Bazoum: "Soldaten am Boden sind unsere Sache"
9. Juli 2021Seit gut drei Monaten ist Mohamed Bazoum Präsident des Niger. Er hat die Führung eines Landes übernommen, das wirtschafts- und vor allem sicherheitspolitisch in unruhigen Fahrwassern unterwegs ist. Eine seiner ersten Auslandsreisen hat ihn nach Berlin geführt. Dort hat ihm die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel weitere deutsche Hilfe im Anti-Terror-Kampf zugesagt. Die DW hat Bazoum zum Interview getroffen.
DW: Frankreich hat angekündigt, seine Truppen im Sahel zu reduzieren. Erwarten Sie von Deutschland, dass es Soldaten schickt?
Bazoum: Nein, das ist nicht das Problem. Sie sehen, dass Frankreich dabei ist, die Zahl seiner Soldaten zu reduzieren, weil sie völlig unnötig sind. Wir brauchen keine Soldaten am Boden für Militäroperationen im Kampf gegen den Terrorismus. Wir brauchen unsere europäischen Partner für das, was sie gut können und wofür wir keine Mittel haben. Zusätzlich zu dem, was wir tun und wofür sie nicht gebraucht werden. Ganz konkret: Wir brauchen die technologische Ausrüstung, die wir nicht haben und die für unsere Geheimdienste wichtig ist, zum Beispiel Aufklärungsflugzeuge, aber auch jegliche andere technologische Erkennung. Wir können uns also gegenseitig ergänzen. Die Soldaten am Boden sind unsere Sache, nicht die unserer Partner.
Sie wollen also weiter militärisch gegen die Dschihadisten vorgehen? Sollte der Kampf gegen den Terrorismus nicht wenigstens durch mehr Entwicklung und sozialen Zusammenhalt verstärkt werden?
Derzeit bekämpfen wir die Terroristen da, wo sie Orte unter ihre Kontrolle gebracht haben. Wo sie Formen der Gewalt nutzen, um die Bevölkerung zu unterdrücken und ihre Kontrolle noch weiter auszudehnen. Die Terroristen erheben Steuern von den Menschen. Sie haben Schulen verboten und durchgesetzt, dass Schulen schließen. Gesundheitszentren können nicht arbeiten. Und auch die öffentliche Verwaltung in den von Terroristen besetzten Gebieten kann nicht arbeiten. Das ist derzeit unsere Priorität.
Dahinter steht aber natürlich auch die Frage nach Entwicklung. Die müssen wir in unseren Ländern fördern, damit es den Jungen nicht lukrativ scheint, zu "Banditen" zu werden, um davon zu leben. Aber das ist etwas anderes: Zunächst müssen wir dringend die Terroristen bekämpfen, sie vernichten, ihre Zahl reduzieren. Natürlich gibt es die grundlegende Frage von Entwicklung - aber das darf man nicht verwechseln. Es ist eine Frage der Agenda und Prioritätensetzung.
Aber sollte man nicht besser beides parallel machen: Kampf und Entwicklung?
Ja, wir sollten beides parallel in Angriff nehmen. Was die EU und Deutschland tun, was Frankreich tut, ist wichtig! Es ist ja nicht so, als bräuchten wir keine Militäroperationen. Aber es ist auch nicht so, als bräuchten wir nur Entwicklung! Darum kümmern wir uns. Ich habe nicht den Eindruck, als könnten unsere Partner den Ländern im Sahel mehr zur Verfügung stellen, als sie es bereits tun im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Aber im Moment steht der militärische Kampf gegen den Terrorismus auf der Tagesordnung.
Was halten Sie von Dialog mit Dschihadisten? Wäre das eine Option für den Niger?
