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Chemiewaffen

Stephanie Höppner17. September 2013

Das tödliche Nervengift Sarin ist nach dem Bericht der UN-Chemiewaffeninspekteuren definitiv in Syrien eingesetzt worden. Welche Chemiewaffen gibt es noch, woraus bestehen sie und wie werden sie hergestellt?

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Chemiewafen-Lager (Foto: Alexander Karelin +++(c) dpa - Report+++)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Einsatz von chemischen Waffen ist keine neuzeitliche Erscheinung. Schon in der Antike verbrannten die Perser Pech und Schwefel, um römische Legionäre zu vergiften. Im Ersten Weltkrieg wurde erstmals das tödliche Chlorgas exzessiv verwendet - es war der Beginn der modernen Kriegsführung mit Massenvernichtungswaffen. Insgesamt wurden damals rund 124.000 Tonnen chemischer Waffen eingesetzt. Etwa 90.000 Menschen starben, eine Million Menschen erlitt teilweise schwere Gesundheitsschäden. Als Vater der Giftgaswaffen gilt übrigens ein deutscher Wissenschaftler, der Chemiker Fritz Haber. 1918 erhielt er den Chemienobelpreis, allerdings für eine andere Entdeckung.

Schon früh waren die Chemiewaffen umstritten. Bereits 1925 hielt das Genfer Protokoll fest, dass ihr Einsatz geächtet werden soll. Trotzdem: Auch im Zweiten Weltkrieg, im Vietnamkrieg und im Ersten Golfkrieg wurden chemische Kampfstoffe eingesetzt. Innerhalb kürzester Zeit vernichteten sie Tausende Menschenleben. Bei einem einzigen Giftgasangriff starben am 16. März 1988 in der irakischen Stadt Halabdscha fast 5000 Kurden - vor allem Frauen und Kinder.

Die Bemühungen für ein Verbot hielten an, im April 1997 trat schließlich die Chemiewaffenkonvention in Kraft. 188 Vertragsstaaten unterschrieben das Abkommen. Syrien, aber auch Angola, Burma (Myanmar), Ägypten, Israel, Nordkorea und der Südsudan gehören jedoch nicht dazu. Die Konvention schreibt die vollständige Zerstörung sogenannter C-Waffen vor. Die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) mit Sitz im niederländischen Den Haag wacht mit ihren 500 Mitarbeitern über die Einhaltung.

Zwei russische Soldaten auf Patrouille in einem Chemiewaffen-Lager (Foto: AP Photo)
Eine internationale Konvention verbietet seit 1997 ChemiewaffenBild: AP

Tod durch Atemstillstand

Chemiewaffen bestehen aus einem chemischen Kampfstoff und einem Träger - etwa Minen, Handgranaten, Bomben, Sprühtanks oder Raketensprengköpfe. Sie haben entweder eine erstickende, eine lähmende oder eine giftige Wirkung. Anfangs bestanden sie aus giftigen Gasen, wie zum Beispiel Chlor oder Blausäure – Stoffe aus der chemischen Industrie. Doch diese erwiesen sich als flüchtig. Die Industrie begann, die Gifte in flüssiger Form herzustellen. Dadurch gelangten diese nicht mehr nur in die Lunge, sondern konnten sich über Hautkontakt im ganzen menschlichen Organismus ausbreiten und dort verheerende Folgeschäden anrichten. Ein gefürchteter Stoff in dieser Gruppe ist das sogenannte Senfgas. Bereits 1822 gelang einem belgischen Chemiker zufällig die Herstellung der übelriechenden Flüssigkeit, die bereits im Ersten Weltkrieg tausende Menschen verwundete oder tötete.

Sarin, das in Syrien zum Einsatz gekommen sein soll, gehört zu der Gruppe der Nervengifte. Es wurde im Zweiten Weltkrieg entwickelt und ist bereits in kleinen Mengen tödlich. Auch Sarin gelangt nicht nur über die Atemwege in den Körper, sondern ebenfalls über die Haut. "Man kann sich gegen Sarin nicht schützen, es sei denn man trägt einen Ganzkörperanzug", sagt Gunnar Jeremias, der Leiter der Forschungsstelle Biowaffenkontrolle am Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung an der Universität Hamburg. "Es bewirkt, dass die Erregung zwischen den Nervenzellen unterbrochen wird und damit die Atmung aussetzt."

Folgeschäden über Generationen

Nicht immer endet der Einsatz tödlich. Doch kommt es zu verheerenden gesundheitlichen Schäden, etwa Erblindungen, Hautverätzungen oder Missbildungen von Föten. Einige chemische Waffen verseuchen die Umwelt so nachhaltig, dass die Spätfolgen für den Menschen kaum zu beziffern sind. Dazu gehört zum Beispiel "Agent Orange", ein chemisches Entlaubungsmittel, das die USA während des Vietnamkrieges einsetzten. Schätzungsweise zwei bis vier Millionen Menschen leiden unter den Spätfolgen des Herbizids. "Es gilt zwar vor dem Völkerrecht nicht als chemische Waffe, weil die eigentliche Wirkung eben nicht darauf abzielte, Menschen zu töten oder zu schädigen, sondern eine Entlaubung der Wälder herbeizuführen. Aber letztlich muss man natürlich sagen, dass daran ausgesprochen viele Leute zu Tode gekommen oder schwer erkrankt sind", sagt der Giftwaffen-Experte Gunnar Jeremias.

Syrische Kämpfer mit Gasmake (Foto: Pierre Torres/AFP/GettyImages)
Eine Gasmaske als Schutz: UN-Inspektoren haben den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien nachgewiesenBild: Pierre Torres/AFP/GettyImages

Leicht herzustellen, lange haltbar

Chemiewaffen sind noch immer leicht herzustellen. Kompliziert ist eher die Beschaffung der erforderlichen Einzelbestandteile. Das internationale Chemiewaffenverbot betrifft daher auch die Herstellung und den Handel besonders relevanter Substanzen, die für die Herstellung chemischer Waffen genutzt werden können. Experten gehen aber davon aus, dass diese Stoffe auf dem internationalen Schwarzmarkt gehandelt werden.

Zu alledem sind chemische Kampfmittel auch noch höchst haltbar. So findet sich im deutsch-französischen Grenzgebiet immer noch chemische Munition aus dem Ersten Weltkrieg, die heute aufwändig entsorgt werden muss. Auch sollen in den USA und in Russland noch große Arsenale lagern - dem internationalen Abkommen zum Trotz.