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Laotische Mauer des Schweigens

Esther Felden10. November 2013

Seit fast einem Jahr ist der laotische Aktivist Sombath Somphone spurlos verschwunden. Seine Frau hofft, dass er noch lebt. Die EU fordert die Aufklärung des Falls. Und stößt in Vientiane vor allem auf Ausreden.

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Sombath Somphone vor einer Büste des verstorbenen philippinischen Ex-Präsidenten Ramon Magsaysay (Foto: AP Photo/Bullit Marquez)
Bild: picture alliance/AP Photo

"Ich halte mich an der Hoffnung fest, dass Sombath noch am Leben ist. Etwas anderes möchte ich einfach nicht glauben. Ohne diese Hoffnung könnte ich nicht weitermachen." Seit dem 15. Dezember 2012 hat Ng Shui Meng ihren Ehemann nicht mehr gesehen. An diesem Tag, einem Samstag, wird Sombath Somphone in der laotischen Hauptstadt Vientiane verschleppt. Auf offener Straße, an einem Polizeicheckpoint - und vor laufender Überwachungskamera. Nach einer Polizeikontrolle wird er von zwei unbekannten Männern in einem weißen Truck davongefahren. Sein eigenes Auto, ein Jeep, wird von einer weiteren Person vom Tatort entfernt. Seitdem fehlt von dem bekannten Aktivisten, der sich über Jahrzehnte unter anderem für Bildung, für die Rechte der Landbevölkerung und für die Umwelt einsetzt, jede Spur.

Nichts als offene Fragen

Die Regierung des sozialistischen Einparteienstaates verspricht, alles daran zu setzen, um den Fall aufzuklären. Doch bis heute gibt es keine neuen Erkenntnisse, was mit Sombath Somphone passiert ist, wer ihn kidnappte und wer vielleicht im Hintergrund die Fäden zog. Es habe nie Drohungen gegen ihn gegeben, erklärt Ng Shui Meng gegenüber der Deutschen Welle. Auch keinerlei Hinweise darauf, dass er möglicherweise in Gefahr gewesen sei. "So etwas hat er mir gegenüber nie erwähnt." Sombath habe sich immer offen engagiert und nie gegen das Gesetz verstoßen. "In den offiziellen Polizeiberichten wird immer wieder darauf hingewiesen, dass er aus persönlichen Gründen oder in Folge beruflicher Streitigkeiten entführt worden sein könnte - und dass die Regierung für sein Verschwinden nicht verantwortlich ist."

Genau dieser Verdacht aber kommt schnell auf - und hält sich hartnäckig. Phil Robertson, stellvertretender Asien-Direktor der Organisation Human Rights Watch, sagte dazu schon vor einigen Monaten im Gespräch mit der DW: "Sombath wurde an einem Polizeicheckpoint verschleppt. Die Behauptung, dass die Polizei nicht weiß, was mit ihm passiert ist, ist schlicht und einfach nicht glaubwürdig." Bis heute hat die Polizei keine Kopien des Original-Filmmaterials aus der Überwachungskamera zur technischen Auswertung an Interpol oder andere internationale Stellen weitergegeben. "Sie behaupten, sie bräuchten keine Unterstützung von außen", berichtet Ng Shui Meng. "Aber wenn sie nicht in der Lage sind, das Material gründlich und nach außen transparent zu überprüfen, dann sollten sie die Hilfsangebote befreundeter Länder annehmen." Stattdessen, so Phil Robertson, habe die laotische Regierung wiederholt Informationen zurückgehalten, eine regelrechte Blockadehaltung eingenommen und sich geweigert, mit der Internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten.

