Politisches Tauziehen um den Diesel
31. Juli 2017Es war die Deutsche Umwelthilfe, die zu Wochenbeginn die Messlatte hochlegte. "Wir werden uns nicht abspeisen lassen mit irgendeinem Schummel-Beschluss", sagte DUH-Chef Jürgen Resch mit Blick auf den für Mittwoch anberaumten Diesel-Gipfel in Berlin. Schummeln, damit meint Resch das Ansinnen der Autoindustrie, durch vergleichsweise günstige Software-Updates für Dieselfahrzeuge der Schadstoffnormen Euro-5 und Euro-6 den Stickoxid-Ausstoß so zu senken, dass Fahrverbote vermieden werden können. Nachdem aber das Stuttgarter Verwaltungsgericht diese Form der Nachrüstung bereits als nicht ausreichend abgeurteilt hat, sieht sich die Umwelthilfe auf dem richtigen Weg. "Wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen", so Resch.
Aussichten, die nicht nur den Autobauern, sondern auch der Politik gar nicht schmecken dürften. Für die Industrienation Deutschland ist die Autobranche mit ihren fast 800.000 Jobs, die auch noch knapp ein Fünftel des gesamten Exportes trägt, viel zu wichtig. Daher sollte der Branche nicht noch mehr als der ohnehin schon angerichtete Schaden zugefügt werden. Fahrverbote für Diesel in Innenstädten gilt es unbedingt zu vermeiden. Doch wie soll das gehen? Diese Frage sollen auf dem Diesel-Gipfel in Berlin die Bosse von VW, BMW, Mercedes, Opel und Ford beantworten.
Mammutveranstaltung ohne Kanzlerin
Da Bundeskanzlerin Angela Merkel im Urlaub weilt, fungieren Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) als Gastgeber. Teilnehmen werden auch die Ressorts Wirtschaft und Forschung, sowie die Regierungschefs von neun Bundesländern. Man wolle mit einer "einheitlichen Linie" in die Verhandlungen gehen, heißt es von Seiten der Bundesregierung. Wie das konkret aussehen soll, war am Montag allerdings noch nicht so richtig auszumachen.
Das liegt offenbar nicht nur an der Abstimmung mit den Ministerpräsidenten der Länder - da seien noch Details zu klären - sondern auch daran, dass Dobrindt und Hendricks ein durchaus ungleiches Paar sind, das nicht unbedingt die gleichen politischen Ziele verfolgt. Die SPD-Politikerin macht keinen Hehl daraus, dass ihr Software-Updates nicht ausreichen. "Wir können die Emissionen bei der Euro 5- und Euro 6-Flotte nur dann deutlich reduzieren und Fahrverbote vermeiden, wenn eine Nachrüstung erfolgt", heißt es aus dem Umweltministerium.
Wer trägt die Kosten?
Damit ist der nachträgliche Einbau von größeren Tanks für Harnstoff gemeint, der schädliches Stickoxid in Wasser und Stickstoff umwandelt. Während ein Software-Update die Autoindustrie mit rund 100 Euro pro Fahrzeug vergleichsweise wenig kosten würde, müsste sie bei einer Hardware-Nachrüstung pro Fahrzeug mit mindestens 1500 Euro rechnen. Die Autoindustrie hält das für eine Zumutung, daraus machen die Bosse keinen Hehl. Minister Dobrindt beschwichtigt. Es müsse zunächst von und mit Experten geprüft werden, "ob es zusätzliche Hardwarelösungen für bestimmte Wagentypen" überhaupt geben könne.
Nach wie vor versucht Dobrindt, den Diesel-Skandal betont gelassen zu managen. Zwar sagte er in der vergangenen Woche, die Autobauer sollten ihrer "verdammten Verantwortung" gerecht werden und Fehler beheben. Mehr "Angriff" war bislang jedoch nicht zu vernehmen. Inzwischen sind zudem Vorwürfe aufgetaucht, das Dobrindt unterstellte Kraftfahrtbundesamt (KBA) habe auf Betreiben des Automobilbauers Porsche Untersuchungsberichte zum Abgas-Skandal geschönt und der Minister habe schon länger als vermutet von der eingebauten Betrugs-Software gewusst.
Verkehrsminister in Bedrängnis
Das Verkehrsministerium dementierte die Vorwürfe zwar umgehend, doch Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) forderte ihren Kollegen trotzdem auf, die Sache schnell aufzuklären: "Dobrindt muss öffentlich darstellen, was er, sein Ministerium und das Kraftfahrtbundesamt wussten", so Zypries. "Wir brauchen diese Informationen noch vor dem Autogipfel am 2. August."
Die Grünen bezweifeln unterdessen, dass sich die Bundesregierung tatsächlich ernsthaft mit der Autoindustrie auseinandersetzen will. "Wir erleben eine Bundesregierung, die hofft, mit ihren Deals mit der Automobilindustrie weitermachen zu können", so die grüne Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt nach einem Gespräch ihrer Fraktion mit Verbraucherschützern und Umweltverbänden zum Abgas-Skandal. Bei dem Gipfel am Mittwoch müssten "Ergebnisse rauskommen, die dafür sorgen, dass der Gesundheitsschutz gewährleistet ist und klar ist, wer die Kosten dafür übernimmt". Es dürfe nicht sein, dass zum Schluss die Verbraucher, also die Autobesitzer, oder die Steuerzahler zur Kasse gebeten würden. "Der Schaden muss geheilt werden und zwar von den Unternehmern selber."
Grüne Zukunft ohne Abgase
Die Bewältigung des Abgasskandals und seiner Folgen sind für die Grünen allerdings nur ein erster Schritt. Mittel- und langfristig gehe es darum, eine "Verkehrswende" einzuleiten und einen Weg zum insgesamt abgasfreien Autoverkehr zu finden. Vorstellbar sei, eine "Zukunftskommission umweltfreundliche Mobilität" einzusetzen. Ex-Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) sei bereit, diese Kommission zu leiten, sagte der grüne Spitzenkandidat Cem Özdemir. Vorbild solle die Ethikkommission "Sichere Energieversorgung" sein, die nach der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 den gesellschaftlichen Kompromiss für Atomausstieg und Energiewende vorbereitet hat.