"The Cut": Fatih Akins Armenien-Drama
15. Oktober 2014"The Cut" gibt einen Einblick in ein düsteres Kapitel türkisch-armenischer Geschichte. Allein die Ankündigung seines Dramas über den Völkermord von 1915 an den Armeniern brachte Fatih Akin Todesdrohungen ein. Der Regisseur erzählt die Geschichte eines Armeniers, der dem Tod nur durch ein Missgeschick des Schergen entgeht: Statt der Kehle durchschneidet dieser ihm nur die Stimmbänder. Der von nun an stumme Zeuge des Massakers macht sich auf die Suche nach seinen Töchtern, sein Weg führt von Aleppo über Havanna schließlich nach North Dakota. "The Cut" spart nicht mit grausamen Szenen, mit deutlichen Verweisen auf die Schuld der mordenden türkischen Soldaten.
Eigentlich ist der Ausgang der Geschichte von Anfang an klar. Trotzdem verliert "The Cut" nicht seine Spannung. Das Schicksal des Schmieds Nazaret Manoogian, gespielt von Tahar Rahim, lässt den Zuschauer nicht los. Er ist ein passiver Held, erlebt Willkür, Vergewaltigung und Massaker. Akin gelingt es dabei, den Genozid eindringlich und ohne ethnische Stereotype zu schildern. Die religiöse Zugehörigkeit seiner Figuren versteckt er geschickt. Der Film scheint einfordern zu wollen, dass Menschen sich nicht dadurch unterscheiden, dass sie zu Allah beten oder zu Jesus, sondern allein durch ihre Handlungen. Der syrische Seifenfabrikant, der Manoogian und andere armenische Flüchtlinge wie selbstverständlich bei sich aufnimmt, tut das als gläubiger Moslem. Später muss er erleben, dass es Vergewaltigungen an ethnischen Minderheiten auch in den USA gibt.
Akins größter Wunsch: "The Cut" im türkischen Kino
Als "The Cut" beim Filmfestival in Venedig Premiere feierte, wurde Akin viel vorgeworfen. Die Fachpresse zeigte sich überwiegend enttäuscht: Die Armenier sprächen merkwürdiges Englisch, der Film sei altmodisch, ein überladenes Drama. Die Frage nach dem ästhetischen Wert des Films ist für den Regisseur nur eine Seite, die andere, bedeutendere, ist das brisante Thema. In der Türkei ist der Genozid an den Armeniern noch heute ein Tabu. Und so überrascht der Optimismus Akins, dass sein Film auch in der Türkei zu sehen sein wird. "Dieser Film kann ohne Bedenken in der Türkei gezeigt werden, er sollte in der Türkei gezeigt werden", so Fatih Akin. "Das ist mein größter Traum, dass der Film in der Türkei regulär in die Kinos kommt." Tatsächlich soll "The Cut" ab dem 5. Dezember in der Türkei im Kino zu sehen sein.
Angst vor Todesdrohungen?
Hat Fatih Akin keine Angst vor Anfeindungen nationalistischer Kreise? Schon einmal ist der Filmemacher bedroht worden, als er ein Projekt über den 2007 ermordeten armenischen Schriftsteller Hrant Dink plante. Das musste er schließlich aufgeben. Doch darüber denkt er nicht nach, wenn es um eine mögliche Ausstrahlung in der Türkei geht, dem Land seiner Vorfahren: "Warum soll ich mich fürchten?" fragt er. "Das ist das, was ich am meisten will." Doch so ganz sicher ist er sich dann doch nicht und räumt ein, dass türkische Kinobesitzer, die "The Cut" zeigen, möglicherweise Probleme bekämen.
Akin: "Film versucht Trauma zu verarbeiten"
Im Interview mit der DW sagte Akin, ihm sei es vor allem um zwei Dinge gegangen: "Mir war wichtig, dass der türkische Zuschauer, der den Film sieht, sich komplett mit der armenischen Hauptfigur identifizieren kann." Dies sei für ihn allererstes und wichtigstes Ziel gewesen. "Mein zweites Ziel war es, dass Armenier, die den Film sehen, sich natürlich auch mit dem armenischen Helden identifizieren." Auch deshalb, weil es der Film eines türkischstämmigen Regisseurs ist. Fatin Akins Eltern wanderten Mitte der 1960er Jahre nach Deutschland ein, er selbst wurde 1973 in Hamburg geboren. Sein Film sei ein Angebot an ein breites Publikum, das Trauma des Genozids an den Armeniern zu verarbeiten, sagt Akin.
Wie soll man Völkermord auf die Leinwand bringen?
Er habe eine Geschichte erzählt, die während des Völkermordes beginnt, die aber auch "eine Tragödie, ein Abenteuer, ein Western, ein Drama, ein Epos" ist. Das habe er von Anfang an angestrebt: "Ich musste eine Geschichte erzählen, eine Allerweltsgeschichte, eine einfache Geschichte." Er habe sich ganz bewusst dafür entschieden, ein Einzelschicksal zu erzählen, "so kinematografisch und konventionell wie möglich". Dieser populäre Ansatz wird dem Film "The Cut" beim Kinostart helfen - in Deutschland zumindest.