Aktuell: Biden wirbt für NATO-Norderweiterung
19. Mai 2022Das Wichtigste in Kürze:
- Washington unterstützt den NATO-Beitritt Finnlands und Schweden
- US-Kongress verabschiedet Hilfspaket im Umfang von 40 Milliarden Dollar
- Bundestag entzieht Altkanzler Schröder Sonderrechte
- Scholz: Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen
- Zwölf Tote nach russischem Angriff auf die Stadt Sjewjerodonezk
Bei einer Pressekonferenz mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö und Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson im Weißen Haus sagte US-Präsident Joe Biden, er sei stolz darauf, die Anträge der beiden Staaten auf Beitritt zum "stärksten und mächtigsten Verteidigungsbündnis der Weltgeschichte" zu unterstützen. "Finnland und Schweden machen die NATO stärker."
Eine starke NATO sei die Grundlage für die Sicherheit der USA. Biden betonte bei der Pressekonferenz, schon jetzt seien Finnland und Schweden enge Partner der Vereinigten Staaten. Der US-Präsident forderte den Kongress dazu auf, den Beitritt der beiden Staaten schnell zu ratifizieren. Er betonte, die NATO sei ein Verteidigungsbündnis. "Der Beitritt neuer Mitglieder zur NATO stellt für keine Nation eine Bedrohung dar."
Für die schwedische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson ist der angestrebte NATO-Beitritt ihres Landes ein "Wendepunkt". Schweden habe sich mit dem Antrag für einen "neuen Weg" entschieden, sagte Andersson. Aktuell sei Schweden im Gespräch mit allen NATO-Mitgliedern, einschließlich der Türkei, um ausstehende Fragen zu klären, so Andersson weiter.
Finnland und Schweden offen für Gespräche mit Türkei
Der finnische Präsident Niinistö zeigte sich bei dem gemeinsamen Auftritt offen für Gespräche mit der Türkei, um deren Bedenken gegen einen NATO-Beitritt der beiden Länder auszuräumen. Er verurteilte in diesem Zusammenhang "Terrorismus in allen Formen".
Noch am Morgen äußerte sich Präsident Joe Biden optimistisch, was die Bedenken der Türkei zur NATO-Erweiterung betrifft. Auf die Frage eines Journalisten, ob die Türkei umgestimmt werden könne, sagte Biden: "Ich fahre nicht in die Türkei, aber ich denke, wir werden das schon hinkriegen."
US-Außenminister trifft türkischen Amtskollegen
Zuvor traf US-Außenminister Antony Blinken in New York seinen türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu. Dieser nannte die Gespräche mit seinem US-Kollegen "äußerst positiv". Blinken habe gesagt, dass die Sorgen der Türkei legitim seien, so Cavusoglu. Die Türkei verstehe die Sicherheitssorgen Finnlands und Schwedens. Es müsse aber auch auf die türkischen Sicherheitsbedenken eingegangen werden. Die Türkei begründet ihren Widerstand mit der angeblichen Unterstützung der beiden Nordländer für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Kurdenmiliz YPG in Syrien.
Schweden und Finnland hatten am Mittwoch gemeinsam ihre Mitgliedsanträge bei der NATO eingereicht. Sie wollen dem westlichen Militärbündnis unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine beitreten. Beide Staaten verfolgten bisher eine Politik der militärischen Bündnisfreiheit.
US-Kongress verabschiedet 40 Milliarden-Hilfspaket
Der US-Kongress hat ein neues Hilfspaket für die Ukraine im Umfang von 40 Milliarden Dollar verabschiedet. Nach dem Repräsentantenhaus stimmte der Senat in Washington für das Paket, das unter anderem sechs Milliarden Dollar für gepanzerte Fahrzeuge und Luftabwehrsysteme für die ukrainischen Streitkräfte vorsieht. Für die neuen Ukraine-Hilfen gab es eine breite parteiübergreifende Mehrheit von 86 zu elf Stimmen. Jetzt muss Präsident Joe Biden den Gesetzestext noch unterzeichnen.
