Neue Kardinäle: Wie sich der Papst die Weltkirche vorstellt
30. September 2023Nun also Malaysia, der Südsudan, Israel. Mit der Aufnahme von 21 Geistlichen in den Kreis der Kardinäle erweitert Papst Franziskus die Zahl der Länder, die im Kardinalskollegium vertreten sind. Künftig gibt es 71 Nationalitäten im Kreis der Papstwähler - das sind alle Kardinäle, die noch keine 80 Jahre alt sind. So viele Herkunftsländer wie nie zuvor.
Seit seinem ersten Konsistorium - wie die Ernennung neuer Kardinäle durch den Papst in der Kirchensprache heißt - bleibt Franziskus seinem Kurs treu: Er internationalisiert den Kreis der Kardinäle, die im Vatikan nach seinem Tod oder Rücktritt seinen Nachfolger wählen. In viel größerer Zahl als früher sind nun Länder mit jeweils nur einem Vertreter im Kardinalskollegium vertreten. Damit mehren sich die Perspektiven, die in dem Gremium vertreten sind.
Keine Abos mehr für bestimmte Bistümer
Der Papst hat damit auch das Konzept zu den Akten gelegt, die Oberhirten von wichtigen und traditionsreichen Erzbistümern geradezu automatisch zu Kardinälen zu machen. So gehen die Erzbischöfe von Paris und Venedig, Mailand und auch Berlin seit Jahren leer aus. Stattdessen sucht Franziskus immer auch Geistliche aus, die nicht dem Klischee entsprechen.
All das wird es schwerer machen, ein künftiges Konklave zu bewerten oder "heiße Kandidaten" zu benennen. Denn die Geistlichen im roten Purpur, der für das Kardinalsamt steht, kennen einander viel weniger, als es in früheren Zeiten üblich war.
Nach zehn Jahren Papst Franziskus fällt eine Verschiebung im Kardinalskollegium deutlich auf. Künftig kommen 23 Papstwähler aus Asien - bei den Konklaven 2005 und 2013 waren es jeweils nur zehn. Damit ist Asien neben Europa und Nordamerika nun die dritte Region, die im Vergleich zum Anteil der Katholiken in der Region überproportional im Kreis der künftigen Papstwähler vertreten ist. Unterrepräsentiert bleiben Lateinamerika, wo rund 42 Prozent der weltweiten Katholiken, aber nur 18 Prozent der zur Papstwahl berechtigten Kardinäle leben, und ebenso Afrika südlich der Sahara.
"Viel mehr Kardinäle aus Asien, mehr als eine Verdopplung", betont der niederländische Vatikan-Journalist Hendro Munsterman vom "Nederlands Dagblad" der Deutschen Welle. "Dieser Papst schaut vor allem nach Asien." Das habe auch mit seinen Gedanken zur Synodalität zu tun, diesem katholischen Zauberwort für den gemeinsamen Dialog aller, die in der Kirche unterwegs sind.
"Synodalität heißt für Franziskus 'Antiklerikalismus'", erläutert Munsterman: "Das heißt: Kleriker sind für ihn nicht besser als Laien - im Gegenteil, sie brauchen Laien." Der Kampf gegen Klerikalismus, diese meist mit patriarchalem Stil einhergehende Überordnung der Kleriker, der Geistlichen, über die nicht-geweihten Gläubigen, ist seit Amtsantritt 2013 ein beständiges Anliegen dieses Papstes. Gerade in seinen ersten Amtsjahren gab es einige päpstliche Reden, in denen er sich über Klerikalismus und die damit einhergehende Distanz zu den Menschen polternd beschwerte.
Harmonie statt Klerikalismus
Die gesamte Art dieses Papstes, über Synodalität zu denken, sei wesentlich asiatisch geprägt, sagt Munsterman: "Er sucht eine Kirche der Harmonie." Asien sei beim Abbau von Klerikalismus weit fortgeschritten, während die gleichfalls aufsteigende katholische Kirche in Afrika noch stark vom klerikalen Denken geprägt sei.
Asien, wo die Katholiken eine Minderheits-Kirche seien, sei für Franziskus "wirklich Zukunft der Kirche, weil in Asien Harmonie gesucht wird". Munsterman erinnert auch an den Wunsch des jungen Jorge Mario Bergoglio, wie der Papst mit bürgerlichem Namen hieß. Er wollte Missionar in Japan werden, konnte das aber aus gesundheitlichen Gründen nicht umsetzen.
Asien ist der aufsteigende Kontinent für Franziskus - Europa steigt dagegen ab, wie ein Blick auf die Zahlen zeigt. Aber Munsterman hält dagegen, es gebe keine "Ent-Europäisierung" des Kardinalskollegiums. Heute kämen 38 Kardinäle aus Europa ohne Italien - im Konklave 2005, das damals Franziskus' Vorgänger Joseph Ratzinger wählte, saßen auch schon 38 nicht-italienische europäische Kardinäle.
Der Vatikan-Journalist spricht stattdessen von einer "Ent-Italianisierung" des Kardinalskollegiums. Unter 136 künftigen Papstwählern gerade mal 14 Italiener - früher unvorstellbar. 2013 waren es 28 unter 115 Kardinälen. Munsterman: "Es wird wirklich eine Weltkirche, wo Italien immer weniger eine Rolle spielt."
Im Niedergang mit Italien vergleichbar ist nur die deutsche Präsenz im Falle eines Konklaves. Nach dem Rücktritt von Papst Benedikt zogen im März 2013 unter den 115 Kardinälen sechs Deutsche zu den Beratungen und Wahlen in die Sixtinische Kapelle. Zehn Jahre später haben nur noch drei Deutsche das Recht, an einer Papstwahl teilzunehmen. Drei von 136. Ein Abstieg im globalen Ranking: 2013 stellten die Deutschen das drittgrößte nationale Kontingent. Heute liegt Deutschland an Rang elf.
Drei Deutsche von gestern
Jeder der drei Deutschen dürfte dem Papst Sorgen bereiten. Der Dienstälteste der deutschen Kardinäle, Münchens Erzbischof Reinhard Marx (70), wurde 2010 von Papst Benedikt berufen. Er bot 2021 im Zuge der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen dem Papst seinen Rücktritt an, den dieser aber nicht annahm. 2012 folgte ihm Rainer Maria Woelki, damals Erzbischof von Berlin, seit 2014 Erzbischof von Köln. Das Verhältnis Woelkis zu weiten Teilen seines Erzbistums ist zerrüttet. Anfang 2022 bot der heute 67-Jährige dem Papst seinen Rücktritt an, der darüber aber nicht entschied.
Schließlich machte Papst Franziskus 2014 Gerhard Ludwig Müller zum Kardinal. Damals war er oberster Glaubenswächter der katholischen Kirche, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre. Für dieses Amt berief Franziskus einen anderen Theologen. Seitdem ist Müller ein Priester im Ruhestand und ein unzufriedener Kardinal. Regelmäßig äußert sich der heute 75-Jährige in reaktionären Medien beißend kritisch zum Kurs des Papstes oder zur Lage der katholischen Kirche. Er scheut bei einschlägigen Veranstaltungen auch vor Verschwörungstheorien nicht zurück. Diese drei, so wirkt es, spielen für den Papst, der auf die Zukunft der Weltkirche schaut, keine Rolle.