mehreren Fällen vorgeworfen. Das hinderte die Akademie jedoch nicht daran, dem Filmemacher 2017 den Vorsitz der Jury anzutragen. Nach heftiger Kritik an dieser Entscheidung verzichtete Polanski.

Vorwürfe und kollektiver Rücktritt

Auch drei Jahre später stand der Regisseur im Zentrum gleich mehrerer Eklats: Sein Historiendrama "J'accuse" (deutscher Titel: "Intrige") war in zwölf von 22 Kategorien nominiert worden. Hatte der Film schon beim Kinostart für landesweite Proteste gegen den Regisseur geführt, forderten wenige Wochen vor der Verleihung im Februar 2020 rund 400 Mitglieder der Akademie in einem offenen Brief in der Zeitung "Le Monde" "tiefgreifende Reformen der Führungsstrukturen". Der Vorwurf der Mitglieder: Die Führung der Akademie sei verkrustet, arbeite intransparent, undemokratisch und dysfunktional.

Der Vorstand der Filmakademie reagierte und trat kollektiv zurück. Dessen ungeachtet gewann "J'accuse" dann nicht nur die Kategorien "Bestes adaptiertes Drehbuch" und "Beste Kostüme", ausgerechnet Roman Polanski erhielt auch den César für die "Beste Regie". Gäste und Nominierte verließen empört die Gala, die Moderatorin Florence Foresti weigerte sich, Polanskis Namen auch nur auszusprechen.

Anti-Polanski Protest vor der Verleihung des César-Awards
Die Mehrfach-Nominierung von Polanskis Historiendrama "J'accuse" sorgte in Frankreich landesweit für ProtesteBild: picture-alliance/Zuma/J. Mattia

Akademie: "keine moralische Instanz"

Insofern kann der Schritt der Akademie als ein symbolischer betrachtet werden. Indem die Riege der Ehrenmitglieder aufgelöst wird, die Polanski zum Teil der Akademie machte, schlägt sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Der umstrittene Polanski wird ausgeschlossen, und die Akademie kann damit das Versprechen gegenüber ihren Mitgliedern unterstreichen, sich gerechter und transparenter aufzustellen.

Auf der anderen Seite entzieht sich die Akademie damit einer klaren Stellungnahme zu Polanski - und dem eigenen Umgang mit dem umstrittenen Regisseur. "Wir sind keine moralische Instanz", rechtfertigte der César-Präsident Alain Terzian Polanski noch Anfang 2020, also vor dem kollektiven Rücktritt und auch vor der erneuten Ehrung Polanskis für seine Regie-Arbeit.

Prominente Bauernopfer

Dieses Selbstverständnis spiegelt sich auch in der Pressemitteilung zur angestrebten Umstrukturierung der Akademie: Roman Polanski - obgleich zentrale Figur der Kritik - wird darin mit keinem Wort erwähnt. 

Gleichzeitig müssen Produzenten und Regisseure wie Costa-Gavras ("Der Stellvertreter"), Régis Wargnier ("Indochine") und Thomas Langmann ("The Artist"), die für ihre Leistungen ebenfalls zu "membres des droit" ernannt worden waren, als Bauernopfer herhalten. Ob das ein geeignetes Fundament für eine nachhaltige Sanierung der César-Akademie bildet, und inwiefern die Umstrukturierung wirklich Veränderung mit sich bringt, steht in den Sternen.