Wie blickt die Welt auf Deutschland?
8. Juli 2021Für ihre gemeinsame Studie "Außenblick - Internationale Perspektiven auf Deutschland in Zeiten von Corona" haben die drei deutschen Mittlerorganisationen - die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und das Goethe-Institut - mehr als 620 Expertinnen und Experten aus Kultur, Wissenschaft und internationaler Zusammenarbeit aus 37 Ländern befragt. Mit 50 von ihnen wurden anschließend tiefergehende Interviews geführt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich während der Präsentation in Berlin mit einer Videobotschaft zu Wort meldete, nannte das Ergebnis eine "faszinierende Momentaufnahme mit zum Teil erwartbaren, aber auch überraschenden Antworten". Die positiven Rückmeldungen seien Bestätigung für bisheriges und Ansporn für weiteres Engangement. "Die kritischen Kommentare sollten uns Ansporn sein, an Verbesserungen zu arbeiten", sagte die scheidende Regierungschefin, die den drei Organisationen für ihre Arbeit "von Herzen" dankte.
Tatsächlich liest sich das 120-Seiten-Papier wie eine To-Do-Liste für die neue Bundesregierung, die im Herbst gewählt wird. Ziel der Studie sei ein "Abgleich der Eigen- und Fremdwahrnehmung" gewesen, wie GIZ-Vorstandssprecherin Tanja Gönner, Goethe-Generalsekretär Johannes Ebert und DAAD-Generalsekretär Kai Sicks erläuterten. "Wir sammeln die differenzierten Außenbilder informierter Deutschlandkenner*innen und deren scharfsinnige Kommentare, um damit eigene blinde Flecken zu identifizieren und bekannte Standpunkte und Lösungsansätze zu kalibrieren", heißt es im Vorwort der Studie.
Nachholbedarf beim Umweltschutz
Denn die Ergebnisse überraschen kaum: So punktet Deutschland im Wesentlichen mit wirtschaftlicher Stärke, demokratischer Stabilität und kultureller Strahlkraft. Nachholbedarf sehen die Studienteilnehmenden allerdings bei der Digitalisierung, beim Klima für Innovationen und beim Zugang zu Deutschlands Hochschulen. Und: In Deutschland gebe es zwar ein großes gesellschaftliches Interesse an Umweltthemen, so die Befragten, doch komme der Umweltschutz in den Unternehmen zu kurz.
Mit seiner Kolonialgeschichte setze Deutschland sich "nicht ausreichend" auseinander, monieren die Befragten außerdem. Als eines der größten Risiken wird die Zunahme populistischer und extremistischer Tendenzen eingeschätzt: Studienteilnehmende beschreiben, dass sie in den vergangenen Jahren in Deutschland weniger Freundlichkeit erlebt und verstärkt das Gefühl gehabt hätten, nicht willkommen zu sein.
International sollte Deutschland der Studie zufolge deutlicher Position beziehen, allerdings ohne dominant aufzutreten. So werde es außenpolitisch bedeutsam sein, wie Deutschland künftig im Spannungsfeld zwischen China, USA und Russland agiert - bei gleichzeitigem Eintreten für ein starkes Europa, erläutern die Studienautoren.
Kultur genießt hohes Ansehen
Grundsätzlich könne sich Deutschland in den Bereichen Forschung, Wissenschaft, Kunst oder Film noch intensiver international austauschen. "Deutschland wird weiter als Kulturland mit internationaler Strahlkraft gesehen", resümierte Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts.
"Dass Theater und Museen auch in der Pandemie mit großem finanziellem Einsatz unterstützt wurden, sieht man als klares gesellschaftliches Bekenntnis zum Stellenwert von Kultur." Der Studie zufolge fanden die weltweiten Kultur- und Wissenschaftsbeziehungen Deutschlands mit ihrem kooperativen Ansatz besondere Anerkennung.
Und wie gut hat Deutschland die Corona-Pandemie bewältigt? Auch darum ging es in der weltweiten Befragung "Außenblick". Glänzende Noten erhielt das deutsche Corona-Management für das Frühjahr 2020. Verwunderung löste jedoch während der zweiten Corona-Welle das Starttempo der Impfkampagne aus, ebenso die mangelnde Bereitschaft in der Bevölkerung, sich an Corona-Regeln zu halten.
Aus der gemeinsamen Studie wollen GIZ, DAAD und Goethe-Institut jetzt praktische Schlüsse ziehen. "Der digitale Wandel spielt in unserer Arbeit eine wachsende Rolle", konstatierte GIZ-Vorstandssprecherin Tanja Gönner. "wir kümmern uns intensiv darum, unsere Gestaltungskraft einzubringen und auszuweiten." DAAD-Generalsekretär Sicks verwies auf den "Wunsch internationaler Talente nach einem einfacheren Zugang zum deutschen Bildungssystem". Und Goethe-Generalsekretär Ebert sieht sein Institut bestärkt, die Deutschlern-Angebote im In- und Ausland ″weiterzuentwickeln und zu verstärken".