Elfenbeinküste: Protest gegen den Präsidenten
14. August 2020In mehreren Stadtteilen der Fünf-Millionen-Metropole Abidjan ist die Lage nach wie vor angespannt. Nach Aufrufen der Oppositionsparteien und Vertretern der Zivilgesellschaft hatten am Mittwoch und Donnerstag zumeist junge Demonstranten Barrikaden errichtet und Reifen verbrannt. In mehreren anderen Städten des 25-Millionen-Einwohner-Landes kam es zu Ausschreitungen zwischen Anhängern und Gegnern von Präsident Alassane Ouattara, der bei den Wahlen am 31. Oktober ein drittes Mal kandidieren will, obwohl er zuvor einen Verzicht angekündigt hatte. Dabei kam es auch zu Zusammenstößen von Demonstranten mit Sicherheitskräften. Für dieses Wochenende sind weitere Kundgebungen geplant.
"Viele Autos und andere Gegenstände wurden umgeworfen und in Brand gesetzt, ganze Straßenzüge wurden unpassierbar gemacht, viele Leute konnten nicht zur Arbeit", berichtet DW-Korrespondent Julien Adayé über die Lage in Abidjan. So sei ein Gerichtsgebäude im Stadtteil Yopougon blockiert worden: "Obwohl die Demonstrationen von den Behörden verboten worden waren, brach der Verkehr im Bereich des Gerichts zeitweise zusammen." In Yopougon setzten die Sicherheitskräfte Tränengas ein, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.
Offiziellen Angaben zufolge sind mindestens vier Menschen bei den Ausschreitungen ums Leben gekommen. Journalist Adayé sagt, die meisten Demonstranten hätten sich für einen Abtritt von Präsident Ouattara ausgesprochen. Sie seien der Meinung, dass seine erneute Kandidatur gegen die Verfassung verstoße. "Vor allem die Jugend will keine dritte Amtszeit Ouattaras akzeptieren", so Adayé.
Ein Jugendlicher aus dem Distrikt Anono erklärt seine Position zu Ouattara so: "Alassane Ouattara verstößt gegen die ivorische Verfassung. Dabei hatte er versprochen, nicht wieder anzutreten. Die ganze Elfenbeinküste, Abidjan und Anono sagen Nein zu einer dritten Amtszeit! Deshalb werden wir immer weiter demonstrieren, bis wir unser Ziel erreicht haben."
Unerwartete Wendung
Ouattara ist seit 2010 im Amt und wurde 2015 wiedergewählt. 2016 setzte er eine neue Verfassung ein, die maximal zwei Amtszeiten für Präsidenten vorsieht. Ouattaras Gefolgschaft ist der Ansicht, man dürfe die Herrschaft des aktuellen Präsidenten erst ab der Verfassungsreform zählen und er dürfe ein weiteres Mal antreten. Verfassungsrechtlich wurde diese Frage bislang nicht geklärt. Der 78-Jährige erklärte vor einigen Monaten, es nicht darauf ankommen zu lassen und auf eine erneute Kandidatur zu verzichten - was ihm Lob im In- und Ausland einbrachte.
Als seinen Nachfolger hatte er Premierminister Amadou Gon Coulibaly vorgesehen - der Anfang Juli, mit 61 Jahren, jedoch überraschend verstarb. Coulibaly litt schon länger unter Herzproblemen und hatte vor Jahren ein Spenderherz erhalten. Vier Wochen später, am 6. August, verkündete Präsident Ouattara, wen die Regierungspartei RDR nun ins Rennen schicken würde: "Aufgrund dieser höheren Umstände und aus einer Motivation der bürgerlichen Pflichterfüllung heraus habe ich mich entschieden, den vielen Anfragen und Bitten meiner Mitbürger, noch einmal als Präsidentschaftskandidat zur Verfügung zu stehen, zu entsprechen. Ich werde also für das Präsidentenamt am 31. Oktober 2020 kandidieren."
Alte Männer unter sich?
Das sei "illegal", erklärte der 86-jährige Kandidat der Oppositionspartei PDCI, Henri Konan Bédié, der zwischen 1993 und 1999 bereits Präsident war. Beide waren 2010 schon einmal gegeneinander angetreten - nach seinem Ausscheiden im ersten Wahlgang hatte Bédié in der Stichwahl Ouattara unterstützt. Ouattara gewann, allerdings wollte Amtsinhaber Laurent Gbagbo nicht von der Macht lassen; eine Welle der Gewalt ergriff damals das Land.
Bei Kämpfen zwischen Anhängern Outtaras und Gbagbos wurden damals nach Schätzung von Menschenrechtlern mindestens 3.000 Menschen getötet. Erst nach einer französischen Militärintervention ließ Gbagbo von der Macht ab; so konnte Ouattara im April 2011 als Staatschef vereidigt werden. Gbagbo und einer seiner Minister, Charles Blé Goudé, mussten sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag für die Gewalt verantworten, wurden jedoch 2019 aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
Gbagbo wäre ursprünglich gerne aus dem belgischen Exil zurückgekehrt und selbst für seine Partei FPI ins Rennen gegangen: Noch im Juni hatte er angekündigt: "Die FPI wird ihren natürlichen Kandidaten ins Präsidentschaftsrennen schicken, und der heißt Laurent Gbagbo." Nun wird wahrscheinlich Pascal Affi N'Guessan, 67, ins Rennen geschickt.
"ADO raus!"
Die Jugendproteste gehen indes weiter: In Port Bouet, einem Küstenbezirk von Abidjan, blockierten Dutzende Demonstranten die Hauptstraße, einige hielten Schilder mit der Aufschrift "ADO raus!" und bezogen sich damit auf Präsident Alassane Dramane Ouattara. Im schicken Stadtteil Cocody, in dem das Staatsoberhaupt und viele andere politische Amtsträger leben, blieb es allerdings, nach Informationen der DW, am Freitag weitgehend ruhig: Hier wurden Bereitschaftstruppen in großer Zahl eingesetzt.
In den meisten Stadtteilen Abidjans wurde die Polizeipräsenz massiv aufgestockt. Einer der Demonstranten zeigt sich gegenüber dem DW-Korrespondenten empört: Er verstehe nicht, warum die Polizei so gewaltsam gegen einen friedlichen Marsch vorgehe: "Als vor kurzem Ouattaras Anhänger marschierten, wurden sie nicht von den Sicherheitskräften aufgehalten. Aber heute, wo wir auf der Straße sind, unterdrückt uns die Polizei. Warum?"
Mitarbeit: Julien Adayé (Abidjan)