Die Umweltministerin, die keiner kennt
12. März 2018In Deutschland ist sie bisher nur Wenigen bekannt: die neue Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Als ihre Personalie Ende letzter Woche bekannt wurde, dürfte sie nur Menschen in Nordrhein-Westfalen (NRW) ein Begriff gewesen sein. Das hat seinen Grund: Außerhalb des bevölkerungsreichsten Bundeslandes ist die bisherige NRW-Wissenschaftsministerin kaum in Erscheinung getreten. Auch nicht mit Umweltthemen.
Das macht sie zu einer doppelten Überraschung: Eine auf Bundesebene unbekannte Politikerin mit einem inhaltlichen Schwerpunkt in Bildungspolitik. Entsprechend schwer fällt die Einordnung: "Sie ist ein unbeschriebenes Blatt. Umweltpolitische Themen kann ich bisher nicht erkennen", sagt Uwe Jun, Professor für das politische System Deutschlands an der Universität Trier. Tatsächlich gibt es in ihrer bisherigen politischen Karriere nur wenige Berührungspunkte mit Umweltthemen. Einzige Ausnahme: Von 2005 bis 2010 war sie umweltpolitische Sprecherin ihrer Landtagsfraktion.
Von der Landes- zur Bundespolitikerin
Schulze ist eine Landespolitikerin. Und keine unumstrittene dazu. Als NRW-Wissenschaftsministerin hat sie die Anwesenheitspflicht für Studierende in Seminaren an nordrhein-westfälischen Universitäten abgeschafft und damit viel Kritik seitens der Lehrenden provoziert. "Mit ihrer Bildungspolitik trägt sie einen Anteil am schlechten Wahlergebnis der SPD bei der letzten Landtagswahl", sagt Jun.
Dennoch gelten ihre Verzweigungen innerhalb der mächtigen NRW-SPD als tief, sie ist gut vernetzt. Seit 20 Jahren macht sie Landespolitik für NRW, vorrangig mit linken Themen. "Sie hat sich immer als linke Frontfrau präsentiert. Das hat ihrer Karriere geholfen", sagt Jun. Als SPD-Chefin Andrea Nahles ihr Bundeskabinett besetzte, habe sie noch eine weibliche, linke Politikerin aus Nordrhein-Westfalen gebraucht - und in Svenja Schulze gefunden. "Es gibt nicht viele, die genau diesen Voraussetzungen entsprechen", so Jun.
Was Schulze bisher geholfen hat - ihr langjähriges politischen Wirken in NRW - könnte sie auf Bundesebene aber behindern. Denn als NRW-Politikerin kommt sie aus einem Bundesland, in dem Braunkohle noch immer eine wichtige Rolle spielt. "Sie ist eine Repräsentantin einer SPD in NRW, die noch meint, auf Kohle setzen zu müssen", sagt der SPD-Experte Gero Neugebauer von der Freien Universität Berlin. "Womit sie ja auch Recht hat, denn dort sitzen die Stammwähler." Als Bundesministerin müsse Schulze aber Gemeinwohl orientiert arbeiten - und sich nicht von den Interessen von Landesverbänden abhängig machen.
Zwischen Kohleindustrie und Nachhaltigkeit
Ebenso wenig wie von der Kohlelobby. Kurz nachdem bekannt wurde, dass Schulze künftig das Umweltministerium führen würde, meldete sich Greenpeace Deutschland mit der ersten Kritik zu Wort: Die richtete sich gegen Schulzes Mitgliedschaft in der Bergbaugewerkschaft "IG BCE". Die Gewerkschaft tritt für lange Laufzeiten für deutsche Kohlekraftwerke ein.
Schulze müsse, so Greenpeace, schnell ihre Unabhängigkeit beweisen. "Wir werden sehr sorgfältig darauf schauen, ob Schulze der Tradition der NRW-SPD als Kohlepartei folgt. Oder ob sie einer neuen Generation angehört", sagt Greenpeace-Klimaexperte Tobias Münchmeyer. Eine Mitgliedschaft bei "IG BCE" müsse aber nicht automatisch eine Kohle-freundliche Politik bedeuten. Auch Schulzes Vorgängerin, Barbara Hendricks, ist Mitglied der Bergbaugewerkschaft.
Hinzu kommt: Schulze selbst ist nicht nur Mitglied des IG BCE, sondern auch des Naturschutzbundes (NABU). Für den "Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland" (BUND) kein Widerspruch: "Frau Schulze hat einen Naturschutzhintergrund und ist mit der Denke der Wirtschaft gut vertraut. Wir hoffen, dass sie dies und ihre Kontakte in die Kohleindustrie sowie zu den Gewerkschaften einsetzen kann", sagt BUND-Klimaschutzexpertin Antje von Broock. Erste Bewährungsprobe für die künftige Ministerin sei die baldige Besetzung der Kohlekommission.
Schulze selbst ist sich ihrer Doppelrolle als künftige Ministerin, die die Interessen der Industrie mit Nachhaltigkeit zusammenbringen muss, offenbar bewusst - zumindest in ihrem Heimatland Nordrhein-Westfalen. Auf ihrer Website gibt sie an, "ökologische Verantwortung und ökonomische Vernunft eng mit sozialer Gerechtigkeit" in NRW verknüpfen zu wollen und spricht von einer "ökologischen industriellen Revolution", die neue Arbeitsplätze schaffen kann. Die große Herausforderung für Schulze wird sein, diesen Anspruch nicht nur in NRW zu vertreten, sondern ihn ins politische Berlin zu überführen.