Das Paket sieht auch neun Milliarden Dollar für Waffen für die US-Streitkräfte vor, nachdem diese zahlreiche Rüstungsgüter in die Ukraine geschickt haben. Neun Milliarden Dollar sind für die Aufrechterhaltung der Regierungsfunktionen in der Ukraine vorgesehen. Daneben stellen die USA auch weitere Mittel für humanitäre Hilfe bereit.
In den USA gibt es über die Parteigrenzen hinweg breite Unterstützung für die Ukraine. Der Minderheitsführer der oppositionellen Republikaner im Senat, Mitch McConnell, sagte, Hilfen für die Ukraine seien nicht nur "Barmherzigkeit". "Die Zukunft von Amerikas Sicherheit und zentralen strategischen Interessen wird vom Ausgang dieses Kampfes geprägt werden."
Generalstabschefs der USA und Russlands telefonieren
Erstmals seit Beginn des Ukraine-Kriegs telefonierten die Generalstabschefs der USA und Russlands, Mark Milley und Waleri Gerassimow, miteinander. Bei dem Gespräch der beiden ranghöchsten Generäle beider Länder ging es nach US-Angaben um "wichtige sicherheitsbezogene Themen".
Bundeswehr fliegt kriegsverletzte Ukrainer nach Hamburg
Die Bundeswehr fliegt erneut kriegsverletzte Ukrainer aus Polen zur medizinischen Behandlung nach Deutschland. Dazu startete das Spezialflugzeug A310 MedEvac in Köln, wie die Luftwaffe auf Twitter mitteilte. Bisher seien 111 Patienten über diesen Weg ausgeflogen worden. Der A310 MedEvac ist die fliegende Intensivstation der Luftwaffe. Verletzte werden in der Luft von Sanitätssoldaten weiterbehandelt.
Die Patienten wurden diesmal nach Hamburg gebracht. Dort landete die Maschine am Nachmittag. Laut Sanitätsdienst der Bundeswehr sollten 33 Patienten und sechs Begleitpersonen an Bord der Maschine sein, die nun zur Weiterbehandlung in Kliniken in Hamburg und den umliegenden Bundesländern gebracht werden.
EU-Parlament will Sanktionen gegen Ex-Kanzler Schröder
Das Europaparlament hat sich mit großer Mehrheit für EU-Sanktionen gegen den früheren deutschen Kanzler Gerhard Schröder ausgesprochen. Grund ist die anhaltende Tätigkeit des SPD-Politikers für russische Staatsunternehmen wie den Energiekonzern Rosneft. Die Resolution des Parlaments dürfte den Druck auf die zuständige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und den Außenbeauftragten Josep Borrell erhöhen, einen Vorschlag für die Aufnahme Schröders auf die EU-Sanktionsliste vorzulegen. Sollte dieser gebilligt werden, könnten Vermögenswerte Schröders in der Europäischen Union eingefroren werden.
Bundestag entzieht Altkanzler Gerhard Schröder Sonderrechte
Der Haushaltsausschuss hat die Auflösung des Büros von Altkanzler Gerhard Schröder beschlossen. Das verbliebene Personal soll anderweitige Aufgaben übernehmen, hieß es in einem Antrag der Ampel-Koalition, der im Ausschuss eine Mehrheit fand. Anrecht auf ein Ruhegehalt und auf Personenschutz hat der Altkanzler aber weiterhin. Die Union hätte dem SPD-Politiker am liebsten auch sein Ruhegehalt gestrichen. Sie warf Schröder unter anderem vor, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden.
