Klimaziele werden deutlich verfehlt
11. Oktober 2017Die scheidende Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Blick auf die anstehenden Verhandlungen mit FDP und Grünen über eine mögliche Regierungsbildung an ihr Klimaschutz-Versprechen erinnert. "Das 40-Prozent-Ziel bis 2020 darf auf keinen Fall aufgegeben werden, das wäre auch international ein falsches Signal", sagte Hendricks der Deutschen Presse-Agentur. "Es ist gut, dass die Bundeskanzlerin öffentlich versprochen hat, mit der neuen Bundesregierung die Erreichung des Zieles sicherzustellen." Noch besser wäre es allerdings gewesen, wenn Merkel in den vergangenen vier Jahren beim nationalen Klimaschutz "nicht nur von der Seitenauslinie zugesehen hätte", kritisierte die SPD-Politikerin.
Bis zum Jahr 2020 sollen die klimaschädlichen Emissionen um 40 Prozent unter den Wert von 1990 gedrückt werden - doch ohne eine "Nachsteuerung" sei bis 2020 bestenfalls ein Minus von 32,5 Prozent zu erwarten, heißt in einem der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden Papier des Ministeriums. Schlimmstenfalls würden die Emissionen nur um 31,7 Prozent sinken. Merkel hatte im Wahlkampf am 40-Prozent-Ziel festgehalten.
Die vorliegenden Auswertungen seien "hochgradig überschlägig und mit großen Unsicherheiten behaftet", heißt es in der Analyse, über die am Mittwoch zuerst die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte. Dennoch ließen sie zumindest die Gefahr einer "deutlich größeren Klimaschutzlücke" im Jahr 2020 plausibel erscheinen.
"Eine Zielverfehlung in einer solchen Größenordnung wäre für die Klimaschutzpolitik Deutschlands ein erheblicher Rückschlag", warnen die Autoren. Auch in Bezug auf das internationale Ansehen Deutschlands als Klimaschutzvorreiter sei dies "verheerend".
Hohe Emissionen bei der Stomerzeugung
Hauptgrund für die mögliche Verfehlung sind demnach die weiterhin hohen Emissionen bei der Stromerzeugung. So ist zwar der Anteil erneuerbarer Energien in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Gleichzeitig produzierten die deutschen Kohlekraftwerke jedoch fleißig weiter für den Export.
Dies bedeute zehn Millionen Tonnen an Treibhausgas-Emission zusätzlich, heißt es in dem Papier des Ministeriums. Weil parallel sowohl Bevölkerung als auch Wirtschaft wüchsen, steige auch der Stromverbrauch. Dies mache weitere zehn Millionen Tonnen zusätzliche Emissionen aus. Je 12,5 Millionen Tonnen CO2 bedeuten einen Prozentpunkt für das Klimaziel.
"Deutschland droht eine gigantische Blamage", erklärte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. "Die Aufgabe der nächsten Bundesregierung ist klar: Sie muss die Lücke schnellstmöglich schließen." Dazu brauche es ein schnelles Einleiten des Kohleausstiegs, eine Beschleunigung der Energiewende und mehr Tempo beim Umstieg auf nachhaltige Mobilität.
stu/fab (afp, dpa)