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Politik

Arabische Pressefreiheit: Ein Desaster

26. April 2018

Journalisten in der arabischen Welt arbeiten gefährlich. Verstöße gegen Vorgaben werden streng geahndet. So stehen die Länder in der von "Reporter ohne Grenzen" veröffentlichen Rangliste der Pressefreiheit ganz unten.

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Kairo Protest Journalisten
Bild: picture-alliance/Zumapress/A. Sayed

Seit Wochen campierten die Menschen auf dem Platz, wollten sich nicht abfinden mit der Entwicklung ihres Landes. Einen guten Monat zuvor, Anfang Juli 2013, hatte das ägyptische Militär den gewählten Präsidenten Mohammed Mursi abgesetzt. Manches deutete darauf hin, dass Mursi, Mitglied der Muslimbrüder, Ägypten in einen moderat islamistischen Staat verwandeln wollte. So schritt das Militär ein - und provozierte massive Demonstrationen der Anhänger des gewählten Präsidenten.

Eine ihrer zentralen Anlaufstellen war der Rab'a-al-Adawiya-Platz im Stadtteil Nasr City im Osten Kairos. Auch am 14. August befanden sich wieder zahlreiche Menschen auf dem Platz, als mit einem Mal massiv bewaffnete Sicherheitskräfte in Richtung der Kundgebung vordrangen und das Feuer auf die Demonstranten eröffneten. Über 800 Menschen starben, über 1000 wurden verletzt.

Ebenfalls auf dem Platz: der Fotograf Mahmoud Abu Zeid alias Shawkan. Immer wieder drückte er auf den Auslöser, hielt fest, wie die Sicherheitskräfte die Menschen attackierten. Allein die Dokumentation des Massakers war den Behörden offenbar zu viel: Shawkan wurde festgenommen, bald sah er sich laut Amnesty International neun "konstruierten Anklagepunkten" gegenüber, darunter auch Mord. Seit seiner Verhaftung befindet sich Shawkan im Gefängnis, seine Anhörung wurde über 40 Mal vertagt.

Ägypten Kampagne Freedom Of Shawkan Mahmoud Abou Zeid Fotojournalist
Vom Staat des Mordes angeklagt: der Fotograf Mahmoud Abu Zeid alias ShawkanBild: Freedom Of Shawkan campaign

Anfang dieser Woche wurde Shawkan mit dem UNESCO-Preis für Pressefreiheit ausgezeichnet. Daraufhin erklärte das ägyptische Außenministerium sein "tiefes Bedauern" darüber, dass eine "wegen terroristischer und krimineller Akte angeklagte Person" einen Preis für Pressefreiheit erhalte.

Umgang mit missliebigen Journalisten

Geradezu exemplarisch zeigt der Fall Shawkan, warum Ägypten in der Mitte der Woche veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen" (RoG) einen der hintersten Ränge einnimmt, nämlich Platz 161 von 180 Plätzen insgesamt - exakt einen Platz hinter dem Irak und einen vor Libyen. Ländern also, die sich über Jahre im Krieg oder einer kriegsähnlichen Lage befanden oder weiterhin befinden.

Gegen missliebige Journalisten geht der ägyptische Staat mit aller Härte vor - und zwar aus leicht einsehbaren Gründen, sagt Christoph Dreyer, Pressereferent von Reporter ohne Grenzen. "Dem Regime geht es ums nackte Überleben. Denn vor allem die wirtschaftliche Krise ist so dramatisch, dass das Regime Angst hat, Kritik zuzulassen. Die Regierung hat vor Augen, wie es Mubarak erging - und das will man im Kabinett kein zweites Mal erleben."

Desaströse Ergebnisse

Insgesamt schneiden die arabischen Länder in der Rangliste sehr schlecht ab. Am besten steht noch Tunesien da: Das nordafrikanische Land kommt auf Rang 97, dicht gefolgt vom Libanon. Bereits abgeschlagen folgt als nächstes Katar, auf Rang 125 - ein erstaunlich bescheidener Rang für ein Land, dessen Flaggschiff-Sender "Al-Jazeera" für sich beansprucht, eine Bastion des liberalen Journalismus in der Region zu sein. Immerhin steht es in Katar dem Ranking zufolge um die Pressefreiheit auf der Arabischen Halbinsel noch am besten. Die anderen Golfstaaten finden sich noch weiter im unteren Bereich: Bahrain auf Platz 166, der Jemen auf Platz 167, Saudi-Arabien auf Platz 169.