Unsere Situation im Niger ist anders als in Mali. Es gibt keine nigrischen Dschihadisten, die eine Terrorbewegung anführen und Beschwerden an uns übermittelt hätten oder Forderungen. Daher können wir nicht einfach aufstehen und sagen: Wir wollen Dialog oder wir wollen keinen. Wenn wir dafür einen Partner hätten oder sich jemand anbieten würde, dann könnten wir darüber nachdenken. Aber da das nicht der Fall ist, sieht es mit der Frage bei uns anders aus als in Mali.
In Ihren Augen stellt sich die Frage nach Dialog also gar nicht?
Nein, denn wir sind vor allem von den Machenschaften des Islamischen Staates in der Größeren Sahara (ISGS) und der "Gruppe zur Unterstützung des Islams und der Muslime" (GSIM; al-Qaida-Ableger) betroffen. Die Chefs dieser beiden Organisationen sind keine Nigrer. GSIM, das sind Malier. Und bei ISGS ist es ein Sahraui. Wir haben also keinen Chef einer nigrischen Terroreinheit, der Forderungen an den Niger gestellt hätte, und daher gibt es auch keinen Partner für Gespräche mit dem Niger. Daher macht es für uns keinen Sinn zu sagen: Wir wollen den Dialog oder wir wollen keinen Dialog.
Sie sagen, es gibt keine nigrischen Terrorchefs. Aber immerhin gibt es viele Nigrer, die sich diesen Gruppen anschließen. Wie wollen Sie das verhindern?
Wir sind dabei, konkrete Aktionen zu entwickeln, mit denen wir die Menschen aufklären wollen. Leider kann ich öffentlich nicht sagen, was wir genau tun. Aber wir sind uns bewusst geworden, dass diese jungen Nigrer, die sich den Terrorgruppen anschließen, dies nicht so sehr aus ideologischer, radikal-islamischer Überzeugung tun. Sie tun es vielmehr, weil sie glauben, dass sie so ihr wirtschaftliches Überleben sichern. Wir müssen daher gegen diese Dynamik bei den jungen Leuten ankämpfen, vor allem bei einigen Gemeinschaften, denen es vor allem um Reichtum und Vermögen geht. Wir müssen daher in diesen Gemeinschaften Aufklärung betreiben.
Sie waren vier Jahre lang Minister für Inneres und die öffentliche Sicherheit. Was haben Sie versäumt, sodass sich der Terrorismus ausbreiten konnte, Massaker an Zivilisten und Angriffe gegen die Armee mit vielen Toten verübt werden?
Die Situation ist schlechter geworden, vor allem in Mali, das muss man leider sagen. Die Terrorgruppen haben ihre Basen dort ausgebaut. Und es gibt mehr junge Leute, die sich diesen Bewegungen angeschlossen haben. Das hat natürlich Einfluss auf unser Land. Denn die jungen Leute, die Menschen aus den Gemeinschaften der Djerma und Tuareg getötet haben, kommen leider aus der malischen Region Ménaka - das weiß jeder!
Und die von Ihnen erwähnte Geheimdienstausrüstung würde helfen, Angreifer frühzeitig zu identifizieren, die zum Beispiel auf Motorrädern in Dörfer kommen?
Wenn wir Radar hätten, wenn wir Hilfsmittel zur Überwachung hätten, wenn wir Hubschrauber hätten, wäre unser Vorgehen völlig anders gewesen.
Schlafen Sie nicht manchmal schlecht wegen des Terrors? Denn schließlich steht hinter den schieren Opferzahlen der Massaker ein Mensch, eine Familie, Angehörige, die leiden…
Wenn schon Sie in Berlin oder Bonn schockiert sind, wenn Sie hören, dass unzählige Menschen sterben, dann können Sie sich sicher vorstellen, wie es für jemanden wie mich an der Staatsspitze sein muss. Von dem erwartet wird, dass er mit solchen Situationen umgeht, sie verhindern und dafür sorgen soll, dass sie nicht passieren. Das ist noch viel schwieriger!
Sehen Sie das Interview auch im französischen Original:
Das Interview führte Dirke Köpp, Leiterin der Redaktion Französisch für Afrika.