Schröder steht wegen seiner Russland-Kontakte, seiner Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin und seiner Posten bei russischen Staatskonzernen massiv in der Kritik. Der heute 78-Jährige war von 1998 bis 2005 Bundeskanzler. Danach übernahm er Aufgaben unter anderem für die Pipeline-Gesellschaft Nord Stream, die russische Gazprom und den Energiekonzern Rosneft. Weil er sich davon nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nicht distanzierte, forderte ihn die SPD-Spitze zum Parteiaustritt auf. Es gibt auch Anträge auf einen Parteiausschluss.
Kanzler Scholz lehnt Diktatfrieden strikt ab
Bundeskanzler Olaf Scholz hat einem von Russland militärisch durchgesetzten Diktatfrieden in der Ukraine eine klare Absage erteilt. "Einen Diktatfrieden wird es nicht geben, weil die Ukrainer ihn nicht akzeptieren und wir auch nicht", sagte Scholz in einer Regierungserklärung im Bundestag in Berlin. "Uns alle eint ein Ziel: Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen, die Ukraine muss bestehen", betonte er. Erst wenn Russlands Präsident Wladimir Putin begreife, dass er die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine nicht brechen könne, "wird er bereit sein, ernsthaft über Frieden zu verhandeln", sagte der Bundeskanzler. Dafür sei es wichtig, die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu stärken.
Scholz sicherte der Ukraine weitere deutsche Unterstützung zu - bei Sanktionen gegen Russland, der Aufnahme ukrainischer Geflüchteter, wirtschaftlicher Hilfe und "ja, auch bei der Lieferung von Waffen einschließlich schwerem Gerät".
Der SPD-Politiker wies darauf hin, diese Unterstützung sei in Deutschland nicht unumstritten. Er wolle daher klarstellen: "Einem brutal angegriffenem Land bei der Verteidigung zu helfen, darin liegt keine Eskalation." Vielmehr sei dies ein Beitrag, den Angriff zu beenden.
Keine schnelle EU-Mitgliedschaft
Der Kanzler ging auch auf den angestrebten EU-Beitritt der Ukraine ein und dämpfte Hoffnungen auf eine schnelle Mitgliedschaft. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron habe Recht, wenn er darauf hinweise, dass der Beitrittsprozess "keine Sache von ein paar Monaten oder einigen Jahren" sei, sagte Scholz. Aus Fairness gegenüber anderen Beitrittskandidaten dürfe es "keine Abkürzungen" in die EU geben.
Zwölf Tote nach russischem Angriff auf Sjewjerodonezk
In der ostukrainischen Stadt Sjewjerodonezk sind bei russischem Artilleriebeschuss nach Behördenangaben mindestens zwölf Menschen getötet worden. Mehr als 40 weitere Menschen wurden verletzt, wie der Militärgouverneur des Gebietes Luhansk, Serhij Hajdaj, im Nachrichtendienst Telegram mitteilte. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig
überprüfen. Hajdaj zufolge sind Wohngebäude gezielt beschossen worden. Truppen der russischen Armee und der Luhansker Separatisten greifen die Stadt mit dem Sitz der Gebietsverwaltung von mehreren Seiten an.
Rotes Kreuz registriert hunderte Kriegsgefangene aus Azov-Stahlwerk
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat hunderte ukrainische Kriegsgefangene aus dem Azov-Stahlwerk in Mariupol registriert. Auf russische und ukrainische Bitten hin habe ein IKRK-Team am Dienstag vor Ort begonnen, bei ukrainischen Kämpfern, die das Stahlwerk verließen, persönliche Daten abzufragen. Darunter seien auch Verwundete, hieß es. Die Prozedur dient dazu, nachverfolgen zu können, wo sich die Kriegsgefangenen befinden - und sie dabei zu unterstützen, im Kontakt mit ihren Angehörigen zu bleiben. Das IKRK erklärte, es beteilige sich nicht am Transport der Kriegsgefangenen und verwies auf die Verpflichtung aller Vertragsstaaten der Genfer Konventionen, dem Roten Kreuz Zugang zu Kriegsgefangenen zu gewähren.
