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Neuer Umgang mit China?

18. November 2020

Chinas immer aggressiveres Auftreten nach innen und außen wirft unbequeme Fragen auf. Ein Web-Talk der Friedrich-Naumann-Stiftung sucht Antworten.

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Berlin | Heiko Maas trifft Chinas Außenminister Wang Yi
Bild: Reuters/M. Sohn

Die Stichworte im Zusammenhang mit China sind geläufig: Die einseitige Aufkündigung des Versprechens von "Ein Land, zwei Systeme" in Hongkong durch das sogenannte Sicherheitsgesetz; die brutale Unterdrückung der uighurischen Minderheit in Xinjiang; wachsender Druck auf Taiwan; militärische Muskelspiele im südchinesischen Meer; Gefechte mit indischen Truppen im Himalaya.

Deng Xiaoping, der Vater der chinesischen Reform – und Öffnungspolitik hatte noch geraten: "Verstecke deine Stärke und warte auf deine Zeit". Aber seit seinem Amtsanritt im Jahr 2013 hat Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping diese Maxime ignoriert.

Vielleicht hält Xi Jinping nach drei Jahrzehnten einer beispiellosen wirtschaftlichen Aufholjagd auch einfach den Moment für gekommen, die gewachsene Wirtschaftsmacht in militärische und politische Macht umzumünzen. Und die dann vermehrt einzusetzen, immer aggressiver, nach innen und außen – propagandistisch verbrämt als Schritte auf dem Weg zur Verwirklichung des "chinesischen Traums".

Ende der Naivität

Was die Frage aufwirft: Wie soll man umgehen mit der aufsteigenden asiatischen Supermacht, deren Wirtschaft so eng mit der europäischen und speziell der deutschen verwoben ist? Alexander Graf Lambsdorff, Fraktionsvize der FDP im deutschen Bundestag, fordert an erster Stelle ein "Ende der Naivität" im Umgang mit China und eine "Neujustierung" der Politik gegenüber Peking. Der FDP-Außenpolitiker plädiert in einer Online-Diskussion der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit für ein Zusammenstehen der westlichen Demokratien gegen ein diktatorisches China.

FDP-Fraktionsvize Alexander Lambsdorff spricht im deutschen Bundestag
Fordert eine Neujustierung der Beziehungen zu China: Alexander LambsdorffBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Der Wirtschaft empfiehlt Lambsdorff sich weniger abhängig von China zu machen, zu diversifizieren. Als Negativbeispiel führt er den Autobauer VW an. Der macht 40 Prozent seines Umsatzes in China. Weil BMW und Daimler ebenfalls rund ein Viertel ihrer Fahrzeuge in China absetzen, ist hier eine Abhängigkeit entstanden, die erpressbar macht. Die unter US-Präsident Donald Trump begonnene Politik des "Decoupling", also der Entkopplung der westlichen Wirtschaften von China, werde auch unter einem Präsident Biden neue Dynamik bekommen, erwartet Lambsdorff. Er erinnerte daran, dass es Trumps Vorgänger Barack Obama war, der 2011 mit dem sogenannten "pivot to Asia" begonnen hatte, eine Antwort auf Chinas wachsenden Enfluss im asiatisch-pazifischen Raum zu finden.

China Xinjiang Dabancheng Uiguren Umerziehungslager
Wachturm eines Umerziehungslagers in Xinjiang. Die uighurische Minderheit wird massiv unterdrücktBild: Reuters/T. Peter

Bedrohtes Demokratielabor Taiwan

Die Online-Veranstaltung stand unter dem Titel "Brennpunkt Hongkong: Warum sich in China die Zukunft der freien Welt entscheidet". Das ist auch der Titel eines Buches von Alexander Görlach. Der Journalist forscht als Senior Fellow am Carnegie Council für Ethik in den internationalen Beziehungen zur Zukunft von Demokratien - und war der zweite Diskutant der Online-Runde.

