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Obama in der Zwickmühle

Gero Schließ, Washington26. April 2013

Der Druck auf Barack Obama wächst: Nach jüngsten Berichten des Geheimdienstes über den Einsatz chemischer Waffen in Syrien wird in Washington der Ruf nach militärischem Eingreifen laut. Doch der Präsident zögert.

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US-Verteidigungsminister Chuck Hagel im Gespräch mit Reportern nach seinem Statement über Giftgaseinsätze in Syrien (Foto: REUTERS/Jim Watson)
US-Verteidigungsminister Chuck Hagel war einer der ersten, die von einem Chemiewaffeneinsatz in Syrian sprachenBild: Reuters

Hat das syrische Assad-Regime jetzt die oft zitierte "rote Linie" Barack Obamas überschritten, die der Präsident immer mit dem Einsatz chemischer Waffen verbunden hatte? Für Senator John McCain und andere Republikaner ist das nach den jüngsten Meldungen des US-Geheimdienstes ganz offensichtlich der Fall. Und sie fordern sogleich verstärktes militärisches Engagement.

Doch die Berichte des US-Geheimdienstes über den Gebrauch chemischer Waffen in Syrien sind keineswegs so eindeutig. Sie lassen ganz offensichtlich Spielraum für Interpretationen und damit für verschiedenste politische Optionen. Genau das scheint gewollt zu sein und verschafft Obama und seinen Verbündeten in Europa und in der Region Zeit, sich zu positionieren. Es könne nur mit "unterschiedlichen Graden der Sicherheit" gesagt werden, dass Gift "in kleinem Umfang" in Syrien eingesetzt worden sei, heißt es eher zurückhaltend aus dem Weißen Haus.

US-Senator John McCain (Foto: imago/UPI Photo)
Senator John McCain: "Rote Linie überschritten"Bild: imago/UPI Photo

Militärische Intervention unwahrscheinlich

Zwar hatte Obama dem syrischen Diktator Baschar al-Assad für den Fall des Chemiewaffeneinsatzes immer wieder mit Konsequenzen gedroht, doch ob es jetzt zu einer Intervention amerikanischer Bodentruppen kommt, ist auch für Charles Mallory vom Aspen Institute eher unwahrscheinlich: "Ich zweifle daran. Ich glaube, es gibt in der amerikanischen Öffentlichkeit wenig Verlangen nach einer weiteren Intervention im Nahen Osten, nachdem die Amerikaner 10 Jahre dort gewesen sind", sagt Mallory der Deutschen Welle. "Meine Einschätzung ist, dass es Anstrengungen geben wird, Syrien im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu verurteilen."

Außerdem könnten auch schärfere Sanktionen gegenüber Syrien verhängt werden. "Doch bevor es nicht so furchtbare Fernsehbilder gibt wie damals nach dem irakischen Giftgasangriff auf die kurdische Stadt Halabtscha, wird es keine amerikanische Intervention geben." Am 16. März 1988 hatten Flugzeuge des Regimes von Saddam Hussein die kurdische Stadt Halabtscha mit chemischen Bomben angegriffen. Mehr als 5000 Menschen kamen damals ums Leben.

Syrische Kämpfer erproben den Einsatz von Atemschutzmasken (Foto: Pierre Torres/AFP/GettyImages)
Proben für den Ernstfall: Kämper mit Gasmaske in AleppoBild: Pierre Torres/AFP/GettyImages

Misstrauen gegenüber Geheimdienst

Der Blick auf den Irak ruft in Washington ungute Erinnerungen wach. Im Jahre 2003 hatte der damalige US-Außenminister Colin Powell dem UN-Sicherheitsrat, gestützt auf Erkenntnisse der Geheimdienste, angebliche Beweise vorgelegt, wonach der Irak Massenvernichtungswaffen besitze. Später stellte sich das als haltlos heraus.

Und so liegt es nahe, dass Obama und seine europäischen Verbündeten auf belastbaren Informationen bestehen und sich für eine UN-Untersuchung vor Ort aussprechen. Charles Mallory vom Aspen Institut sieht denn auch eher Handlungsoptionen unterhalb der Ebene der direkten Intervention: "Eine besteht in der verstärkten Unterstützung und Bewaffnung der Rebellen. Eine andere besteht darin, Saudi Arabien, Katar und die Türkei weiter zu unterstützen. Es gibt für mich kein Entweder - Oder: intervenieren oder nicht intervenieren. Es gibt eine ganze Bandbreite von politischen Möglichkeiten, die dem Präsidenten zur Verfügung steht."

Präsident Obama sei gewählt worden, die beiden Kriege in Irak und Afghanistan zu beenden, und nicht einen neuen zu beginnen, sagt Bruce Riedel von der angesehenen amerikanischen "Brookings Institution" der Deutschen Welle. Da es weder einen großen Kriegs-Enthusiasmus in den USA noch ein internationales Mandat gibt - hier würden sich China und Russland vermutlich weiter sperren -, wird es auch seiner Meinung nach zu keiner Intervention kommen.

"Demütigung" für Obama - Wirkung auf Iran

Präsident Obama müsse aber darauf achten, dass er in der Region weiter ernst genommen wird mit seinen Drohungen. Riedel konstatiert jetzt schon eine gewisse "Demütigung" des Präsidenten. Dies kann ihm nicht nur im Syrienkonflikt nachhaltig schaden, sondern auch gegenüber dem Iran, mit dem es seit längerem eine Auseinandersetzung wegen dessen Atompolitik gibt. Die Androhung militärischer Gewalt durch die USA und Israel habe den Iran schon bisher nicht von seinem Atomprogramm abgehalten: "Die Iraner haben gedacht, dass die USA bloß bluffen und dass Israel nicht die militärischen Möglichkeiten besitzt. Sie dürften sich jetzt in ihrer Einschätzung bestärkt fühlen." 

Bruce Riedel von der Brookings Institution (Foto: Brookings Institution)
Erwartet keine US-Intervention: Bruce Riedel von der Brookings InstitutionBild: Brookings Institution

UN und NATO stärker einbinden

Schon spricht der republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, John Boehner, von einer Schwächung der amerikanischen Position durch die "Mehrdeutigkeit", mit der die Administration von Präsident Obama mit Begriffen wie der "roten Linie" umgeht. Eine Befassung des UN-Sicherheitsrates und eine Aufklärungsmission in Syrien unter der Verantwortung der UN sieht er als eine "Auslagerung" der Verantwortung, wie in der "Washington Post" zu lesen war.

Dennoch ist es sehr wahrscheinlich, dass die USA noch stärker mit zwei multilateralen Organisationen zusammenarbeiten. Neben den Vereinten Nationen ist das die NATO, in der neben Deutschland vor allem Großbritannien und Frankreich über schlagkräftiges militärisches Potenzial verfügen. Ob es wie im Falle Libyens zum Zuge kommt, ist aber noch lange nicht ausgemacht. Genauso wenig, ob in einem solchen Falle auch deutsche Soldaten beteiligt wären.