Weitere ukrainische Soldaten aus Stahlwerk in Gefangenschaft
Russland hat nach eigenen Angaben hunderte weitere ukrainische Soldaten aus dem belagerten Stahlwerk in Mariupol gefangengenommen. In den vergangenen 24 Stunden hätten sich weitere 771 Kämpfer der Asow-Brigade ergeben, teilte das Verteidigungsministerium mit. "Insgesamt haben sich seit dem 16. Mai 1.730 Kämpfer ergeben, darunter 80 Verwundete."
Das Ministerium veröffentlichte ein Video, auf dem zu sehen ist, wie Soldaten, die sich offenbar ergeben haben, den Industriekomplex verlassen. Manche von ihnen sind sichtlich verletzt, einige gehen auf Krücken. Russische Soldaten tasten die Gefangenen ab und kontrollieren ihre Taschen. Die Ukraine und Russland machen widersprüchliche Angaben dazu, wie viele Kämpfer, die sich seit Wochen in den Bunkern und Tunneln des riesigen Werkgeländes verschanzt haben, kapituliert haben.
Soldaten, die medizinische Behandlung benötigten, seien in ein Krankenhaus in Nowoasowsk gebracht worden, erklärte Moskau weiter. Die Stadt liegt in russisch kontrolliertem Gebiet. Kiew hofft auf einen Gefangenenaustausch der Soldaten aus Mariupol mit Russland. Russische Behörden haben aber mehrfach betont, dass zumindest ein Teil der Gefangenen nicht als Soldaten, sondern als Neonazi-Kämpfer angesehen werde.
USA werfen Russland Misshandlungen in Mariupol vor
Die USA beschuldigen die russischen Streitkräfte, schwere Misshandlungen in der umkämpften Hafenstadt Mariupol verübt zu haben. Ein US-Vertreter sagte, die russischen Soldaten hätten ukrainische Beamte dort "verprügelt" und mit "Stromschlägen" malträtiert. Außerdem würden sie "Häuser plündern". Russische Beamte seien "besorgt, dass diese Taten die Einwohner von Mariupol noch mehr zum Widerstand gegen die russische Besatzung anspornen könnten". Die Stadtverwaltung von Mariupol teilte auf Telegram mit, die Russen versuchten, den "Handelshafen wieder in Ordnung zu bringen, um Getreide, Metallwaren und andere Produkte im Wert von Millionen Dollar zu exportieren". Es handle sich um "Diebstahl".
Drei weitere Monate Kriegsrecht
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bereitet die Bevölkerung seines von Russland angegriffenen Landes auf einen längeren Krieg vor. In seiner abendlichen Videoansprache machte er den Menschen in den russisch besetzten Gebieten im Süden zugleich Hoffnung, dass die Ukraine sie befreien werde. "Cherson, Melitopol, Berdjansk, Enerhodar, Mariupol und alle unsere Städte und Gemeinden, die unter Besatzung, unter vorübergehender Besatzung sind, sollen wissen, dass die Ukraine zurückkehren wird", sagte er. Wie lange dies dauern werde, hänge von der Lage auf dem Schlachtfeld ab.
In diesen Zusammenhang verkündete er auch die Verlängerung des Kriegsrechts und der allgemeinen Mobilmachung um weitere 90 Tage bis zum 23. August. Einen Tag später feiert die Ukraine traditionell ihren Unabhängigkeitstag. "Unsere Armee und alle, die den Staat verteidigen, müssen über alle rechtlichen Mittel verfügen, um in Ruhe zu agieren", sagte Selenskyj.
Präsidentenberater Oleksiy Arestowytsch rechtfertigte die Verlängerung des Kriegsrechts um 90 Tage. Der vom russischen Präsidenten Putin begonnene Krieg werde bis in den Herbst dauern, sagte Arestowytsch im ukrainischen Fernsehen. Man mache der Bevölkerung nur falsche Hoffnung, wenn das Kriegsrecht wie bisher immer nur um 30 Tage verlängert werde. Im Krieg sei eine ehrliche Kommunikation mit der Gesellschaft notwendig.
