Deutschland: Ratlos im Sahel
21. Mai 2021Der 18. August 2020 war für die deutsche Sahel-Politik ein rabenschwarzer Tag. Nach wochenlangen Straßenprotesten putschte Malis Militär gegen Präsident Ibrahim Boubacar Keïta.
Solche Krisen wollte Deutschland eigentlich verhindern. Die Bundeswehr beteiligt sich deshalb an der EU-Mission EUTM, die aus Malis Militär eine moderne demokratische Armee machen soll. Mehr als 13.000 Soldaten haben bisher an den Trainings teilgenommen.
Neben EUTM beteiligt sich die Bundeswehr auch an der UN-Friedensmission MINUSMA in Mali. Laut "Tagesspiegel" hat die Bundesregierung zwischen 2016 und 2020 außerdem 3,2 Milliarden Euro für zivile Stabilierungsmaßnahmen in den fünf Sahelländern Mauretanien, Mali, Niger, Burkina Faso und Tschad ausgegeben.
Die Gewalt nimmt zu
"Für die Bundesregierung hat die Region aufgrund eigener außenpolitischer Interessen, der Beziehungen zu Frankreich und der Rolle in der EU hohe Priorität", sagt Andrew Lebovich, Sahel-Experte beim European Council on Foreign Relations, der DW.
Nur geholfen hat das bisher wenig. Die Angriffe islamistischer Gruppen in der Region haben sich seit 2017 fast versiebenfacht. Nach UN-Angaben brauchen über 29 Millionen Menschen humanitäre Hilfe - ein historischer Höchststand.
Trotzdem setzt Deutschland auf Kontinuität. Am Mittwoch verlängerte der Bundestag die Bundeswehr-Einsätze in Mali um ein weiteres Jahr. Bei der EUTM-Mission können künftig statt wie bisher 450 sogar 600 Soldaten eingesetzt werden.
Ist mehr Militär die Lösung?
Denn große Teile der Berliner Politik sehen zur bisherigen Politk keine Alternative. Die Sahelzone sei eine der größten sicherheitspolitischen Herausforderungen für Europa, sagte der CDU-Abgeordnete Johann David Wadephul bei der Bundestagsdebatte am vergangenen Mittwoch: "Es geht für uns Europäer dort um viel: Es geht um die Destabilisierung einer ganzen Region. Es droht die Gefahr einer humanitären Katastrophe, wenn man den Sahel den Terror- und Verbrechensbanden überlässt", so Wadephul.
Doch lässt sich diese Krise mit militärischen Mitteln lösen? Experten kritisieren, das sich das bisherige europäische Engagement stark auf die Bekämpfung islamistischer Gruppen konzentriert. Länder wie Mali leiden unter vielen lokalen Konflikten - Kämpfe um knappe Ressourcen wie Land und Wasser, aber auch Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Volksgruppen.
"Politische Lösungen auf der lokalen Ebene sind nötig", sagte Denis Tull, Sahel-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, kürzlich auf einer virtuellen Podiumsdiskussion mit Blick auf Mali. Das fordert auch die Zivilgesellschaft in der Region.
Kaum Verhandlungen
Genau daran hapert es. Beispiel Mali: 2015 unterschrieb der damalige Präsident Keïta ein Friedensabkommen mit einigen bewaffneten Gruppen, setzte die Vereinbarung aber nicht um. Burkina Fasos Präsident Roch Kaboré lehnte im letzten Jahr Verhandlungen mit gewalttätigen Gruppen ab - trotz entsprechender Forderungen aus Teilen der Zivilgesellschaft.
Teile der deutschen Opposition fordern daher mehr Druck auf die Regierungen. Friedensprozesse könnten in der Region nur funktionieren, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen, sagte die grüne Abgeordnete Agnieszka Brugger in der Debatte. Die Bundesregierung müsse "den Druck auf die Militärs, aber auch auf die Regierung hochhalten, damit es endlich echte politische Reformen gibt".
Bundesregierung fordert mehr Engagement
Auch die Bundesregierung will die Regierungen der sogenannten G5-Länder (Mauretanien, Mali, Niger, Burkina Faso und Tschad) stärker in die Pflicht nehmen. "Der Schlüssel zum Erfolg liegt jedoch bei den G5-Regierungen. Bitte setzen Sie Ihre Arbeit für verantwortungsbewusstes staatliches Handeln und den Kampf gegen Korruption und Straflosigkeit fort", sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) bei einer internationalen Sahelkonferenz im Februar.
Doch von diesem Handeln spüren die Menschen in der Region bisher wenig. Stattdessen hat das Militär in zwei Staaten - Mali und Tschad - die Macht übernommen. In anderen Staaten wachsen die Klagen über die Brutalität der Sicherheitskräfte. Vertrauen in den Staat kann bei den Menschen in der Region so aber nicht wachsen.