1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Sombath ist "nicht vergessen"

Esther Felden12. September 2016

Während US-Präsident Obama beim ASEAN-Gipfel in Vientiane mit der laotischen Führung zusammenkam, traf sich sein Regierungsberater mit der Frau eines vor Jahren verschleppten Aktivisten. Amerika möchte helfen.

https://p.dw.com/p/1K0c8
Porträt des laotischen Aktivisten Sombath Somphone (Foto: Stephan Sautter)
Bild: Stephan Sautter

Das Leben von Ng Shui Meng besteht aus Warten und Hoffen. Und dem Kampf gegen die Resignation. Denn sie weiß, dass die Zeit gegen sie läuft. Und gegen ihren Mann. Seit fast vier Jahren fehlt von Sombath Somphone jede Spur. Am 15. Dezember 2012 wird der Umwelt- und Bildungs-Aktivist in der laotischen Hauptstadt Vientiane auf offener Straße verschleppt. Das Ganze an einem Polizei-Checkpoint und vor laufender Überwachungskamera. Auf dem Filmmaterial, das über Youtube frei zugänglich ist, kann man sehen, wie er erst angehalten und wenig später in einem weißen Truck davongefahren wird. Sein eigenes Auto, ein Jeep, wird ebenfalls weggebracht. Gesichter sind auf den CCTV-Bildern nicht zu erkennen. Bis heute ist nicht klar, wer die Personen sind, die Sombath damals mitnahmen - und wer hinter dem Verbrechen steckt.

In Laos ist Sombath kein Unbekannter, im Gegenteil. Über Jahrzehnte engagierte er sich in seiner Heimat, kämpfte beispielsweise für bessere Bildungschancen oder mehr Umweltschutz. Weil er quasi vor den Augen der Polizei verschwindet, kommt schnell der Verdacht auf, dass die Regierung des sozialistischen Einparteienstaates die Fäden gezogen haben könnte, um den für sie oft unbequemen Bürgerrechtler aus dem Verkehr zu ziehen. Doch Beweise dafür gibt es nicht. Und die Führung weist alle Vorwürfe von sich. Sie verspricht, alles daran zu setzen, um den Fall aufzuklären.

Doch Taten folgen diesen Worten offenbar nicht. Stattdessen klagen Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch über eine regelrechte Blockadehaltung. Wiederholt habe die Regierung Informationen zurückgehalten und sich geweigert, mit der Internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, gibt der stellvertretende HRW-Asien-Direktor Phil Robertson damals im Gespräch mit der DW zu Protokoll. Und die Behauptung, die Polzei wisse nicht, was mit Sombath passiert ist, hält er für "schlicht und einfach nicht glaubwürdig" .

Vergebliche Appelle aus dem Ausland

Unermüdlich versuchen seine Frau, Verwandte und Freunde seit jenem Samstag vor knapp vier Jahren herauszufinden, was tatsächlich mit Sombath passiert ist. Sie richten eine Internetseite ein, auf der sie ihre Aktivitäten dokumentieren und Presseberichte über den Fall sammeln. Auch hochrangige Politiker aus dem Ausland setzen sich für den 2005 mit dem Ramon-Magsaysay-Preis (auch bekannt als "asiatischer Friedensnobelpreis") ausgezeichneten Aktivisten ein: Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu, die frühere EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und die ehemalige First Lady und jetzige US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Alle Appelle an die Adresse der laotischen Führung, die Ermittlungen transparent zu machen und voranzutreiben, verlaufen ergebnislos.

Hillary Clinton lächelnd im Profil mit dem laotischen Premierminister Thongsing Thammavong (Foto: dapd)
Im Juli 2012 traf Hillary Clinton den laotischen Premierminister Thongsing Thammavong – später setzte sie sich bei der laotischen Führung für Sombath einBild: dapd

Bis heute klammert sich Ng Shui Meng an jeden Strohhalm, der vielleicht eine Wende bringen könnte. In der vergangenen Woche war dieser Strohhalm Ben Rhodes, amerikanischer Regierungsberater, der zu Präsident Obamas Delegation beim ASEAN-Gipfel in Laos gehörte. Während Obama am Spitzentreffen der südostasiatischen Staatengemeinschaft teilnahm, traf Rhodes sich mit der Frau des Bürgerrechtlers. Große Erwartungen habe sie im Vorfeld nicht gehabt, sagt sie der DW. Und die erhoffte Überraschung bleibt dann auch aus. "Wir hatten ein sehr offenes Gespräch. Er hat mir mitgeteilt, dass die laotischen Behörden nach wie vor bei ihrer Linie bleiben: Die Nachforschungen würden andauern, aber es gebe nichts Neues."

Ein historischer Staatsbesuch als Wendepunkt?

Rhodes habe ihr aber versichert, dass die USA den Fall nicht aus den Augen verlieren, sondern jede Gelegenheit und jedes hochrangige Treffen nutzen würden, um Antworten einzufordern. "Er sagte, solange es die nicht gebe, werde Sombath nicht vergessen." Ob Barack Obama den Fall auch jetzt beim ASEAN-Gipfel direkt angesprochen hat, weiß Ng Shui Meng nicht. "Nach Aussage seines Beraters hat Obama im Gespräch mit der laotischen Führung deutlich gemacht, dass die Rechtsstaatlichkeit im Land und die Rechte der Zivilbevölkerung ausgebaut werden müssen. Ich hatte aber nicht den Eindruck, dass Sombath namentlich erwähnt wurde."

Barack Obama und der laotische Staatspräsident Bounnhang Vorachith mit Regenschirmen, im Hintergrund Soldaten (Foto: Reuters/J. Silva)
Empfang im Regen: Barack Obama und der laotische Staatspräsident Bounnhang Vorachith nach der Landung des US-Präsidenten in VientianeBild: Reuters/J. Silva

Dennoch: Ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt Ng Shui Meng. Barack Obama war der erste amtierende US-Präsident auf Staatsbesuch in Laos. Lange Zeit waren die Beziehungen beider Länder nach dem Vietnamkrieg schwer belastet. Die USA hatten damals geschätzt rund zwei Millionen Tonnen Bomben über dem südostasiatischen Binnenstaat abgeworfen. Ein historischer und gleichzeitig nicht einfacher Besuch also für Obama. Mit im Gepäck: Eine Zusage über 90 Millionen Dollar, die in den kommenden drei Jahren für die Beseitigung von nicht explodierten Bomben ausgezahlt werden sollen.

Doch noch Antworten – irgendwann?

Geld als Türöffner auch für andere Themen? Für Regierungsberater Ben Rhodes zumindest nicht ausgeschlossen, erzählt die Frau des verschwundenen Aktivisten. "Er beschrieb mir gegenüber die Atmosphäre bei den Gesprächen mit der laotischen Führung als warm und herzlich." Für die Beziehungen beider Länder könne das ein positiver Einschnitt sein. "Dadurch wird auch das gegenseitige Vertrauen gestärkt, und das macht es leichter, über sensible Themen zu sprechen – vielleicht ja auch über Sombath."

Mehr als 1300 Tage sind seit Sombaths Verschwinden im Dezember 2012 vergangen. Ng Shui Meng will endlich wissen, was mit ihm geschehen ist. Sie will keine Ruhe geben, bevor sie sein Schicksal nicht kennt. Dass die Wahrscheinlichkeit, ihren Mann lebend wieder zu sehen, eher klein ist, das weiß sie. Aber die Ungewissheit treibt sie an und motiviert sie, weiterzumachen. "Hoffnung ist alles, was ich noch habe. Was bleibt mir also anderes übrig als zu hoffen?"