Autorenbild | Alexander Görlach
Will Taipei gegen Peking unterstützen: Alexander GörlachBild: Hong Kiu Cheng

Görlach betrachtet Hongkong und Taiwan als Labore der Demokratie, deren bloße Existenz und Prosperität Pekings Aussagen von der angeblichen Unvereinbarkeit der chinesischen Gesellschaft mit westlichen Demokratieformen Lügen strafe. Genau deshalb würde die Demokratie in Hongkong mit dem sogenannten Sicherheitsgesetz und dessen Durchsetzung beerdigt. Und genau deshalb werde die taiwanesische Demokratie von Peking bedroht.

Görlach warb eindringlich für mehr Unterstützung der 23 Millionen Einwohner Insel, die mit ihrer florierenden Demokratie ein natürlicher Partner und Verbündeter für Deutschland und Europa sei . "Wir müssen Peking klarmachen, dass es mit Taiwan nicht so laufen kann wie mit Hongkong", forderte Görlach ein robustes Auftreten gegenüber Peking.

Deutschland Repräsentanten Taiwans im Menschenrechtsausschuss
Taiwans Repräsentant in Deutschland traf im Oktober den Menschenrechtsausschuss des Bundestages Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Sorgen wegen eines massiven politischen Schadens im Verhältnis zur Volksrepublik – und damit einhergehend ebenso massiven wirtschaftlichen Einbußen - versuchte Görlach mit Verweis auf eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zu begegnen. Die habe gezeigt, dass der Außenhandel mit Nicht-Demokratien nur etwa 15 Prozent ausmache. Für Görlach ein Preis, den man vielleicht bezahlen müsse. China habe sich unter Xi zu einem "Bully" entwickelt, sagte Görlach. Dem müsse man sich entgegenstellen. Das werde Opfer kosten, aber die würden umso größer, je länger man warte.

Tacheles: Mikko Huotari

Berlin, Brüssel, Paris

FDP-Fraktionsvize Lambsdorff warnte vor einem Abschied von der sogenannten "Ein-China-Politik", die auch einer Anerkennung Taiwans entgegensteht. "Wir müssen neben unseren Werten auch unsere Interessen" im Blick behalten, mahnte Lambsdorff. Der im übrigen zur Bescheidenheit riet. Mit seinen 83 Millionen Einwohnern sei Deutschland kein Gegengewicht zu China, "nicht einmal ein Partner auf Augenhöhe".

Im Tandem mit Frankreich bringe man mehr politisches Gewicht auf die politische Waagschale, meinte Lambsdorff – und erinnerte an die Chinareise des französischen Präsident Emmanuel Macron vor einem Jahr. Da durfte eine deutsche Ministerin Macron begleiten. Schon im März 2019 hatte Macron zu einem Besuch von Xi Jinping in Paris demonstrativ auch Kanzlerin Angela Merkel und den damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker eingeladen. Lambsdorff setzt auf Partnerschaften und Allianzen im Umgang mit China und erwartet in diesem Zusammenhang unter der neuen US-Administration eine "transatlantische Renaissance" 

Merkel Macron Juncker Jinping in Frankreich
Gemeinsam stärker: Macron, Merkel und Juncker mit Xi Jinping in ParisBild: Reuters/P. Wojazer

Neue Akzente im Umgang mit China werden durchaus sichtbar. Die EU-Kommission hat China als "strategischen Rivalen" identifiziert. Und als Chinas Außenminister Wang Yi am 1. September Deutschland besuchte, machte Deutschlands Außenminister Heiko Maas seine Kritik am Sicherheitsgesetz sehr deutlich und forderte die volle Geltung des Prinzips "Ein Land, zwei Systeme" und die Einhaltung aller im basic law garantierten Rechte.

Tags drauf, am 2. September, beschloss die Bundesregierung ihre Indo-Pazifik-Leitlinien, die China aus der Rolle des strategischen Partners in die eines politischen Wettbewerbers und Konkurrenten rücken. An eben diesem 2. September erschien auch Görlachs Buch vom "Brennpunkt Hongkong".

Matthias von Hein
Matthias von Hein Autor mit Fokus auf Hintergrundrecherchen zu Krisen, Konflikten und Geostrategie.@matvhein