Bonoua und die Angst vor dem Wahltag
29. Oktober 2020Wenn John Ekra durch die Straßen von Bonoua geht, bleibt er immer wieder stehen. Mal grüßt er Marktfrauen, dann plaudert er mit Jugendlichen. Ekra, ein junger Mann im rosa Hemd, stammt aus Bonoua. Die Stadt im Süden des Landes gilt als Hauptstadt des Ananas-Anbaus.
Hier setzt sich Ekra für ein friedliches Miteinander der Menschen ein - privat und als Ansprechpartner eines Dialogprojekts, das die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung gemeinsam mit der ivorischen Menschenrechtsorganisation RAIDH initiiert hat.
Jetzt, am späten Vormittag, wirkt das Stadtzentrum von Bonoua ruhig. Passanten erledigen ihre Einkäufe und unterhalten sich. Niemand ist in Eile oder wirkt angespannt.
Polizeiwache ging in Flammen auf
Doch das kann sich schnell ändern. Ekra bleibt vor den Mauern der Polizeistation stehen. Davor stehen ein paar ausgebrannte Autowracks. Am 13. August zündeten wütende Demonstranten auch die Wache an. "Das muss neu aufgebaut werden", sagt er und zeigt auf die Trümmer. Seitdem kam es immer wieder zu Demonstrationen, Tränengas wurde eingesetzt. Vier Menschen sind bereits gestorben.
Auslöser: die Ankündigung des amtierenden Präsidenten Alassane Ouattaras, für eine dritte Amtszeit zu kandieren. Möglich macht das eine Verfassungsänderung von 2016. Sie gestattet dem Präsidenten zwar nur zwei Amtsperioden - frühere Mandate zählen aber nicht. So kann er nach zehn Jahren an der Macht wieder antreten.
Keine Jobs, keine Perspektiven
Bonoua gilt als Hochburg von Ouattaras ewigen Kontrahenten Laurent Gbagbo. Der 75-Jährige lebt in Belgien im Exil. Die Wahlkommission lies ihn nicht zu den Wahlen zu, weil er wegen Bereicherung zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt worden war. Bei den Wahlen 2010 waren die beiden Kontrahenten gegeneinander antreten - anschließend kam es zu gewaltsamen Protesten mit dreitausend Toten.
Ekra sieht seine Heimat Bonoua nicht als Gbagbo-Hochburg. Gbagbo habe aber das lokale Volk der Abouré sehr unterstützt. Viele Menschen lehnten den Präsidenten aufgrund der schwierigen Lebensumstände ab. "Wenn junge Menschen hier mehr Arbeit hätten, würden sie nicht für wenig Geld auf die Straßen gehen." Das Wirtschaftswachstum in der Elfenbeinküste lag in den Jahren vor der Corona-Pandemie bei rund sieben Prozent, doch längst nicht jeder hat davon profitiert.
Unter den Opfern der Proteste sind nicht nur Anhänger von Ouattara und Gbagbo. Vor dem Haus von Thérese Adje und Frederic Kissi hat sich eine Gruppe Frauen versammelt, um dem Paar einen Kondolenzbesuch abzustatten. Auf einer Holzbank liegen vergrößerte Fotos ihres Sohnes Armel. Er war in der Ausbildung und wollte Klempner werden, bis es am 19. Oktober passierte. Diesen Montag kann sein Vater Frederic nicht vergessen. "Er verließ das Haus für eine Besorgung." Wieder hatte die Opposition zu Demonstrationen aufgerufen, und der 25-Jährige kam nie zurück. Er geriet in den Protest und wurde erschossen.
Am Nachmittag rief man Kissi ins Rathaus: "Die Leiche meines Sohnes war dort." Anschließend hätten Bürgermeister, Unterpräfekt und Polizeichef ihm ihr Beileid ausgesprochen. Kissi kann noch immer nicht fassen, dass er seinen Sohn verloren hat. "Unser Kind ist tot!", sagt er mit erregter Stimme.
Angespanntes Warten auf den Wahltag
Umso unwohler fühlt er sich, wenn er an den Wahltag am 31. Oktober denkt. Zwei Oppositionskandidaten, Henri Konan Bédié, der in den 1990er Jahren Präsident war, und Pascal Affi N'Guessan, haben zum Wahlboykott aufgerufen. "Klar ist, dass uns das große Sorge bereitet", sagt Frederic Kissi. Es ist unklar, ob und wie der Wahltag gestört werden soll. Schon jetzt ist die Polizei viel präsenter als üblich.
Während bei der alten Politikerriege, die seit Jahrzehnten die Geschehnisse in der Elfenbeinküste bestimmt, die Fronten als extrem verhärtet gelten, macht John Ekra in Bonoua vor, wie Zusammenarbeit funktioniert. In einem Café gegenüber der zerstörten Polizeiwache hat er Jugendvertreter aller Parteien eingeladen. Niemand hat sich der Einladung verweigert.
"Wir müssen jetzt alle sensibilisieren, damit keine Gewalt ausbricht", sagt Ekra und hat noch eine weitere Forderung: "Mein Wunsch wäre, dass sich Bédié, Ouattara und Gbabgo zurückziehen und Platz für andere Kandidaten machen. Wir sind der alten Geschichten müde!"