Der Gesetzentwurf zur Verlängerung des Kriegsrechts muss noch durch das Parlament in Kiew gebilligt werden, die Bestätigung durch die Abgeordneten gilt als sicher.
USA eröffnen wieder Botschaft in Kiew
Die USA haben ihre Botschaft in der ukrainischen Hauptstadt Kiew nach dreimonatiger Schließung wieder geöffnet. Außenminister Antony Blinken sagte: "Das ukrainische Volk hat mit unserer Sicherheitsunterstützung sein Heimatland gegen den skrupellosen russischen Einmarsch verteidigt, und als Folge dessen weht die 'Stars and Stripes' (die US-Nationalflagge) wieder über der Botschaft."
Washington hatte seine diplomatische Vertretung in Kiew zehn Tage vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar geschlossen und die Botschaftsaktivitäten zunächst vorübergehend in die westukrainische Stadt Lwiw und dann nach Polen verlegt.
Kurz nach der Wiedereröffnung der Botschaft bestätigte der US-Senat die Karrierediplomatin Bridget Brink für den Posten der Botschafterin für die Ukraine bestätigt. Brink war bislang die US-Gesandte in der Slowakei. Zuvor hatte sie unter anderem im Außenministerium in Washington als Expertin für Osteuropa und den Kaukasus sowie als stellvertretende Botschafterin in Usbekistan und Georgien gearbeitet.
Baerbock: Russland nutzt Hunger als Kriegswaffe
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat Russland vorgeworfen, die Blockade von Getreideexporten aus der Ukraine als Kriegswaffe einzusetzen. "Russland hat einen Kornkrieg begonnen, der eine globale Nahrungsmittelkrise angefacht hat", sagte Baerbock bei einem von den USA abgehaltenen Außenministertreffen bei den Vereinten Nationen in New York. Moskau tue dies, indem es nicht nur ukrainische Häfen blockiere, sondern auch Silos, Straßen, Eisenbahnen und Felder zerstöre.
"Russland führt seinen brutalen Krieg nicht nur mit Panzern, Raketen und Bomben", sagte Baerbock weiter. "Russland führt diesen Krieg mit einer anderen schrecklichen und leiseren Waffe: Hunger und Entbehrung." Dies passiere in einer Zeit, in der im Nahen Osten und in Afrika bereits Millionen von Hunger bedroht seien - durch die Klimakrise, die COVID-Pandemie und regionale Konflikte.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres forderte, "Russland muss den sicheren Export von in ukrainischen Häfen gelagertem Getreide zulassen". Es sei notwendig, den extrem wichtigen Getreideproduzenten Ukraine wieder an den Weltmarkt zu bringen - genauso wie von Russland und Belarus produzierte Lebens- und Düngemittel. Der von Russland begonnene Krieg drohe, viele Millionen Menschen in eine Ernährungsunsicherheit zu stürzen und eine Krise auszulösen, "die Jahre andauern könnte".
Der Export von Getreide über die ukrainischen Häfen im Schwarzen Meer ist wegen des russischen Angriffskrieges zum Erliegen gekommen. Dies bedroht Lieferungen vor allem nach Afrika und Asien. Nach Angaben der Bundesregierung unterbindet Russland in der Ukraine die Ausfuhr von 20 Millionen Tonnen Getreide.
Den Vereinten Nationen zufolge hat der weltweite Hunger einen neuen Höchststand erreicht. Die Zahl der Menschen mit starker Ernährungsunsicherheit habe sich in den vergangenen zwei Jahren von 135 auf heute 276 Millionen erhöht. Mehr als eine halbe Million Menschen sei vom Hungertod bedroht - fünf Mal mehr als noch 2016. Der Krieg in der Ukraine facht diese Entwicklung weiter an: Zusammen produzieren die Ukraine und Russland fast ein Drittel des Weizens und der Gerste der Welt und die Hälfte des Sonnenblumenöls.
