Nein, Finnland hat mit der beantragten NATO-Mitgliedschaft keinen "Fehler" gemacht, wie der russische Präsident Putin behauptet. Vielmehr war es sein Fehler, die Ukraine anzugreifen. Nur deshalb strebt neben Finnland auch Schweden ins westliche Verteidigungsbündnis. Ohne Russlands Krieg wären die Skandinavier nie auf die Idee gekommen, Schutz in der NATO zu suchen.
Nur kann Putin sein politisches Versagen zum Nachteil des eigenen Landes nicht zugeben. Wie immer beschuldigt er andere - diesmal also die Finnen. Die Wahrheit auszusprechen wäre ein Schuldeingeständnis. Die Wahrheit empfindet der ehemalige KGB-Offizier ohnehin als störend. In Russland wird sie geleugnet, verdrängt, verdreht.
Wie in George Orwells Roman 1984
Die Russen dürfen Putins Krieg nicht beim Namen nennen. Die staatlich gelenkten Medien Moskaus sprechen von einer "Spezialoperation", "Präventivschlägen", von der angeblichen "Befreiung" der Russen im Nachbarland. Verschweigen müssen sie, dass die russischen Truppen selbst von den Russen in der Ukraine als Okkupanten beschimpft werden. Bei Putin wird sogar der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der jüdischen Glaubens ist, zum "Nazi". Der Kremlchef behauptet, alles laufe nach Plan, auch wenn seine Armee eine Niederlage nach der anderen kassiert.
Putin gleicht dem "großen Bruder" in George Orwells Roman 1984. Auch dort wird der Masse vorgegaukelt, dass "Unwissenheit Stärke" sei, wird Geschichtsklitterung betrieben. Russlands Fernsehen ist das Abbild des "Ministeriums für Wahrheit": Es verbreitet Hass, Lügen, Verschwörungstheorien. Wie in Orwells Roman lassen die Sicherheitskräfte Volksfeinde verschwinden. All die Lügen, der Hass auf erfundene Feinde, auf die Ukraine, auf den "NATO-Block", auf die Liberalen, auf wen auch immer, sollen die Russen zusammenschweißen, sollen auf schwierige Zeiten vorbereiten, mobilisieren. Es wird Angst verbreitet.
Orwells Vorbild für seinen Roman war die Sowjetunion. Die Lüge war die Grundfeste der UdSSR. Die KPdSU propagierte den Weltfrieden und führte in Afghanistan Krieg. Die Medien priesen den Sowjet-Patriotismus. Den Alltag bestimmten aber Zynismus und Mangelwirtschaft. Am Ende implodierte das Imperium der Arbeiter und Bauern. Diesmal wird der Zusammenbruch Russlands schlimmer als 1991. Putin isoliert sein Land vom Rest der Welt. Die künftige Weltmacht China wartet einfach ab.
Der Krieg wird Russland schwächen
Die Sanktionen des Westens sind kein Selbstzweck. Ihr Ziel ist es, Russlands Krieg zu stoppen. Doch Wirtschaftssanktionen brauchen Monate, bis sie ihre Wirkung entfalten. Russland gleicht einem Goldfisch im Aquarium, in das jemand ein Loch gebohrt hat und aus dem das Wasser langsam entweicht. Noch glauben viele Russen, dass ihr Alltag durch den Krieg kaum tangiert wird. Das wird sich ändern.
Zudem schwächt der Krieg das Land. Kriege kosten viele Milliarden. Die langfristigen Folgen für die Volkswirtschaft werden verheerend sein. Von der Moral des Volkes ganz zu schweigen. Putin hat es geschafft, dass die Mehrheit der Ukrainer Russen für Generationen als Todfeinde betrachten werden. Die Ukrainer werden nicht vergessen, was Russen ihnen angetan haben. Werden sich lange erinnern, dass viele Russen zwischen Kaliningrad und Wladiwostok dieses sinnlose Morden und Zerstören gleichgültig hinnehmen oder gar unterstützen.
Wie lange der Krieg noch dauern wird? Niemand weiß es. Nur eines ist klar: Mit jedem Tag wird die ukrainische Armee stärker. Denn moderne westliche Waffen erreichen erst nach und nach die Verteidiger, die immer selbstbewusster werden. Bereits jetzt prophezeien erste ukrainische Regierungsmitglieder einen Sieg bis Ende dieses Jahres. Machen Pläne vom Wiederaufbau des Landes. Der Hunderte von Milliarden kosten wird. Geld, für das der Verursacher der Schäden - also die russischen Steuerzahler - wird aufkommen müssen.
Auslandsvermögen besser Abschreiben
Russische Devisenreserven in dreistelliger Milliardenhöhe liegen auf ausländischen Konten: Staatsvermögen, welches im Zuge der Sanktionen eingefroren wurde. Normalerweise schützt das Völkerrecht dieses Geld, denn es gehört ursprünglich Russland. Doch auf das Völkerrecht kann sich Putin nicht mehr berufen. Zu oft hat er es selbst mit Stiefeln getreten. Die ganze Welt wird Tag für Tag Zeuge von Kriegsverbrechen der russischen Armee.
Deswegen sollte der Ukraine aus diesem Vermögen Geld in monatlichen Tranchen überwiesen werden, damit Kiew die laufenden Kosten des unter dem Krieg leidenden Staates decken kann: Pensionen für Rentner, Gehälter für den öffentlichen Dienst, Reparatur und Wiederaufbau der von Russen zerstörten Infrastruktur. Das Geld nach und nach zu überwiesen hätte zudem den Vorteil, Korruption vorzubeugen. Russland sollte das Geld jedenfalls abschreiben. Für die Ukraine wäre es eine Hilfe für einen Neuanfang.