Ein Bauer bei der Feldarbeit (Foto: Global Witness)
Jahrzehntelang setzte sich Sombath Somphone für die arme Landbevölkerung des südostasiatischen Binnenlandes einBild: Global Witness

Kein Durchkommen in Vientiane

Diese Erfahrung musste auch Werner Langen machen. Er ist vor wenigen Tagen aus Laos zurückgekehrt. Der CDU-Europaparlamentarier war als Leiter einer EU-Delegation in Vientiane, um vor Ort Druck auf die Regierung auszuüben. Doch die Gespräche mit Regierungsvertretern, Parlamentsabgeordneten und Parteiführung seien enttäuschend verlaufen, berichtet Langen gegenüber der Deutschen Welle. "Wir haben gesagt: Es kann nicht sein, dass jemand, dessen Entführung per Kamera aufgezeichnet wurde, in einem so durchregierten Staat unbekannt verschwunden ist. Wir fordern ein Lebenszeichen als ersten Schritt." Diese Forderung sei beim Kabinettschef des Ministerpräsidenten "relativ massiv" vorgebracht worden, versehen auch mit dem Hinweis, dass der internationale Ruf des Landes beschädigt würde, sollte es nicht gelingen, den Fall Sombath Somphone schnellstmöglich auzuklären.

Die laotische Führung allerdings habe sich davon unbeeindruckt gezeigt. Und, wie schon seit dem Verschwinden Sombaths, jede Verantwortung abgestritten. "Wir haben zu hören bekommen, es gebe 49 Minderheiten in Laos, und es könnte ja sein, dass eine dieser Minderheiten ihn verschleppt hätte", erzählt Langen. Doch diese Ausflüchte habe die EU-Delegation nicht gelten lassen. "Das wird die Internationale Gemeinschaft nicht widerspruchslos hinnehmen." Eine Möglichkeit sei es, die Resolution des Europäischen Parlaments mit den konkreten Fakten des Falls zu erneuern und noch einmal vorzulegen. Es sei auch denkbar, Hilfszahlungen an das einzige südostasiatische Binnenland zu kappen, ein solcher Schritt sei aber auf dieser Reise noch nicht thematisiert worden. "Laos bekommt relativ viel Geld von der Europäischen Union, und gegebenenfalls werden wir im nächsten Schritt über Boykottmaßnahmen nachdenken müssen."

Porträt von Sombath Somphone (Stephan Sautter, zugeliefert von Charlotte Hauswedell)
Kurz vor seiner Verschleppung organisierte Sombath Somphone im Herbst 2012 noch das Asien-Europa-Bürgerforum mitBild: Stephan Sautter

Ungehörte Appelle von allen Seiten

Nicht nur die Europäische Union, auch andere Politiker oder prominente Persönlichkeiten setzen sich immer wieder öffentlich für Sombath Somphone ein - unter anderem die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton und ihr amtierender Nachfolger John Kerry oder auch Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu. Auch die nach dem ehemaligen philippinischen Präsidenten benannte Ramon Magsaysay-Foundation, die Sombath Somphone im Jahr 2005 für sein zivilgesellschaftliches Engagement mit ihrem auch als "asiatischer Friedensnobelpreis" bekannten Award ehrte, zählt zu den Unterstützern.

Hillary Clinton und der laotische Premierminister Thongsing Thammavong an einem mit Blumen geschmückten Tisch (Foto:Brendon Smialowski/AP/dapd)
Im Januar 2013 sprach Hillary Clinton mit dem laotischen Premierminister Thongsing Thammavong über den Fall SombathBild: dapd

Solange das Schicksal des verschwundenen Aktivisten ungeklärt ist, muss der Druck auf die laotische Regierung aufrecht erhalten werden, meint CDU-Politiker Werner Langen. "Ich bin fest entschlossen, einen solchen Fall nicht einfach zur Seite zu legen, weil das Regime sich dumm stellt." Ob die Regierung bewusst mauert, ob sie gar selbst hinter der Verschleppung steckt - für Sombaths Ehefrau Ng Shui Meng spielt das nur eine untergeordnete Rolle. Sie möchte nur eins: Endlich wissen, was mit ihrem Mann passiert ist.