Union und SPD wollen INF-Vertrag retten
3. Februar 2019Roderich Kiesewetter, der Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss, und der Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, forderten Moskau auf, seine neuen Marschflugkörper vom Typ SSC-8 (russische Bezeichnung 9M729, Artikelbild) so weit nach Osten zu verlegen, dass sie Europa nicht mehr erreichen können, wie die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS) berichtet.
Im Gegenzug sollten US-Abschussanlagen in Europa für russische Kontrollen geöffnet werden, schlugen Kiesewetter und Mützenich vor. Das betrifft die Startrampen für Abfangraketen in Rumänien und in Zukunft auch in Polen. Moskau wirft Washington vor, mit dem Einsatz von Raketenabwehrsystemen in Europa gegen das INF-Abrüstungsabkommen zu verstoßen, an das sich beide Seiten nicht mehr gebunden fühlen.
Die USA haben Russland am Freitag formell über ihren Rückzug aus dem Vertrag informiert, der eine Kündigungsfrist von sechs Monaten vorsieht. Einen Tag später zog der Kreml nach. Kiesewetter sagte, eine Verlegung der russischen Marschflugkörper müsse jedoch durch ein "striktes und andauerndes Verifikationsregime" gesichert werden. Heißt: Dauerhafte Überwachung des Standortes der Rakete, da die Flugkörper sonst per Bahn und LKW "praktisch über Nacht" wieder zurück Richtung Europa bewegt werden könnten. Deshalb müsse "gewissermaßen neben jeder einzelnen Waffe permanent ein Beobachter stehen".
Russland hat wirksame Kontrollen bisher jedoch nicht zugelassen. Moskau und Washington werfen sich im Streit über die Aufkündigung des INF-Vertrages gegenseitig Vertragsbruch vor. Das Abkommen aus dem Jahr 1987 zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion untersagt den Bau und Besitz landgestützter, atomar bewaffneter Raketen oder Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern. Die Abkürzung INF steht für "Intermediate Range Nuclear Forces", auf Deutsch: nukleare Mittelstreckensysteme.
Ganz so einig wie es scheint, sind sich Union und SPD bei dem Thema aber nicht. Die SPD lehnt eine Nachrüstung von Mittelstreckenraketen in Europa ab, in der Union wird das jedoch nicht ausgeschlossen. Unionspolitiker wie Johannes Wadepuhl befürchten sonst eine Spaltung der NATO, wenn einzelne Staaten einen nationalen Sonderweg einschlagen würden.
Mainz sagt NEIN
Unterdessen zeigt sich in deutschen Kommunen bereits der erste Widerstand gegen einen Rückfall in alte "kalte Kriegszeiten". So hat sich als erste deutsche Stadt Mainz einem internationalen Städte-Appell für atomare Abrüstung angeschlossen. Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) habe die Erklärung für ein Atomwaffenverbot am Samstag unterzeichnet, teilte die hinter der Aktion stehende Friedens- und Abrüstungsorganisationen Ican mit. Mainz ist Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz, in dem Bundesland sind US-Atomwaffen gelagert. Andere Städte, die den Aufruf unterstützen, sind beispielsweise Sydney, Los Angeles oder Manchester.
cgn/se (afp, dpa, fas)