Tunesien Proteste
Fragile Stabilität: Demonstranten in Tunesien, Januar 2018Bild: Getty Images/AFP/S. Hamdaoui

Auffallend: Die Situation der Pressefreiheit richtet sich nicht nach der wirtschaftlichen Prosperität des jeweiligen Landes. Der Jemen, seit jeher das ärmste Land der arabischen Welt, steht noch vor dem schwerreichen Saudi-Arabien. Auch der seit über drei Jahren anhaltende Krieg dort hat die Situation für Journalisten nicht verschärft, im Gegenteil: Im Jahr 2012, also kurz nach Ausbruch der arabischen Revolutionen, stand das Land auf Rang 171 der damaligen Liste - vier Plätze niedriger als heute.

Pressefreiheit als Spiegel der politischen Kultur

Ganz unabhängig von den ökonomischen Voraussetzungen spiegelt die Lage der Pressefreiheit offenbar die politische Kultur der Regierungen in der Region. Allesamt setzen sie nicht auf Mitsprache und kritischen Dialog, im Gegenteil. "Es geht darum, unerwünschte Informationen zu unterdrücken", sagt Christoph Dreyer. "Auf diese Weise sollen die Journalisten und nach ihnen die Bürger abgeschreckt werden, sich hervorzuwagen und Texte zu schreiben, die nicht der offiziellen Lesart entsprechen."

So wurde Ahmed Mansur, Schriftsteller und Publizist aus den Vereinten Arabischen Emiraten (VAE), von den Behörden seines Landes im Jahr 2011 festgenommen. Die Anschuldigung: Er habe den Präsidenten der VAE, Chalifa bin Zayid Al Nahyan, beleidigt.

Mansur wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, dann aber begnadigt. Im März 2017 wurde er dann wieder festgenommen, dieses Mal unter der Anschuldigung, die nationale Einheit zu gefährden. Kurz zuvor hatte er einen Aufruf zur Freilassung aller politischen Gefangenen im Nahen Osten unterzeichnet. "Sie wollen alle unabhängigen Stimmen zum Schweigen bringen", hatte er kurz zuvor in einem Gespräch mit der französischen Zeitung "Le Monde" den Zustand der Pressefreiheit seines Landes umrissen. Sein Prozess sollte im März 2018, ein Jahr nach seiner Verhaftung, beginnen. Derzeit liegt aber noch keine Anklageschrift vor.

"Stabilität" - ein fragwürdiges Argument

Über sieben Jahre nach Beginn der arabischen Aufstände haben die Regierungen die Kontrolle über die Bürger zu großen Teilen wiedererlangt. Ihren harten Kurs rechtfertigen sie damit, nur so Ordnung und Stabilität wiederherstellen zu können. 

Das Argument sei zweifelhaft, sagt Christoph Dreyer von Reporter ohne Grenzen. Die Stabilität sei vordergründig. In mehreren Ländern haben man 2011 gesehen, wie vermeintlich stabile Regimes in wenigen Wochen hinweggefegt wurden. Das sei auch sieben Jahre später nicht anders. "Denn auch jetzt gibt es Menschen, die mit den Zuständen in ihren Ländern alles andere als zufrieden sind."

Darum, sagt Dreyer, sollte auch die deutsche Bundesregierung zu dieser Art der mit Hilfe von Gewalt erzeugten Stabilität auf Distanz gehen. "RoG ist der Ansicht, dass die Bundesregierung sehr viel deutlicher machen müsste, dass diese Art von Stabilität nicht im Interesse Deutschlands und Europas ist." Sie müsse darauf hinweisen, dass es bereits aus realpolitischem Kalkül ratsam sei, Kritik zuzulassen - "allein schon, damit sich die Unzufriedenheit nicht immer wieder völlig unkontrolliert entlädt. Es ist auch im Interesse der Länder selbst, Wege zu Kritik und Mitsprache zu öffnen."

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DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika