Zum 85. Geburtstag von Roman Polanski
17. August 2018Immer wieder wird Roman Polanski von der Vergangenheit eingeholt. In jüngster Zeit vor allem, weil er 1977 einem minderjährigen Mädchen gegenüber sexuell übergriffig geworden ist. Fast ein wenig in den Hintergrund gerät deswegen die erste große Tragödie im Leben des Roman Polanski. Große Teile seiner Familie, darunter seine Mutter, wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Polanski selbst konnte den Nazis nur knapp entkommen. Das zweite große Unglück, das ihm widerfuhr, war der bestialische Mord an seiner damaligen hochschwangeren Ehefrau, der Schauspielerin Sharon Tate im Jahre 1969.
Ein Werk zwischen Leben und Kunst
Es ist also nicht ganz leicht, sich den Filmen des Regisseurs Roman Polanski anzunähern. Was bleibt also von dem Werk eines Mannes, dessen Leben eigentlich auch einem überaus dramatischen Film mit vielen Tragödien und Härten gleicht? Und: Kann man sich unvoreingenommen den künstlerischen Arbeiten eines Autors widmen, ohne immer wieder auf das Andere sprechen zu kommen, das Private, das selbst Erlebte, die eigene Geschichte? Eine ähnlich gelagerte Debatte wird ja gerade um Woody Allen geführt, über die Vorwürfe, er habe seine Stieftochter sexuell belästigt.
Über Roman Polanski ist viel geschrieben worden, über sein Leben und sein Werk, über seine polnische Herkunft, seine französische Heimat, sein Verhältnis zu Amerika. Natürlich auch über seine Filme. In Deutschland vor allem. Polanskis Familie wurde von Deutschen drangsaliert und zum Teil ausgelöscht. In den letzten Jahren hat der alternde Regisseur viel in Deutschland gedreht, hat seine Filme hierzulande koproduzieren lassen.
1984 blickte er schon zurück
Fast 60 Jahre dauert seine Karriere als Filmregisseur nun schon an, eine erstaunliche Zeitspanne. Gut 20 Spielfilme hat er gedreht, ein paar kürzere zu Beginn seiner Laufbahn, hin und wieder ist er als Schauspieler aufgetreten, nicht nur in den eigenen Filmen. An Theater- und Operninszenierungen hat er sich nur selten gewagt. 1984 schon hat er sich an frühe Memoiren gesetzt, eine Autobiografie herausgebracht. Viel zu erzählen hatte er bis zu diesem Zeitpunkt ja schon.
Was bleibt also vom Filmregisseur Roman Polanski an diesem 85. Geburtstag? Geboren wurde er in Paris, ein paar Monate nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Nachbarland. Wie ist sein Werk künstlerisch einzuordnen?
Mag man auch über ein paar seiner Filme streiten, wirklich missratene hat er nur wenige hinterlassen. Die aufgedrehte Komödie "Was?" war 1973 sicherlich keine Ruhmestat und auch sein Abenteuerschwank "Piraten" (1986) hatte nur wenige Fans. Ebenso dürfen nicht alle Filme aus den letzten Jahren als gelungen gelten. Ob beispielsweise seine Charles-Dickens-Verfilmung "Oliver Twist" dem literarischen Klassiker wirklich neue Facetten hat abgewinnen können, darf bezweifelt werden. Auch sein letzter, erst jüngst ins Kino gekommener Film, die Romanadaption "Nach einer wahren Geschichte", fiel recht blutleer aus.
Meisterliche psychologische Horrorfilme
Doch es bleiben immer noch genügend Meisterwerke, die in die Filmhistorie eingegangen sind, die vieles andere überdauern werden. Das glasklare polnische Debüt "Das Messer im Wasser". Die auch heute noch angstmachenden psychologischen Thriller "Ekel", "Rosemaries Baby" und "Der Mieter". Später der kongeniale Kriminalfilm "Chinatown", auch der unterschätzte "Bitter Moon". Mit "Der Ghostwriter" und "Der Gott des Gemetzels" gelangen Polanski noch zwei herausragende, messerscharf inszenierte Alterswerke.
In diesen, seinen besten Filmen, gelang es dem Regisseur immer wieder Geschichten zu erzählen, die einen doppelten oder gar dreifachen Boden hatten. Das Publikum durfte sich bei einem Polanski-Film nie sicher sein. Was folgt in der nächsten Szene? Was spielte sich tatsächlich in den Köpfen der Protagonisten ab, im Gesicht der blutjungen Catherine Deneuve im furchterregenden Psychodrama "Ekel", auf dem Antlitz von Polanski selbst in "Der Mieter"? Und was sagte die vordergründige Erzählung über Verbrechen und Leidenschaften in "Chinatown" über die Verfasstheit der Vereinigten Staaten aus?
Filme als Seelenlandschaften
Auf die Frage, ob seine Filme sein Leben widerspiegeln würden, antwortete Polanski 1986 in einem Interview: "Es ist keine Frage, dass jeder Film eine Art Psychoanalyse ist und irgendwie die Seele des Regisseurs reflektiert." Man darf schon davon ausgehen, dass die allermeisten Filme, die dieser außergewöhnliche Regisseur in seinem bewegten Leben gemacht hat, etwas mit eben diesem Leben zu tun haben.