EU vereinbart verpflichtende Gasreserven
Zur Sicherung der Energieversorgung in der EU müssen Gasspeicher künftig vor dem Winter zu einem Mindestmaß befüllt werden. Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments einigten sich am Donnerstag auf ein entsprechendes Gesetz. Es sieht vor, dass die Gasspeicher in diesem Jahr bis zum 1. November zu 80 Prozent gefüllt werden, und in den kommenden Jahren zum gleichen Stichtag zu 90 Prozent. Die Verpflichtung soll Ende 2025 auslaufen, wie der Rat der EU-Staaten mitteilte. Die EU-Institutionen verständigten sich zudem darauf, Vorräte an Flüssiggas (LNG) bei den Speichermengen mitzuzählen.
Die EU-Kommission hatte das Gesetz im März vorgeschlagen, um die Gasversorgung angesichts des Kriegs in der Ukraine zu sichern und Preisausschläge einzudämmen. Die EU hat sich vorgenommen, so schnell wie möglich von russischen Energie-Lieferungen loszukommen. In Deutschland gilt bereits seit dem 30. April ein neues Gasspeichergesetz, nach dem die Speicher schon zum 1. November dieses Jahres zu 90 Prozent gefüllt sein müssen.
Russland erwartet geringere Öl- und Gasförderung
Angesichts westlicher Sanktionen rechnet die russische Regierung im laufenden Jahr mit einem Rückgang bei der Förderung ihrer wichtigen Exportgüter Öl und Gas. Die Förderung von Öl und Ölkondensat könnte um etwa neun Prozent auf 475,3 Millionen Tonnen sinken nach 524 Millionen Tonnen im Jahr 2021. Diese Prognose veröffentlichte das Wirtschaftsministerium in Moskau. Der Ölexport werde mit 228,3 Millionen Tonnen nahezu stabil bleiben nach 231,0 Millionen Tonnen im Jahr 2021. Vergangenes Jahr waren für 2022 aber noch deutlich höhere Exporte erwartet worden.
Die Gewinnung von Gas und Gaskondensat könnte auf 721 Milliarden Kubikmeter sinken nach 764 Milliarden Kubikmeter vergangenes Jahr, meldeten russische Nachrichtenagenturen. Das Ministerium prognostizierte für 2022 die Ausfuhr von 185 Milliarden Kubikmeter nach 206 Milliarden Kubikmeter im Jahr zuvor. Auch hier waren die letzten Vorhersagen für dieses Jahr noch optimistischer gewesen. Wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine bemühen sich EU-Mitglieder und andere westliche Staaten, ihre Importe von Öl und Gas aus Russland zu verringern. Als Strafmaßnahme werden die russischen Energieförderer zudem nicht mehr mit westlicher Technologie oder Ersatzteilen beliefert.
Trudeau nennt Schließung von CBC-Büros in Moskau inakzeptabel
Kanadas Premierminister Justin Trudeau hat die von der russischen Regierung angeordnete Schließung der Moskauer Büros des kanadischen Senders CBC verurteilt. Die Schließung der CBC-Büros durch den Kreml sei "inakzeptabel". Journalisten müssten "frei von Zensur, Einschüchterung und Einmischung" arbeiten können. Die Wahrheit sei, dass verantwortungsvoller Journalismus, das Teilen dessen, was tatsächlich mit Bürgern passiert, eine tiefe Bedrohung für Putin und seinen illegalen Krieg und seine autoritären Tendenzen sei, sagte Trudeau vor Journalisten in Ottawa. Russland blockiert die Arbeit zahlreicher ausländischer Sender in Moskau, darunter auch die der Deutschen Welle.
nob/uh/kle/se/qu/ww (dpa, rtr, afp)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.