Ruanda: Ein Paradies für Frauen?
7. März 2019"Es sicherlich nicht alles perfekt hier, aber ich denke, dass Ruanda in Sachen Frauenpolitik mit gutem Beispiel vorangeht", sagt Natacha Umutoni im Gespräch mit der DW. Die Bloggerin und Unternehmerin aus Kigali ist stolz: 25 Jahre nach dem Genozid liegt ihr Land in einer Studie des Weltwirtschaftsforums zur Gleichstellung von Frauen und Männern weltweit auf Platz 6. Deutschland liegt weit dahinter auf dem 14. Rang.
Bereits 2005 wurde in Ruanda ein Quotensystem eingeführt, damit mehr Frauen in Führungspositionen aufsteigen können. 30 Prozent aller Stellen im öffentlichen Dienst sind für sie reserviert. Im Parlament liegt der Frauenanteil sogar bei 61,3 Prozent - ein Weltrekord. Im Deutschen Bundestag liegt sie bei gerade mal 30,7 Prozent.
Immer mehr Frauen in Führungspositionen
"Politisch macht sich der hohe Anteil von Frauen im Parlament dadurch bemerkbar, dass immer mehr Gesetze Frauenrechte stützen", meint Natacha Umutoni. Die Bloggerin warnt jedoch: Bis zur völligen Gleichstellung von Mann und Frau sei es auch in Ruanda noch ein langer Weg. Darin seien sich fast alle Frauen in Ruanda einig.
Auch Ruandas Parlamentspräsidentin Donatille Mukabalisa erinnert öffentlich immer wieder daran, dass der Weg zu einer kompletten Gleichberechtigung lang und beschwerlich ist. "Wir sollten nicht vergessen, dass wir seit jeher in einem patriarchalischen System leben. Es gibt immer noch viele Leute, die mit Genderfragen nichts anfangen können. Gegen diese Widerstände müssen wir Frauen in Ruanda immer noch ankämpfen."
Ruandas Frauenpolitik hat nicht nur Auswirkungen auf den öffentlichen Dienst. Auch in der Wirtschaft tut sich etwas: Eine neue Generation von Managerinnen wird immer sichtbarer: Die Chefsessel der Fluglinie RwandAir oder der größten Bank, der Bank of Kigali, etwa, besetzen Frauen. Allerdings ist die Regierung größer Aktionär der Bank, RwandAir gehört ihr ganz.
Der lange Schatten des Völkermordes
"Nach dem Völkermord haben vor allem die Frauen das Land wieder aufgebaut", sagt Bloggerin Natacha Umutoni. Dass Gleichberechtigung in Ruanda in der Verfassung stehe sei auch eine Folge des dunkelsten Kapitels in der Geschichte des Landes. Gleichberechtigung ist Staatsziel und in der Verfassung von 2003 festgeschrieben.
„Nach dem Blutbad mit einer Million Toten waren wir Frauen in Ruanda gezwungen, uns ohne unsere Männer durchzuschlagen. Sie mussten ihre Fähigkeit beweisen. Die Frauen Frauen in Ruanda waren gezwungen das Land wieder aufzubauen um zu überleben", erinnert Natacha Umutoni.
International hat Ruandas Präsident Paul Kagame nicht immer eine gute Presse: Sein Regime sei autoritär, jegliche Opposition werde mit Gewalt unterdrückt, klagen Menschenrechtsorganisationen.
Doch wenn es um die Frauenpolitik Ruandas geht, sind die Schlagzeilen ausnahmslos positiv: "Runda, Land der Frauen", "Frauenwunder in Ruanda", "Paradies für Frauen", "Erfolgsgeschichte der ruandischen Frauen". Die Frauenpolitik hilft der Kagame-Regierung, ihr angekratztes Image zu verbessern.
Nur Symbolpolitik?
"Das Genderprogramm in Ruanda hat nicht nur positive Aspekte, aber in der Presse, vor allem außerhalb Ruandas, werden vor allem die positiven Seiten herausgestellt", sagt der ruandische DW-Journalist Fred Muvunyi. Misserfolge würden dagegen oft unter den Teppich gekehrt, so Muvunyi weiter. Weniger bekannt sei etwa, dass Minister in Ruanda keine Macht haben, über die Haushalte ihrer Ministerien zu entscheiden. Auch im Parlament haben Frauen bis jetzt ihre Interessen nicht immer durchsetzen können. Zum Beispiel beim Thema Elternzeit. "Der gesetzliche Mutterschutz liegt in Ruanda immer noch bei 12 Wochen. Und das ist nicht viel", bestätigt Natacha Umutoni.
Journalist Fred Muvunyi sieht es noch kritischer: Geschlechterparität in der ruandischen Politik mische sich nicht selten mit politischer Propaganda. "Sie ist oft meist nicht mehr als Symbolpolitik", so Muvunyi.
Kritik an Umgang mit Oppositionspolitikerin
Besonders kritisch bewertet er den Umgang der Kagame-Regierung mit Frauen aus der Opposition: "Auf der einen Seite behauptet Kagame, dass er die Position von Frauen in der Gesellschaft stärken will. Und gleichzeitig steckt er diejenigen Frauen ins Gefängnis, die sich stark genug fühlen, bei Wahlen gegen ihn anzutreten. Wie ist es möglich, dass Frauen, die den Präsidenten herausfordern, vom Präsidenten so respektlos behandelt werden?", fragt er.
Er bezieht sich damit auf Geschäftsfrau und Frauenrechtlerin Diane Rwigara. Sie wollte bei der Präsidentenwahl 2017 gegen Kagame antreten. Doch die ruandische Wahlkommission ließ sie nicht als Kandidatin zu. Rwigara wurde vorgeworfen, die für die Kandidatur erforderlichen Unterschriften gefälscht, Steuern hinterzogen und zum Regierungssturz aufgerufen zu haben. Im September 2017 wurde sie verhaftet. Erst im Dezember 2018 sprach sie ein Gericht von allen Vorwürfen frei. Viele Kritiker hielten die Vorwürfe gegen sie schon von Anfang an für politisch motiviert.