Zieht Joe Biden für Taiwan in den Krieg?
10. November 2020Der unter Donald Trump eingeschlagene harte Kurs gegenüber der vertragsbrüchigen Volksrepublik China wird auch von vielen Demokraten in den USA unterstützt. In den innenpolitisch aufgeheizten Zeiten unter Donald Trump waren die Themen Hongkong und Taiwan - beides Orte, die sehr unter Pekings neuem autoritären Griff zu leiden haben - zwei der wenigen Fragen, die zwischen Republikanern und Demokraten unumstritten waren. Im Kongress haben beide Parteien daher die Maßnahmen gegen die Menschenrechtsverletzungen, die China begeht, gemeinsam getragen.
Joe Biden wird gewiss nicht die christlichen Kirchen der USA schließen und die Menschen Chinesisch lernen lassen, um Peking zu schmeicheln und sich den Kommunisten zu unterwerfen, wie es Donald Trump im Wahlkampf behauptet hatte. Eher das Gegenteil dürfte der Fall sein, denn der außenpolitische Ansatz der Obama-Administration, der auf Konzilianz setzte, gilt als gescheitert. Episoden wie jene, dass der Dalai Lama in Washington den Dienstboteneingang nutzen musste, während Peking den Mullahs von Teheran den roten Teppich ausrollt, dürften endgültig der Vergangenheit angehören.
Der Einfluss in den internationalen Organisationen
Die USA werden darüber hinaus, um sich gegenüber China adäquat positionieren zu können, ihre Rolle in den internationalen Institutionen zurückgewinnen und ausbauen müssen. Die Volksrepublik hat in den vergangenen vier Jahren ihren Einfluss in den UN-Gremien ausgebaut: In den Vereinten Nationen wurde eine chinesische Version von "Menschenrechten" propagiert, die alle Bürgerrechte ausschließt. In der Weltgesundheitsorganisation hat Peking bei Beginn der Corona-Pandemie seine Macht zum Herunterspielen der Seuche genutzt. Der meiste Druck auf die eigenwillige Volksrepublik wird indes über die Welthandelsorganisation ausgeübt werden müssen.
Wichtigstes Themenfeld für die Biden-Administration wird allerdings Taiwan sein. Das unabhängige, demokratische Inselland wird von Peking mit Annexion bedroht. Donald Trump hat die Beziehungen zu Taipeh aufgewertet, wie in den vier Jahrzehnten vor ihm kein zweiter Präsident. Unter Donald Trump haben die USA ihre Sicherheitsgarantie für Taiwan, die noch aus einer Zeit stammt, in der die Insel über mehr ökonomisches Gewicht verfügte als die Volksrepublik, allerdings nicht abschließend konkret gefasst: Schließt sie ein militärisches Eingreifen ein, sollte Taiwan vom Festland angegriffen werden?
Die strategische Bedeutung Taiwans
Die Biden-Administation wird gleich zu Beginn herausstellen müssen, ob sie bereit ist, für Taiwan in den Krieg zu ziehen. Das Land ist für die USA nicht nur ein Bollwerk gegen die kommunistische Volksrepublik direkt vor deren Küste, es ist zudem einer der Top-Produzenten von Computerchips für die gesamte Welt. Aber zuallererst ist Taiwan ein demokratischer Partner, der in Ostasien gemeinsam mit Südkorea und Japan eine Achse der Freundschaft mit Demokratien auf der ganzen Welt bildet.
Mit der Wahlniederlage von Donald Trump wird einer von der politischen Bühne abtreten, der Autokraten huldigt und das demokratische System verachtet. Das ist eine gute Nachricht. Um die Grundlage für ein nachhaltiges und langfristiges Wiedererstarken der demokratischen-freiheitlichen Ordnung zu schaffen, werden jedoch die nächsten Schritte seines Nachfolgers entscheidend sein.
Alexander Görlach ist Senior Fellow des Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Senior Research Associate an der Universität Cambridge am Institut für Religion und Internationale Studien. Der promovierte Linguist und Theologe war zudem in den Jahren 2014-2017 Fellow und Visiting Scholar an der Harvard Universität, sowie 2017-2018 als Gastscholar an der National Taiwan University und der City University of Hong Kong.